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BFH: Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen bestätigt

Ist die Erhebung von Säumniszuschlägen verfassungsgemäß? Ein Unternehmer stellte genau das infrage – mit Verweis auf die Höhe des Zinsniveaus sowie auf Verfassungs-, EU- und Menschenrecht. Doch der Bundesfinanzhof urteilte eindeutig: Die Zuschläge nach § 240 AO sind zulässig. Warum das Gericht die Argumente zurückwies und was das für Steuerzahler bedeutet, lesen Sie hier.

05.06.2025
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Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Verfahren war streitig, ob die gesetzlich festgelegten Säumniszuschläge gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) verfassungsrechtlich, unionsrechtlich oder menschenrechtskonform zulässig sind. Dem Kläger entstanden im Rahmen von Umsatzsteuerfestsetzungen und -voranmeldungen zwischen 2012 und 2018 Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt EUR 59,50. Gegen die Festsetzung wandte er sich mit dem Argument, dass diese Zuschläge aufgrund eines fassbaren Zinsanteils gemäß § 240 AO unverhältnismäßig seien und berief sich dabei auf das BFH-Urteil vom 29. August 1991 – V R 78/86 laut dem die Säumniszuschläge einen Zinsanteil enthielten. Des Weiteren rügte er eine Verletzung von Unionsrecht in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), weil er darin einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung sah.

Entscheidung

1. Verfassungsmäßigkeit
Der BFH bestätigte mit seinem Urteil vom 19. Februar 2025 (Az. XI R 18/23) die Verfassungsmäßigkeit des § 240 AO auch für Zeiträume nach dem 31. Dezember 2018. Insbesondere sei die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Zinshöhe bei Nachzahlungszinsen (§§ 233a, 238 AO) nicht auf Säumniszuschläge übertragbar. Der Säumniszuschlag habe vorrangig Lenkungs- und Druckfunktion, nicht jedoch vorrangig Zinscharakter. Die Absaugung des Liquiditätsvorteils sei lediglich Nebenzweck der Vorschrift.
Mit Newsbeitrag vom 7. Juni 2023 hatten wir berichtet, dass hingegen der II. Senat des BFH im Rahmen eines Verfahrens, in dem über eine Aussetzung der Vollziehung entschieden worden ist, gleichwohl aufgrund der Höhe des allgemeinen Zinsniveaus die Erhebung von Säumniszuschlägen in Höhe von 12 % p.a. für verfassungswidrig hält. Der II. Senat bestätigte ausdrücklich, dass Säumniszuschläge einen Zinscharakter haben.

2. Unionsrecht
Auch unionsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Der BFH verwies auf einschlägige Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sowie des BFH, die eine unionsrechtliche Unzulässigkeit nicht erkennen ließen.

3. Europäische Menschenrechtskonvention
Die Anwendung von § 240 AO verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 2 EMRK. Der BFH prüfte anhand der sog. „Engel-Kriterien“ des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), ob es sich bei Säumniszuschlägen um eine strafrechtliche Sanktion handelt. Dies wurde verneint. Es fehle sowohl an der strafrechtlichen Einordnung der Norm, als auch an der Art der Zuwiderhandlung sowie der Art und Schwere der Sanktion. Die Zuschläge seien verwaltungsrechtlicher Natur und verfolgten keine abschreckende generalpräventive Wirkung.

Fazit

Es ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung im Hinblick auf das o.g. Urteil des XI. Senats Einsprüche, die sich insbesondere gegen die Höhe der Säumniszuschläge richten, als unbegründet zurückweist. Ungeachtet dessen sollte dennoch gegen die Höhe der Säumniszuschläge Einspruch eingelegt werden. Derzeit sind noch weitere Verfahren beim BFH anhängig, in deren Hinblick das Ruhen des Einspruchsverfahrens beantragt werden könnte (so z. B. beim VII. Senat, Az. VIII R 2/23).

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