Wird eine Steuer vom Steuerpflichtigen nicht bis zum Ablauf der Fälligkeit entrichtet, fallen nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO für jeden angefangenen Monat der Säumnis Säumniszuschläge in Höhe von 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags an.
Säumniszuschläge sind grundsätzlich als Druckmittel zu verstehen, die einen gewissen Erziehungscharakter aufweisen und säumige Steuerpflichtige zu einer zeitnahen Begleichung ihrer Steuerschuld anhalten sollen. Unklar ist jedoch, ob Säumniszuschläge neben dem Druckmittelanteil auch einen gewissen Zinsanteil beinhalten und inwiefern dieser, auch aufgrund der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Zinsen nach § 238 Abs. 1 AO ab dem Verzinsungszeitraum 2014 (Newsbeitrag vom 9. September 2021), verfassungsgemäß ist.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 26. Mai 2021 (Az. VII B 13/21 (AdV)) festgestellt, dass gegen die Höhe der zu entrichtenden Säumniszuschläge für die Jahre ab 2012 jedenfalls insoweit erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, als den Säumniszuschlägen nicht die Funktion eines Druckmittels zukommt, sondern Säumniszuschläge die Funktion einer Gegenleistung oder eines Ausgleichs für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern haben und damit eine zinsähnliche Funktion aufweisen (Leitsatz).
Sachverhalt
Das Finanzamt als Antrags- und Beschwerdegegner erließ im Jahr 2020 einen Abrechnungsbescheid, der zulasten des Beschwerdeführers und Antragstellers unter anderem Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer für August 2018 für den Zeitraum vom 11. Oktober 2018 bis zum 10. November 2018 auswies.
Nach Ansicht des Antragstellers seien die Säumniszuschläge, soweit sie einen bestimmten Betrag übersteigen, verfassungswidrig, da Säumniszuschläge einen Druck- und einen Zinscharakter aufweisen würden. Der Antragsteller legte daher Einspruch ein. Mit dem Einspruch sollte insbesondere der Zinscharakter angegriffen werden; der Druckcharakter der Säumniszuschläge sei nicht Gegenstand des Einspruchs- und des späteren Beschwerdeverfahrens. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Zweifel des BFH im Zusammenhang mit der Zinshöhe, die zum damaligen Zeitpunkt noch bestanden und in der Folge vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für Verzinsungszeiträume ab 2014 bestätigt wurden, sei der Zinsanteil der Säumniszuschläge ebenfalls verfassungsrechtlich bedenklich. Der Einspruchsführer beantragte daher die Aussetzung der Vollziehung, soweit die Säumniszuschläge einen Zinsanteil beinhalteten.
Zwar hatte das Finanzamt über den Einspruch selbst nicht entschieden; allerdings lehnte es den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Es verwies auf die einschlägige Rechtsprechung, welche die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge bereits bestätigt hatte. Ein verdeckter Zinsanteil sei nicht enthalten.
Auch das Finanzgericht (FG) Münster hatte den daraufhin gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, allerdings nachträglich eine Beschwerde beim BFH zugelassen. Daher wendete sich der Antragsteller an den BFH.
Beschluss des BFH
Der BFH verweist in seinem Beschluss auf die gefestigte Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Nachzahlungszinsen ab dem Jahr 2012. Dies müsse auch insoweit gelten, als Säumniszuschlägen nicht die Funktion eines Druckmittels zukommt, sondern die Funktion einer Gegenleistung oder eines Ausgleichs für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern (zinsähnliche Funktion).
Daher gewährte der BFH dem Antragsteller die Aufhebung des angefochtenen Abrechnungsbescheides hinsichtlich der Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer, da der Bescheid bereits vollzogen wurde.
Einschätzung und Ausblick
Der Leitsatz des Beschlusses wird nicht in der amtlichen Sammlung des BFH veröffentlicht (sogenannte NV-Entscheidung). Es handelt sich daher um eine Entscheidung, die grundsätzlich nur für den entschiedenen, oben dargestellten Einzelfall als bedeutsam angesehen wird. Grund hierfür ist, dass sich der Beschluss auf die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes (Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung) bezog, was grundsätzlich nur einzelfallbezogen entschieden werden kann.
Dennoch lässt der BFH mit diesem Beschluss erkennen, dass er davon ausgeht, dass Säumniszuschläge nicht ausschließlich ein Druckmittel darstellen, sondern darüber hinaus auch einen Zinscharakter aufweisen. Zu welchem Anteil Säumniszuschläge einen Zinscharakter aufweisen, kann anhand des Beschlusses nicht abgeleitet werden.
Inwiefern die Finanzämter sich von diesem Beschluss in der Handhabung entsprechender Fälle leiten lassen, kann zu diesem Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden. Ein Einspruch gegen einen Abrechnungsbescheid über Säumniszuschläge mit Verweis auf die Verfassungswidrigkeit der Zinshöhe nach § 238 Abs. 1 AO (jedenfalls für Verzinsungszeiträumen ab 2019) und den oben genannten Beschluss kann dennoch unter Umständen lohnend sein.
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