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BFH zur Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau

Wird eine Steuer vom Steuerpflichtigen nicht bis zum Ablauf der Fälligkeit entrichtet, fallen nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO für jeden angefangenen Monat der Säumnis Säumniszuschläge in Höhe von 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags an. Säumniszuschläge stellen daher ein Druckmittel zur Durchsetzung fälliger Steuern dar.

05.04.2023
Unternehmens- und Konzernsteuerrecht

Säumniszuschläge fallen unabhängig davon an, ob eine Steuer zutreffend festgesetzt wird. Wird eine Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert, bleiben verwirkte Säumniszuschläge unberührt.

In unserem Beitrag vom 17. Januar 2022 haben wir über die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge und einem möglichen verdeckten Zinsanteil berichtet. Fraglich ist jedoch die Höhe der sanktionierenden Wirkung der Säumniszuschläge im Falle einer Überschuldung.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 15. November 2022 (Az. VII R 55/20) festgestellt, dass gegen die Höhe der Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 S. 1 AO auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (Leitsatz).

Sachverhalt

Kläger war der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Steuerpflichtigen. Das Finanzamt erließ im Jahr 2017 einen Feststellungsbescheid, der zulasten des Steuerpflichtigen auch Säumniszuschläge für den Zeitraum von März 2015 bis April 2016 enthielt. Der Insolvenzverwalter argumentierte, dass die Funktion der Säumniszuschläge als Druckmittel im Falle einer Insolvenz gegenstandslos sei, weshalb sie aus sachlichen Billigkeitsgründen zur Hälfte zu erlassen seien (§ 227 AO). Im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH erfolge somit eine Verminderung der Säumniszuschläge von 12 % auf 6 % pro Jahr, die sich an der Höhe der Zinsen bei der Aussetzung der Vollziehung oder Stundung orientiere.

Die Höhe der verbleibenden Säumniszuschläge in Höhe von 6 % pro Jahr seien wiederum verfassungswidrig. Ursächlich hierfür sei die erhebliche Überschreitung des strukturell niedrigen Marktzinssatzes. Bedeutende Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge bestünden auch vor dem Hintergrund des Übermaßverbotes.

Beschluss des BFH

Bezüglich der Höhe der Säumniszuschläge bestehen nach Ansicht des BFH keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Zusammenhang mit der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Verzinsung nach §§ 233a, 238 AO in Höhe von 0,5 % für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 sei auf die Berechnung von Säumniszuschlägen nicht übertragbar. Es fehle auch bereits an einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte; eine Ungleichbehandlung zwischen zinszahlungspflichtigen Steuernachzahlern und säumniszuschlagspflichtigen Steuerpflichtigen ist mangels vergleichbarer Sachverhalte nach Ansicht des BFH nicht gegeben. § 233a AO erfasse stark typisierende objektive Zins- und Liquiditätsvorteile. Dementsprechend seien Nachzahlungszinsen nicht als Druckmittel oder Sanktion zu verstehen. Die Vollverzinsung habe auch keine Lenkungsfunktion dahingehend, dass die Steuerpflichtigen dazu angehalten werden, ihre Steuererklärungen frühzeitig abzugeben oder etwaige Vorauszahlungen angemessen anzusetzen. Zinsfestsetzungen würden sich zudem nicht nur zuungunsten, sondern auch zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken. Säumniszuschläge hingegen seien in erster Linie ein Druckmittel eigener Art und erfüllten primär eine pönale Funktion. Steuerpflichtige sollten durch Säumniszuschläge angehalten werden, ihren Zahlungspflichten rechtzeitig nachzukommen. Auch das Rechtsstaatsprinzip sei durch die Höhe der Säumniszuschläge nicht verletzt.

Einschätzung und Ausblick

Der BFH betont einmal mehr, dass die Höhe der Säumniszuschläge keine verfassungsmäßigen Bedenken hervorruft. Die Argumentation des BFH ist durchaus schlüssig und nachvollziehbar.

Betreffend der Verfassungswidrigkeit von nach dem 31. Dezember 2018 entstandenen Säumniszuschlägen ist beim BFH ein weiteres Revisionsverfahren anhängig (X R 30/21). Es besteht daher weiterhin die Möglichkeit, dass der BFH sich in diesem Zusammenhang zugunsten der Steuerpflichtigen äußert bzw. die Sache zur Überprüfung dem BVerfG vorlegt.

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