Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 12. April 2023 - Verg 26/22 - klargestellt, dass ein öffentlicher Auftraggeber den Zuschlag auf ein Angebot ablehnen darf, wenn er die geringe Höhe des angebotenen Preises nicht zufriedenstellend aufklären kann. Dabei ist es Sache des Bieters, die Seriosität seines Angebots nachzuweisen.
1. Sachverhalt der Entscheidung
Der Auftraggeber schrieb Reinigungsleistungen für ein Bundeswehr-Dienstleistungszentrum EU-weit aus. Der Preis war dabei nicht das einzige Zuschlagskriterium.
Ein Unternehmen gab – neben anderen Bietern – ein Angebot mit dem mit Abstand günstigsten Gesamtangebotspreis ab. Insbesondere aufgrund dieses niedrigen Preises erzielte das Angebot die höchste Gesamtpunktzahl. Der Auftraggeber stellte bei Auswertung der Angebote jedoch fest, dass der Preis ungewöhnlich niedrig war: Die Differenz zum nächstplatzierten Angebot betrug 24 %. Auch im Vergleich zu den tatsächlichen Kosten des Vorjahres, die noch über dem nächstniedrigsten Preis lagen, erschien der Preis auffällig.
Daraufhin forderte der Auftraggeber das Unternehmen zur Preisaufklärung auf. Dessen Erläuterungen genügten dem Auftraggeber nicht. Vielmehr ließ der Preis vermuten, dass das Angebot nicht auskömmlich sei. Der Auftraggeber schloss das Angebot daher aus.
Das Unternehmen wehrte sich gegen den Ausschluss zunächst erfolgreich. Die Vergabekammer gab dem Nachprüfungsantrag des Unternehmens statt. Auf die dagegen erhobene Beschwerde hob das Oberlandesgericht die Entscheidung der Vergabekammer jedoch auf und wies den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 12. April 2023 – Verg 26/22 – zurück.
2. Ausführungen des Gerichts
Die Feststellung, dass ein Preis ungewöhnlich niedrig ist, kann sich aus dem Preis- und Kostenabstand zu Konkurrenzangeboten, aus Erfahrungswerten (z.B. aus früheren Ausschreibungen) oder aus dem Abstand zur Auftragswertschätzung ergeben.
Anerkannt sind sogenannte „Aufgreifschwellen“, bei deren Erreichen der Auftraggeber verpflichtet ist, die Preisbildung des Angebots näher zu prüfen. Nach der Rechtsprechung des Senats wird diese Schwelle in der Regel erst bei einem Preisabstand von 20 % zum nächsthöheren Angebot erreicht. Bei einer Differenz zwischen 10 % und 20 % steht es im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers, eine Prüfung vorzunehmen.
Ob der Angebotspreis angemessen ist und der Bieter den Auftrag ordnungsgemäß erfüllen kann, beurteilt der Auftraggeber auf Grundlage gesicherter tatsächlicher Erkenntnisse. Ihm steht dabei ein Wertungsspielraum zu, der von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar ist.
Kann die geringe Höhe des angebotenen Preises nicht zufriedenstellend erklärt werden, darf der Auftraggeber den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen. Dabei ist es Sache des Bieters, die Seriosität seines Angebots plausibel darzulegen.
3. Bedeutung für die Praxis und Ausblick
Auftraggeber haben bei der Prüfung der Angebotspreise eine besondere Sorgfaltspflicht. Innerhalb des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums können sie ein Angebot als ungewöhnlich niedrig einstufen, insbesondere wenn bestimmte Schwellenwerte erreicht sind.
Erscheint einem Auftraggeber ein Angebot als ungewöhnlich niedrig, besteht grundsätzlich eine Aufklärungspflicht gemäß § 60 Abs. 1 VgV. Hat der Auftraggeber Zweifel an der Seriosität des Angebotspreises, obliegt es dem jeweiligen Bieter, diese Zweifel zu entkräften. Gelingt dies nicht, geht dies zu seinen Lasten.
Gern unterstützen wir Sie bei der Wertung von Angeboten und der Prüfung von Angebotspreisen. Wir geben konkrete Empfehlungen, welche Schritte einzuleiten sind und ob ein Angebotsausschluss zulässig ist.
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