Fachnews
Ist die pauschale Kürzung einer Zuwendung um 25 % wegen Vergabeverstößen auch bei nur „geringfügigen“ Teilleistungen zulässig?

Das Verwaltungsgericht Halle (Saale) hat in seinem Urteil vom 13. Oktober 2023 entschieden, dass der Korrektursatz 25 % auch dann anzuwenden ist, wenn „die von dem Vergabeverstoß betroffenen Teilleistungen im Verhältnis zum Gesamtauftragswert nicht erheblich ins Gewicht fallen“.

11.12.2023
Vergaberecht
1. Hintergrund

Zuwendungsempfänger werden regelmäßig über Nebenbestimmungen in den Bewilligungsbescheiden zur Einhaltung des Vergaberechts verpflichtet. Mögliche Verstöße bei der Vergabe der Leistungen führen zur Kürzung der bewilligten Fördermittel. Der Umfang der Kürzung orientiert sich im Regelfall an Leitlinien für die Festsetzung von Finanzkorrekturen, die bei Verstößen gegen die Vergabevorschriften anzuwenden sind.

Nicht selten sind Fallkonstellationen vorzufinden, in denen Vergabeverstöße nicht im Zusammenhang mit einem sogenannten Hauptauftrag festzustellen sind, sondern vielmehr bei den Nachunternehmeraufträgen. Diese Teilleistungen fallen regelmäßig wirtschaftlich kleiner aus, als die Hauptleistung.

Daher stellt sich oftmals die Frage, wie sich etwaige Vergabeverstöße bei den Nachunternehmeraufträgen im Zusammenhang mit Zuwendungen auswirken.

2. Sachverhalt des Urteils des Verwaltungsgerichts Halle (Saale)

Einer Gemeinde wurde eine Zuwendung gemäß der Richtlinie zur Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der regionalen ländlichen Entwicklung in Sachsen-Anhalt in der EU-Förderperiode 2014 – 2020 (RELE 2014 – 2020) für das Vorhaben des grundhaften Ausbaus einer Gemeindestraße inklusive Nebenanlagen, Niederschlagswasserkanal und Errichtung einer Stützwand gewährt. Der Bewilligungsbescheid erging insbesondere unter der Auflage der Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen gemäß Nr. 3 ANBest-GK.

Im Rahmen der Prüfung der eingereichten Vergabeunterlagen stellte der Zuwendungsgeber fest, dass in Bezug auf die Nachunternehmer die geforderten Nachweise und Erklärungen nicht bzw. nicht vollständig vorliegen würden und kürzte die bewilligten Fördermittel um 25 %.

Die von der Gemeinde erhobene Klage gegen die Kürzung der ihr gewährten Zuwendung blieb erfolglos.

3. Entscheidungsgründe

Das Verwaltungsgericht kam in dem Urteil vom 13. Oktober 2023 (Aktenzeichen: 3 A 256/21 HAL) zu dem Ergebnis, dass der angegriffene Bescheid des Zuwendungsgebers auf Änderung und Teilwiderruf rechtmäßig ergangen ist. Nach den Feststellungen des Gerichts war die Gemeinde zur Einhaltung der Vergabevorschriften, insbesondere der Regelungen des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Land Sachsen-Anhalt (LVG LSA) und die Vergabe und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) verpflichtet. Der Zuwendungsgeber habe bei der Prüfung der Vergabeunterlagen zutreffend festgestellt, dass von den Nachunternehmern die notwendigen Erklärungen gemäß § 10 und § 12 Abs. 2 LVG LSA trotz Nachforderung nicht beigebracht wurden. Daher hätte der Zuschlag nicht erteilt werden dürfen, vielmehr wäre das Angebot vom Vergabeverfahren auszuschließen gewesen.

Der festgestellte Vergabeverstoß würde zu einer Kürzung um 25 % berechtigen. Insoweit durfte sich der Zuwendungsgeber in sachgerechter Ausübung seines Ermessens an den Leitlinien für die Festsetzung von Finanzkorrekturen, die bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf von der Union finanzierte Ausgaben anzuwenden sind, orientieren. Der Zuwendungsgeber habe auch ermessensfehlerfrei gehandelt.

Das Gericht kam außerdem zu dem Ergebnis, dass es keine Rolle spielt, wenn die von dem Vergabeverstoß betroffenen Teilleistungen im Verhältnis zum Gesamtauftragswert nicht erheblich ins Gewicht fallen. Grund hierfür sei, dass die Bewilligungsbehörde bei der Subventionsvergabe die Beachtung strenger Form- und Fristbestimmungen verlangen darf.

Unter Hinweis auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 5. März 2010 – 1L 6/10 führte das Verwaltungsgericht aus, dass es nicht darauf ankäme, ob und in welcher Höhe dem Subventionsgeber durch eine regelwidrige Auftragsvergabe letztlich ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist.

4. Bedeutung für die Praxis und Ausblick

Diese Entscheidung ist von großer praktischer Relevanz.

Im Rahmen der täglichen Vergabepraxis zeigt sich, dass häufig Formverstöße bei der Vergabe sogenannter Nachunternehmerleistungen festzustellen sind. Manchmal fehlen bestimmte Nachweise und Erklärungen trotz etwaiger Nachforderung durch den Auftraggeber. Auch werden zum Teil nur Kopien bestimmter Bescheinigungen vorgelegt, obwohl diese nur im „Original“ Geltung beanspruchen. Das mag (auch) seine Ursache darin haben, dass die Nachunternehmer häufig kleinere Handwerks- und Baubetriebe sind, die den Umgang mit den strengen Vergabevorschriften nicht so gewöhnt sind oder den – für sie – großen Aufwand zur Einhaltung der Formvorschriften scheuen.

Wie die Praxis aber zeigt, kürzen Fördermittelgeber die gewährte (Gesamt-) Zuwendung um 25 %, ohne dass es darauf ankommt, in welchem wirtschaftlichen Verhältnis die (Nachunternehmer-) Teilleistung zum Hauptauftrag steht. Diesem Umstand wird von den Auftraggebern oftmals nicht die notwendige Bedeutung beigemessen.

Sollte sich die vom Verwaltungsgericht Halle (Saale) getroffene Rechtsauffassung bestätigen und allgemein durchsetzen, müssen Auftraggeber bei der Prüfung der Angebote zukünftig insbesondere auch bei den Nachunternehmeraufträgen noch sorgfältiger prüfen, ob alle notwendigen Nachweise und Erklärungen vorliegen. Denn unabhängig vom wirtschaftlichen Wert der Nachunternehmerleistung darf ein Zuwendungsgeber – nach der hier vorgestellten Entscheidung –auf die bewilligten Fördermittel entsprechend den Leitlinien eine Kürzung von mindestens 25 % vornehmen.

Wir beraten persönlich.

Ihr Ansprechpartner
Lars Mörchen
Lars Mörchen

Senior Associate, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

    Zur Beantwortung meiner Anfrage aus dem Kontaktformular werden meine Daten erfasst und gespeichert.

    eureos Infoservice

    Wir behalten den Überblick für Sie: Mit unserem multidisziplinären Newsletter informieren wir Sie einmal monatlich über aktuelle Fachthemen und senden Ihnen Einladungen zu unseren Fach- und Netzwerkveranstaltungen.

    Jetzt anmelden