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Corona-Soforthilfen: Antragsberechtigung wirtschaftlich tätiger gemeinnütziger Organisationen

Die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie haben längst den Nonprofit-Sektor erfasst. Viele Organisationen haben ihre finanzielle Belastungsgrenze erreicht – dabei wird das gesellschaftliche Engagement gerade jetzt mehr denn je gebraucht. Vor allem stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen gemeinnützige Akteure von den Corona-Soforthilfeprogrammen profitieren, finanzielle Hilfen in Anspruch nehmen können, um die Krisenzeit zu überbrücken.

15.05.2020

Das Hindernis dabei sind weniger fehlende Möglichkeiten, als nicht am Gemeinnützigkeitsrecht orientierende Begrifflichkeiten, mit denen Förderbedingungen beschrieben werden. Zudem weichen diese von Bundesland zu Bundesland teils erheblich voneinander ab. Der folgende Beitrag will beim Verständnis der Vorgaben Hilfestellung bieten.

Zudem hat das Bundesfinanzministerium unter anderem mit Schreiben vom 9. April 2020 mit steuerlichen Erleichterungen für gemeinnützige Organisationen eingeführt (Einzelheiten finden Sie in unserem Beitrag vom 15. April 2020).

1. Föderale Hilfsmittelprogramme – keine einheitliche Lösung

Ansprechpartner
Für alle Fördermaßnahmen ist zu beachten, dass die jeweiligen Ansprechpartner ausschließlich auf Landesebene zu finden sind. Das gilt auch für Förderprogramme des Bundes, die durch die Länder ausgeführt werden. Neben der Bundesförderung haben die Länder ihre eigenen Förderprogramme aufgesetzt, deren Förderziel ergänzend oder erweiternd neben die Bundesförderung tritt und durch die jeweiligen Landesförderungsbanken ausgeführt werden.

Unterschiedliche Voraussetzungen und Begrifflichkeiten
Die verschiedenen Hilfspakete knüpfen an unterschiedliche Voraussetzungen an, teilweise wenden sie sich nur an einzelne Branchen oder Organisationen bestimmter Rechtsform („Vereine“). Neben allgemeinen Förderprogrammen stehen branchenspezifische Zuschüsse, etwa für den Wohlfahrtsbereich (SodEG) oder den Sport (über die jeweiligen Landessportbünde) zur Verfügung.

Regelmäßig wird eine „wirtschaftliche Tätigkeit“ als Förderbedingung vorausgesetzt. Gerade diese Einordnung bereitet gemeinnützigen Organisationen Probleme, nicht nur, weil diese selbst zwischen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäfts­betrieben und steuerprivilegierten Zweckbetrieben sowie zwischen Einnahmen- und Gewinnerzielungsabsicht unterscheiden.

Einige Förderrichtlinien setzen – dies war die zunächst gängige Voraussetzung – eine sog. Gewinnerzielungsabsicht des antragstellenden „Unternehmens“ voraus, sodass vor allem Zweckbetrieben gemeinnütziger Organisationen die (Bundes-)Beihilfen bisweilen versagt wurden. Neuerdings wird verstärkt, und z. T. als ausschließliches Kriterium, auf die Marktteilnahme des Betriebes/Unternehmens abgestellt. Wiederum andere Finanzierungshilfen beziehen trotz der vorausgesetzten Gewinnerzielungsabsicht explizit Zweckbetriebe in ihren Anwendungsbereich ein oder steuerbefreite Antragsteller. Wieder andere erklären, dass der KMU-Definition auch gemeinnützige Organisationen unterfallen, sofern sie wirtschaftlich tätig sind.

Hinweis: Potenzielle Antragsteller sollten beachten, dass der KMU-Begriff rechtsformneutral ist. Eine Beschränkung auf eine bestimmte Rechtsform (z. B. GmbH) ist dem Begriff nicht immanent. Insgesamt gilt, dass Aufmerksamkeit bei der Lektüre gefragt ist. Den begrifflichen Besonderheiten des Gemeinnützigkeitsrechts bzw. den unterschied­lichen Begrifflichkeiten sich überschneidender Rechtsgebiete werden die Vorgaben kaum gerecht. Antragsteller sollten die Ansprechpartner in den Ländern auch darauf hinweisen und ihre Kenntnisse mit diesen teilen.

2. Begriffsbestimmungen: Wirtschaftliche Betätigung und Gemeinnützigkeit?

Kaum eine steuerbegünstigte („gemeinnützige“) Organisation kann ihre ideellen Tätigkeiten ohne weitere, teils erhebliche Einnahmen aus wirtschaftlichen Tätigkeiten bestreiten. Das gilt gleichermaßen für Organisationen, die einen umfangreichen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, wie solche, die ausschließlich einen oder mehrere (steuerprivilegierte) Zweckbetriebe führen.

  • 14 S. 1 AO definiert den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb als eine selbstständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich (§ 14 S. 2 AO). Die Einnahmen wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe (§ 64 Abs. 1 AO) sind steuerlich nicht privilegiert (Rückausnahme von der partiellen Steuerpflicht), soweit sie nicht als sog. Zweckbetriebe zu qualifizieren sind.

Unter den Voraussetzungen des § 65 AO kann ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb als (steuerbegünstigter) Zweckbetrieb behandelt werden: Die wirtschaftliche Tätigkeit dient in ihrer Gesamtrichtung dazu, steuerbegünstigte satzungsmäßige Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (Gesamtbetrachtung), sie ist für die Erreichung der Satzungszwecke erforderlich und tritt zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem, vermeidbaren Umfang in Wettbewerb. Einzelne Zweckbetriebe sind in den § 66 bis 68 AO definiert (Katalogtatbestände, z. B. Wohlfahrtspflege, Krankenhäuser, Sportliche Veranstaltungen; Pflegeheime, Kindergärten, Kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen).

Aus dem Gebot der ganzheitlichen Zweckdienlichkeit (Gesamtbetrachtung) wird gefolgert, dass die wirtschaftliche Tätigkeit nur auf die steuerbegünstigten Satzungszwecke ausgerichtet ist, wenn sich das erhobene Entgelt am Prinzip der Kostendeckung orientiert. Mithin können Zweckbetriebe mittels Einnahmenerzielungsabsicht am Markt agieren, hingegen ist eine Gewinnerzielungsabsicht für die Annahme eines Zweckbetriebes schädlich.

Hinweise zum Verständnis von Zweckbetrieben und steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben einerseits, sowie ideellem Bereich und Vermögensverwaltung andererseits stellen z. B. die FAQ des hessischen Förderprogramms „Weiterführung der Vereins- und Kulturarbeit“ zur Verfügung.

3. Übertragung der abgabenrechtlichen Begriffe (§§ 14, 64, 65 ff. AO) auf die Voraussetzungen der Corona-Finanzhilfen: „Marktteilnahme“ bzw. „Gewinnerzielungsabsicht“

Im Vergleich der abgabenrechtlichen Grundsätze mit den Vorgaben der Förderprogramme fällt auf, dass die meisten Förderprogramme auf Unternehmen abzielen, die wirtschaftlich und dauerhaft am Markt als Unternehmen tätig sind (Marktteilnahme). Dieser Anwendungsbereich umfasst steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe wie auch Zweckbetriebe von steuerbegünstigten Organisationen. Denn auch ertragsteuerfreie Zweckbetriebstätigkeiten sind wirtschaftliche Aktivitäten am Markt, mit Einnahmeerzielungsabsicht auf der Grundlage einer Preiskalkulation, die evtl. auch einen Aufpreis für Betriebsmittelrücklagen oder Investitionen berücksichtigt (lediglich keinen frei, d. h. auch für andere Aufgaben der Organisation, verwendbaren Gewinn).

Ausgeschlossen sind lediglich solche wirtschaftlichen Aktivitäten, die zwar abgabenrechtlich in die Sphären des Zweckbetriebs bzw. des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs fallen, jedoch nicht dauerhaft auf eine wirtschaftliche Tätigkeit angelegt sind. Als Beispiel benennt das Bundesministerium für Wirtschaft in den FAQ’s zur Corona-Soforthilfe für Kleinunternehmen und Soloselbstständige: Eine Antrags­berechti­gung ist dann ausgeschlossen, wenn sich ein Verein überwiegend über Mitgliedsbeiträge finanziert und der wirtschaftlichen Betätigung auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Einrichtung eine untergeordnete Bedeutung zukommt (so explizit auch die FAQ der Sächsischen Aufbaubank, s. unter nachfolgend 4.). Demnach dürfte auch der (umsatzstarke) Verkauf von Eintrittskarten, Speisen und Getränken des jährlichen Vereinsfestes (steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb) nicht förderungsfähig sein, insbesondere dann, wenn er sich vorwiegend an die Vereinsmitglieder richtet.

Setzt eine Corona-Finanzhilfe zusätzlich eine Gewinnerzielungsabsicht voraus, sind jedenfalls am Markt tätige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe einbezogen, wohingegen Zweckbetriebe ausgeschlossen sind – es sei denn, die Förderprogramme beziehen die Zweckbetriebe ausdrücklich oder über zusätzliche Kriterien mit ein. Vor allem lohnt ein Blick in die Rechtsgrundlage der Förderung. Beruht eine Fördermaßnahme auf der „Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020” (vom 19. März 2020; genehmigt von der EU-Kommission am 24. März 2020), sind „Unternehmen“ beihilfeberechtigt. Als solches gilt – rechtsformunabhängig – jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt (Art. 1 S. 1 der KMU-Definition der EU-Kommission). Viele Förderprogramme stellen auf diese Definition explizit ab. Einen weiterführenden Link mit Informationen zur KMU-Definition finden Sie unter nachfolgend 5.)

4. Sonderprogramme der Länder (Auswahl)

Auch wenn viele gemeinnützige Organisationen Unterstützung aus allgemeinen Hilfsprogrammen erhalten dürften, fallen doch noch immer solche durch das Voraussetzungsraster, welche entweder keine Marktteilnahme oder keine Gewinnerzielungsabsicht nachweisen können.

Auf diesen Missstand reagierten bereits einige Länder mit eigenen Sofortprogrammen, welche punktuell auch die nicht-wirtschaftliche Vereins- und Kulturarbeit umfassen.

Aktuell (Stand: 14. Mai 2020) sind uns folgende, gemeinnützige Organisationen umfassenden (Sonder-) Programme bekannt:

  • Sachsen

https://www.sab.sachsen.de/f%C3%B6rderprogramme/sie-ben%C3%B6tigen-hilfe-um-ihr-unternehmen-oder-infrastruktur-wieder-aufzubauen/soforthilfe-zuschuss-bund.jsp

https://www.sab.sachsen.de/f%C3%B6rderprogramme/sie-ben%C3%B6tigen-hilfe-um-ihr-unternehmen-oder-infrastruktur-wieder-aufzubauen/soforthilfe-zuschuss-bund.jsp#program_faq

Gemeinnützige Unternehmen sind antragsberechtigt, wenn diese überwiegend wirtschaftlich und damit dauerhaft am Markt tätig sind.

Ein Verein ist nicht antragsberechtigt, wenn sich dieser überwiegend über Mitgliedsbeiträge finanziert und der wirtschaftlichen Tätigkeit auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Einrichtung nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt.

  • Sachsen-Anhalt

https://www.ib-sachsen-anhalt.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Wirtschaft/Corona-Soforthilfe_FAQ.pdf

Die Tätigkeit des Vereins (abgebildet in dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb oder Zweckbetrieb) muss eine wirtschaftliche sein. (S. 6, Punkt 2.24)

  • Thüringen

https://www.gfaw-thueringen.de/fpf/m1ncg

https://bildung.thueringen.de/ministerium/medienservice/detailseite/corona-soforthilfeprogramm-fuer-gemeinnuetzige-einrichtungen-und-organisationen/

Gefördert werden gemeinnützige Einrichtungen und Organisationen unabhängig von ihrer Rechtsform, die wirtschaftlich und damit dauer­haft am Markt als Unternehmen tätig sind.

  • Bayern

https://www.stmwi.bayern.de/soforthilfe-corona/

Für Unternehmen bis zu zehn Beschäftigten gilt, dass „Unerheblich ist, ob der Antragsberechtigte ganz oder teilweise steuerbefreit ist. Personenvereinigungen und Körperschaften werden als eine Einheit betrachtet. Öffentliche Unternehmen sind von der Förderung ausgeschlossen.“

  • Brandenburg

https://www.ilb.de/media/dokumente/dokumente-fuer-programme/dokumente-mit-programmzuordnung/wirtschaft/zuschuesse/soforthilfe-corona-brandenburg/faq-soforthilfe-corona-brandenburg.pdf

Gefördert werden wirtschaftlich und damit dauerhaft am Markt tätige Unternehmen und gemeinnützige Vereine, sofern eine wirtschaftliche Tätigkeit (wirtschaftlicher Zweckbetrieb) nachgewiesen werden kann. (S. 6, Punkte 6 und 8)

https://www.ilb.de/de/wirtschaft/zuschuesse/soforthilfe-corona-brandenburg/

  • Hessen

https://www.hessen.de/fuer-buerger/corona-hessen/soforthilfe-fuer-gemeinnuetzige-vereine

Förderprogramm zur Weiterführung der Vereins- und Kulturarbeit

Antragsberechtigt sind gemeinnützige Vereine und Verbände.

  • Mecklenburg-Vorpommern

https://www.lfi-mv.de/foerderungen/corona-soforthilfe/

https://www.ehrenamtsstiftung-mv.de/neuigkeiten/2020/land-hilft-mit-sozialfonds-mv/index.html

Gemeinnützige Unternehmen sind unabhängig von ihrer Rechtsform erfasst, soweit sie wirtschaftlich und damit dauerhaft am Markt tätig sind.

5. Einen Überblick über Förderprogramme finden Sie z. B. auch unter

https://www.kulturrat.de/corona/massnahmen-der-laender/

https://www.musikrat.de/corona/weiterfuehrende-infomationen

Sportvereine finden Informationen auf den Webseiten des jeweiligen Landessportbundes oder dem dafür zuständigen Ministerium, z. B. in Hessen.

Allgemeine Erläuterungen zur Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) finden Sie z. B. hier.

Zum geplanten Gutscheingesetz (Gutscheinlösung im Veranstaltungsvertragsrecht) wird ein gesonderter Beitrag erscheinen.

Über weitere Entwicklungen werden wir Sie gern wie gewohnt informieren.

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