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Geld oder Gutschein – ein Weg zur Liquiditätssicherung, aber nicht für alle

Durch das am 14. Mai 2020 verabschiedete Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht wird Art. 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch durch einen zusätzlichen Paragraphen ergänzt.

15.05.2020

Demnach kann der Veranstalter einer Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstigen Freizeitveranstaltung, die wegen der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte oder kann, dem Karteninhaber statt der Rückerstattung des Kaufpreises einen Gutschein aushändigen. Dasselbe gilt, wenn eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeiteinrichtung aufgrund der COVID-19-Pandemie geschlossen werden musste. Bei der ersten Fallgruppe handelt es sich also um einmalige Ereignisse, bei der zweiten um dauerhaft geschlossene Einrichtungen.

Begünstigt sind aber nur Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltungen, nicht aber touristische Veranstaltungen und Einrichtungen. Die Reise- und Tourismusbranche bleibt also weiterhin zur Rückzahlung verpflichtet und kann Gutscheine statt der Rückzahlung nur mit Zustimmung des Kunden herausgeben.

Zu beachten ist Folgendes:

1. Die Regelung gilt nur für Ausfälle bzw. Schließungen auf Grund der COVID-19-Pandemie. Sind andere Ursachen für den Ausfall oder die Schließung ursächlich, z. B. ein Wasserschaden, kann nicht auf die Gutscheinlösung zurückgegriffen werden. Auch alle anderen zivilrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen, z. B. Fristen, gelten weiter. Der Gutschein, und damit sein Inhaber, ist nicht in besonderer Weise gegen Insolvenz des Ausstellers (Veranstalter) geschützt. Es bekommt lediglich der Veranstalter das Recht, seine Zahlung durch einen Gutschein zu ersetzen.

2. Das Gesetz gilt nur für Eintrittskarten, die vor dem 8. März 2020 erworben wurden, ebenso verhält es sich mit Zugangsberechtigungen für Freizeiteinrichtungen, z. B. Abonnements für Fitnessstudios oder sonstige Sporteinrichtungen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass seit dem 8. März 2020 beiden Seiten das Risiko, dass die Veranstaltung ausfällt, bekannt gewesen sein musste. Hier gelten also die normalen Regelungen.

3. Der Gutschein muss das gesamte Entgelt, auch z. B. Vorverkaufsgebühren, umfassen. Es ist ein reiner Geld-, aber kein Leistungsgutschein. Das heißt, er kann später für jedes beliebige Angebot des Veranstalters eingesetzt werden, der Kunde ist weder darauf beschränkt, die verschobene Veranstaltung zu besuchen, noch überhaupt eine vergleichbare Veranstaltung.

4. Aus umsatzsteuerlicher Sicht (relevant für den Zeitpunkt der Steuerentstehung/Steuersatz) ist das gesamte Leistungsangebot des „Veranstalters“ zu berücksichtigen. Denn bei Corona-Gutscheinen handelt es sich um reine Wertgutscheine, die für alle Leistungen des Veranstalters wie Bargeld eingesetzt werden können. So kann ein Gutschein z. B. nicht nur für einen späteren Erwerb von Eintrittskarten, sondern auch von Speisen und Getränken oder Merchandising-Produkten eingesetzt werden, wenn alle Angebote aus einer Hand stammen (ggf. unter Einbindung von Subunternehmen). Und: Bietet der Veranstalter auch Veranstaltungen im Ausland an?

Umsatzsteuerlich ist also entscheidend, ob die Corona-Veranstaltungsgutscheine als Einzweck- oder Mehrzweckgutscheine ausgestaltet werden (können): Es kann sich bei einem Corona-Gutschein um einen Einzweckgutschein handeln, wenn er tatsächlich nur für Veranstaltungen in Deutschland genutzt werden kann, die denselben steuerlichen Bedingungen unterliegen (z. B. regionales Festival/Verschiebung eines Konzerts) und der Veranstalter keine weiteren Leistungsangebote vorhält (Merchandising-Produkte und Catering werden von anderen Unternehmen angeboten).

Sobald aber der Gutschein beispielsweise auch zum Besuch von Veranstaltungen im Ausland berechtigt oder etwa sowohl für Theateraufführungen, Konzert- oder Museumsbesuche, die unmittelbar von Bund, Land oder Gemeinden erbracht werden (dann steuerfrei), als auch solche, die von anderen Unternehmern bewirkt werden (dann 7 %), handelt es sich um einen Mehrzweckgutschein. Die Unterscheidung hat insbesondere Auswirkungen auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung und damit die Frage, ob die bereits ggf. für den Eintrittskartenverkauf abgeführte Umsatzsteuer berichtigt werden kann. Details zur Umsatzbesteuerung von Corona-Gutscheinen finden Sie hier.

5. Wenn der Gutschein nicht bis zum 31. Dezember 2021 eingelöst werden kann, kann seine Auszahlung in bar verlangt werden. Es handelt sich also nicht um einen üblichen Gutschein, der nur als Gegenleistung für eine Leistung des Veranstalters verwendet werden kann, sondern der Gutschein begründet eine Zahlungsforderung, die lediglich bis zum 31. Dezember 2021 gestundet ist. Dies hat Konsequenzen für die Buchführung und Bilanzierung, die mit dem Steuerberater besprochen werden sollten. Denn der mögliche Geldabfluss ab dem 1. Januar 2022, der erhebliche Größenordnungen erreichen kann, muss in der Buchhaltung und Bilanz richtig abgebildet werden.

6. Der Inhaber eines ausgestellten Gutscheins kann vom Veranstalter oder dem Betreiber die Auszahlung in bar verlangen, wenn der Verweis auf einen Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist. Diese Klausel lässt für Interpretationen weiten Spielraum. Die Annahme eines Gutscheins statt der Rückzahlung kann unzumutbar sein, weil der Kunde Bargeld benötigt, um seine Miete zu bezahlen, sie kann aber auch deshalb unzumutbar sein, weil die Veranstaltung für den Kunden kein Interesse mehr hat, z. B. für eine Veranstaltung, die nur im Rahmen einer Reise vorgesehen war, die abgesagt wurde.

Von besonderer Bedeutung ist, dass das Gesetz nicht zwischen Verbrauchern und Unternehmern oder sonstigen Marktteilnehmern differenziert. Ein Reiseveranstalter, der ein Kontingent von Veranstaltungstickets gekauft hat, erhält ebenfalls grundsätzlich nur einen Gutschein. Allerdings ist dann wohl auch die Frage der Unzumutbarkeit aus dem Blickwinkel des Unternehmens zu prüfen. Auch für einen Reiseveranstalter kann ein Gutschein unzumutbar sein, wenn er seinerseits Bargeld zur Auszahlung seiner Kunden benötigt und ihm die Möglichkeit verwehrt ist, seinerseits Gutscheine auszustellen.

Egal, ob Sie als Unternehmen Gutscheine ausgeben oder erhalten – wir beraten Sie gern.

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