Die über Jahre immer wieder verschobene Reform des GrEStG steht kurz vor ihrer Umsetzung; der Bundesrat hat am 7. Mai 2021 den vom Bundestag beschlossenen Änderungen zugestimmt. Die Ausfertigung des Gesetzes ist nun noch reine Formsache.
Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf unseren Newsbeitrag vom 19. April 2021 (inklusive Update vom 26. April 2021). Wir möchten Ihnen nachfolgend einen abschließenden Überblick über die geplanten Änderungen verschaffen:
bisherige Regelung |
vorgesehene Änderung |
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§ 1 Abs. 2a GrEStG | Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Personengesellschaften in Höhe von mindestens 95 % innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren | Schaffung eines Ergänzungstatbestands für Kapitalgesellschaften nebst Börsenklausel als Ausnahmetatbestand | § 1 Abs. 2b GrEStG-E |
§ 1 Abs. 2a Sätze 1, 4, Abs. 3 Nummern 1 bis 4, Abs. 3a Satz 1, § 13 Nummern 5, 8, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nummern 3a, 3b, 4 bis 7a GrEStG | grunderwerbsteuerauslösende Beteiligungsschwelle: 95 % | Absenken der grunderwerbsteuerauslösenden Beteiligungsschwelle auf 90 % | § 1 Abs. 2a Sätze 1, 4, Abs. 2b, Abs. 3 Nummern 1 bis 4, Abs. 3a Satz 1, § 13 Nummern 5, 8, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nummern 3a, 3b, 4 bis 7a GrEStG-E |
§ 1 Abs. 2a, §§ 5, 6 GrEStG | Behaltefristen: fünf Jahre | Verlängerung der Behaltefristen auf zehn Jahre | § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, §§ 5, 6 GrEStG-E |
§ 6 Abs. 4 GrEStG | Inanspruchnahme der Missbrauchsregelung nach einer Behaltefrist von fünf Jahren | Inanspruchnahme von § 6 GrEStG nach einer Behaltefrist von 15 Jahren | § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG-E |
Übergangsregelung, insbesondere die Einführung von § 1 Abs. 2b GrEStG-E betreffend; die Übergangsregelung endet jeweils mit Inkrafttreten des Gesetzes. | § 23 Abs. 22 und Abs. 23 GrEStG-E | ||
Inkrafttreten: 1. Juli 2021 | Art. 2 des Entwurfs |
Die aktuelle Fassung des Bundestags finden Sie hier. Der Bundesrat hat dem Entwurf ohne Änderungen zugestimmt ( BR-Drs. 320/21 (Beschluss)). Die vorgesehenen Gesetzesänderungen zielen darauf ab, Steuergestaltungen im Zusammenhang mit der Grunderwerbsteuer zu unterbinden. Dabei sollen vor allem auch die bisher bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit den sogenannten Share Deals deutlich eingeschränkt werden.
Übergangsregelungen
Grundsätzlich sieht die Übergangsregelung gemäß § 23 Abs. 18 GrEStG-E die erstmalige Anwendung der neuen Grenzwerte auf Erwerbsvorgänge vor, die nach dem 30. Juni 2021 verwirklicht werden.
Für Übertragungen nach Inkrafttreten der Neuregelungen sind die Übergangsvorschriften nach § 23 Abs. 19 und 20 GrEStG-E zu beachten.
Demnach gelten Gesellschafter von Personengesellschaften, deren fünfjährige Haltefrist vor dem 1. Juli 2021 abläuft, künftig als Altgesellschafter nach § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG-E. Werden also Anteilserwerbe durch diese Altgesellschafter ab dem 1. Juli 2021 durchgeführt, werden diese bei der Prüfung des Überschreitens der 90 %-Grenze nicht mit einbezogen. Ist die Fünfjahresfrist am 1. Juli 2021 noch nicht abgelaufen, gilt der Altgesellschafter bis zum Ablauf der Zehnjahresfrist als Neugesellschafter, sodass seine Erwerbe in die Ermittlung der 90 %-Grenze einbezogen werden. Nach § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG-E ist in den Fällen mittelbarer Änderungen des Gesellschafterbestandes die neue 90 %-Grenze auch rückwirkend anzuwenden.
Nach § 23 Abs. 20 Satz 1 GrEStG-E gilt darüber hinaus die alte Rechtslage für bestimmte Konstellationen subsidiär weiter. In Fällen, in denen unter Anwendung der aktuellen Rechtslage mindestens 90 % der Anteile übertragen werden und unter Geltung des neuen Rechts die dann eigentlich nicht mehr geltende 95 %-Grenze überschritten wird, ist die alte Rechtslage (Übertragung von 95 % innerhalb von fünf Jahren) weiter anzuwenden. Der Ablauf der bisher aktuellen Behaltefrist ist in diesen Fällen somit grundsätzlich weiter zu beachten. So sollen Besteuerungslücken bei der Umstellung von der alten zur neuen Rechtslage vermieden werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Rechtsvorgang nach der neuen Fassung des GrEStG steuerbar war (§ 23 Abs. 20 Satz 2 GrEStG-E).
§ 23 Abs. 21 Satz 1 GrEStG-E sieht vor, dass § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG in seiner aktuell gültigen Fassung (Erwerbsschwelle 95 %) auf Erwerbsvorgänge weiter anzuwenden sind, die nach dem 30. Juni 2021 verwirklicht werden, wenn am 30. Juni 2021 unmittelbar oder mittelbar weniger als 95 % und mindestens 90 % der Anteile an der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Personen allein vereinigt werden. So sollen auch hier Besteuerungslücken bei der Einführung der neuen Gesetzeslage vermieden werden. Das gilt nach § 23 Abs. 21 Satz 3 GrEStG-E nicht, wenn der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3 in der am 1. Juli 2021 geltenden Fassung (90 % und 10 Jahre) steuerbar ist. Sinken die Anteile nach dem 1. Juli 2021 unter 90 % finden § 23 Abs. 21 Sätze 1 und 2 GrEStG-E keine Anwendung.
Gestaltungsempfehlungen
Durch die Schaffung des Ergänzungstatbestandes für Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrEStG-E) wird zukünftig ein sogenannter „Anker-Anleger“ an Bedeutung zunehmen. „Anker-Anleger“ meint einen dauerhaften Investor, der nach jedem Wechsel des Hauptgesellschafters mindestens zehn Jahre mehr als 10 % der Anteile (z. B. 10,1 %) an der entsprechenden Gesellschaft hält. Zudem kann es sinnvoll sein, zukünftig Immobilien-Fonds an den Grundbesitz-Gesellschaften zu beteiligen, damit diese zur Nutzung der Börsenklausel als entsprechende Grunderwerbsteuer-Blocker fungieren.
Üblich waren bisher sogenannte „Blockermodelle“, bei denen ein sogenannter Grunderwerbsteuer-Blocker zu mindestens 5,1 % in die entsprechende Gesellschaft aufgenommen wurde und seine Beteiligung nach Ablauf der Behaltefrist an den bisher zu 94,9 % beteiligten Gesellschafter weiterveräußert hat. Diese Gestaltung ist grundsätzlich weiterhin möglich, allerdings wird sie in Zukunft aufgrund der höheren Beteiligungsschwellen und der längeren Behaltefristen erheblich erschwert und verliert deutlich an Attraktivität. Es empfiehlt sich daher, noch vor Einführung der Änderungen bis zum 30. Juni 2021 entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Geplante Reorganisationen im Zusammenhang mit grundbesitzenden Gesellschaften sollten daher möglichst vorgezogen und bis zum 30. Juni 2021 abgeschlossen werden.
Zunächst kann geprüft werden, ob bei Kapitalgesellschaften die Anteile der „Blockergesellschaften“ und dem Hauptgesellschafter von einem „Anker-Anleger“ (z. B. institutionellen Investor) in der Weise ohne Auslösen von Grunderwerbsteuer erworben werden können (keine Anwendung der Übergangsregelungen), dass der Anker-Anleger mehr als 10 % (z. B. 10,1 %) hält. Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass die Grundstücke durch Übertragung sämtlicher Anteile des Hauptgesellschafters (z. B. 89,9 %) ohne Auslösen von Grunderwerbsteuer übertragen werden können. Sofern der Hauptgesellschafter mehr als 90 % der Anteile hält, können nach dem 30. Juni 2021 nicht mehr alle Anteile grunderwerbsteuerneutral übertragen werden. Wir gehen daher davon aus, dass praktisch Share Deals nur noch dann in Frage kommen, wenn ein „neutraler“ „Anker-Anleger“ mit mehr als 10 % implementiert ist.
Einschätzung und Ausblick
Das Gesetz wird nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten wie geplant am 1. Juli 2021 in Kraft treten. Ab diesem Zeitpunkt sind die verschärften Anforderungen zu beachten.
Gern unterstützen wir Sie bei der Umsetzung von Reorganisationen insbesondere im Hinblick auf Ausnutzung grunderwerbsteuerlicher Gestaltungsspielräume.
Für weitere Fragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.
Update vom 20. Mai 2021
Am 17. Mai 2021 wurde das Gesetz zur Änderung der Grunderwerbssteuer im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Damit sind die Neuregelungen inklusive der zahlreichen speziellen Anwendungsregelungen ab dem 1. Juli 2021 zu beachten.
Änderungen bezüglich der Grunderwerbsteuer haben sich auch mit den Beschlussempfehlungen des Bundestags-Finanzausschusses für das KöMoG ergeben. Ein Update dazu finden Sie hier (Newsbeitrag Änderung KöMoG und ATADUmsG – noch nicht hochgeladen)
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