„Die von den Gutachterausschüssen festgesetzten Bodenrichtwerte sind von den Finanzbehörden ungeprüft und ohne eigenen Bewertungsspielraum der Bodenwertermittlung zugrunde zu legen.“ Inwieweit diese Formulierung, mit der die Finanzverwaltung Einsprüche gegen den Bodenrichtwert zurückweist, die tatsächliche Rechtslage widerspiegelt, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf (Aktenzeichen 11 V 2128/24 A (BG)).
Hintergrund
Ein zentraler Kritikpunkt am Grundsteuermodell des Bundes ist die Heranziehung von Bodenrichtwerten als maßgebende Bemessungsgrundlage der Grundsteuerwertfeststellung. Bodenrichtwerte sind durchschnittliche Lagewerte des Bodens, die für ein bestimmtes Gebiet mit im Wesentlichen gleichen Nutzungs- und Wertverhältnissen ermittelt werden und sich auf das sog. Bodenrichtwertgrundstück („fiktives Mustergrundstück“) beziehen. Nach dem reformierten Bewertungsrecht werden Abweichungen zwischen den Grundstücksmerkmalen des Bodenrichtwertgrundstücks und des zu bewertenden Grundstücks mit Ausnahme unterschiedlicher Entwicklungszustände und Arten der Nutzung bei überlagernden Bodenrichtwertzonen ausdrücklich nicht berücksichtigt (vgl. § 247 Abs.1 BewG).
Sachverhalt
Im zugrundeliegenden Fall streiten die Beteiligten für Aussetzungszwecke um die Feststellung eines Grundsteuerwerts.
Der Antragsteller ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks, das zu einem Landschaftsschutzgebiet gehört. Das Finanzamt stellte einen Grundsteuerwert basierend auf dem in der Bodenrichtwertzone ausgewiesenen Bodenrichtwert von EUR 630 pro Quadratmeter für baureifes Land fest. Dagegen legte der Antragsteller Einspruch mit der Begründung ein, dass es sich um nicht bebaubares Landschaftsschutzgebiet handele, das als Gartenfläche genutzt werde. Der zuständige Gutachterausschuss verweist auf Nachfrage auf einen Bodenrichtwert für vergleichbare Flächen in Höhe von EUR 3,50 pro Quadratmeter. Der Antragsteller begehrt daher die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids, soweit ein Bodenrichtwert von mehr als EUR 3,50 pro Quadratmeter berücksichtigt werde.
Beschluss und Begründung
Nach der Auffassung des FG Düsseldorf bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids, weshalb der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung überwiegend begründet ist.
Da die zu bewertende Fläche keinem der Entwicklungszustände von baureifem Land, Rohbauland, Bauerwartungsland oder Flächen der Land- und Forstwirtschaft zugeordnet werden kann, ordnet der Senat die wirtschaftliche Einheit als sonstige Fläche nach § 3 Abs. 5 ImmoWertV ein. Der Ausweis einer solchen Fläche in einem Landschaftsschutzgebiet ist mit erheblichen Nutzungsbeschränkungen verbunden und steht einer Bauerwartung grundsätzlich entgegen. Insoweit ist der vom Gutachterausschuss in der Richtwertzone angesetzte Bodenrichtwert für baureifes Land nicht einschlägig. Sind Bodenrichtwerte nicht flächendeckend ausgewiesen, hat der Gutachterausschuss eine ergänzende Bodenrichtwertermittlung durchzuführen. Sofern er dieser Verpflichtung nicht nachkommt, ist der Wert des unbebauten Grundstücks gemäß § 247 Abs. 3 BewG aus den Werten vergleichbarer Flächen abzuleiten.
Vorliegend schätzt der Senat den Bodenrichtwert auf EUR 10,50 pro Quadratmeter. Dies entspricht dem dreifachen Wert des vom Gutachterausschuss angenommenen Bodenrichtwerts für Grünland. Die Aussetzung der Vollziehung wird damit in Höhe der Differenz zu dem vom Finanzamt ermittelten Bodenwert gewährt.
Einschätzung und Ausblick
Der Beschluss des FG Düsseldorf trägt maßgeblich dazu bei, die Rechte der Grundstückseigentümer zu stärken. Anknüpfend an die Entscheidungen des FG Berlin-Brandenburg (Aktenzeichen 3 K 3170/22 und 3 K 3142/23) bestätigt das FG die grundsteuerrechtliche Bedeutung des § 15 Abs. 2 ImmoWertV, wonach Grundstücke oder Grundstücksteile mit einer vom Bodenrichtwertgrundstück abweichenden Art der Nutzung oder Qualität zwar Bestandteil der Bodenrichtwertzone sein können; allerdings gilt der dort angegebene Bodenrichtwert dann nicht für diese Grundstücke. Sofern demnach von den zuständigen Gutachterausschüssen kein Bodenrichtwert ermittelt wurde, hat die Finanzverwaltung gemäß § 247 Abs. 3 BewG den Wert des unbebauten Grundstücks aus den Werten vergleichbarer Flächen abzuleiten. Dabei sind die individuellen Aspekte des zu beurteilenden Grundstücks einzubeziehen, sodass sich eine Ausnahme von der Maßgeblichkeit der Bodenrichtwerte ergibt.
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