Gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG gilt nur derjenige als Inhaber eines Geschäftsanteils, der als solcher in der Gesellschafterliste (Handelsregister) eingetragen ist. Gleichwohl darf ein Gesellschafter, dessen Anteil eingezogen wurde, den Beschluss auch dann anfechten, wenn er zwischenzeitlich aus der Gesellschafterliste gestrichen wurde. Für andere Beschlüsse gilt dies jedoch nicht. Mit der Abgrenzung zwischen den verschiedenen Fällen der Beschlussanfechtung hat sich der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 26. Januar 2021 – AZ: II ZR 391/18 – befasst.
1. Sachverhalt
Der Kläger (A) sowie B und C waren Gesellschafter einer GmbH. Am 10. Oktober 2014 beschlossen B und C die Einziehung des Geschäftsanteils des Gesellschafters A. Am 24. Oktober 2014 wurde eine Gesellschafterliste, die nur die Gesellschafter B und C enthielt, erstellt und sodann in das Handelsregister aufgenommen. Im Jahr 2015 wurde in weiteren Gesellschafterversammlungen die Abberufung des A als Geschäftsführer, die fristlose Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrages und die Ermächtigung zur Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen A beschlossen.
A hat sowohl gegen die Einziehung seines Geschäftsanteils als auch gegen die anderen Beschlüsse Nichtigkeitsfeststellungs- und Anfechtungsklage erhoben.
2. Die Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH)
a. Rechtschutzmöglichkeit des betroffenen Gesellschafters gegen Einziehung
Der Bundesgerichtshof gelangt zu der Auffassung, dass die Einziehung des Geschäftsanteils nichtig sei. Das Gericht stellt dazu in Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass ein Gesellschafter, dessen Anteil eingezogen wurde, auch dann gegen diesen Beschluss klagen kann, wenn er zwischenzeitlich aus der Gesellschafterliste gestrichen wurde. Dies ist nicht selbstverständlich, weil § 16 Abs. 1 GmbHG bestimmt, dass derjenige, der nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist, gegenüber der Gesellschaft gerade nicht als Gesellschafter gilt. Der Bundesgerichtshof begründet seine Auffassung jedoch damit, dass dem Gesellschafter gegen die Einziehung seines Geschäftsanteils eine Rechtschutzmöglichkeit gegeben sein muss. Diese kann nicht dadurch ausgeschlossen sein, dass die verbleibenden Gesellschafter zügig und noch innerhalb der Anfechtungsfrist die Streichung aus der Gesellschafterliste betreiben.
Demnach war A weiterhin Gesellschafter.
b. Aber: Unbegründetheit der Klage gegen andere Gesellschafterbeschlüsse – ein Widerspruch?
Andererseits gelangt das Gericht auch zu der Auffassung, dass die Klage des ausgeschiedenen Gesellschafters gegen seine Abberufung als Geschäftsführer, die Kündigung seines Dienstvertrages und die Geltendmachung von Ersatzansprüchen unbegründet sei, da der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragen war. Dies gelte auch, wenn der Kläger zu diesem Zeitpunkt tatsächlich wegen der Nichtigkeit der Einziehung noch Gesellschafter war.
Zu diesem scheinbaren Widerspruch hat der Bundesgerichtshof Folgendes klargestellt:
Grundsätzlich gilt die Ausschlusswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG. Nur dort, wo ein Gesellschafter in seiner materiellen Gesellschafterstellung betroffen ist, kann er unabhängig von der Eintragung in der Gesellschafterliste einen Anspruch geltend machen, da er sonst keine Möglichkeit hätte, sich gegen die Entziehung seiner Gesellschafterstellung zu wehren. Dies gilt sogar dann, wenn er bereits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht mehr in der Gesellschafterliste stand.
Die Nichtigkeitsfeststellungs- und Anfechtungsklage hinsichtlich seiner Stellung als Geschäftsführer, seines Geschäftsführeranstellungsvertrages und auch der gegen ihn gerichteten Ansprüche berühren jedoch nicht seine Gesellschafterstellung. Daher kann er an Gesellschafterbeschlüssen, die diese Fragen betreffen, nicht teilnehmen, wenn er nicht in der Gesellschafterliste steht. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschafterliste inhaltlich falsch ist, weil die Einziehung seines Geschäftsanteils nichtig war. Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass der Gesellschafter insoweit keinen gesellschaftsrechtlichen Rechtschutz braucht, weil er sich sowohl gegen die Abberufung als Geschäftsführer als auch gegen die Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages und die erhobenen Ansprüche auf dem normalen zivilrechtlichen Weg wehren kann. Er kann z. B. sein Gehalt einklagen und sich gegen eine Schadensersatzklage vor dem Zivilgericht verteidigen. Es ist daher nicht aus übergeordneten Gründen des Rechtschutzes erforderlich, die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 GmbHG zu beschränken.
3. Praktische Bedeutung: Hohe Relevanz der Gesellschafterliste
Der Bundesgerichtshof bestätigt mit dieser Entscheidung die Bedeutung der Gesellschafterliste für die Wahrnehmung der Rechte in der Gesellschaft. Allein die Tatsache, dass ein Gesellschafter von einer Entscheidung persönlich betroffen ist, rechtfertigt keine Abweichung von den Regelungen des § 16 Abs. 1 GmbHG. Gesellschaft und Gesellschafter sollten im eigenen Interesse auf die Richtigkeit der Gesellschafterliste achten.
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