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Sozialversicherungspflicht der Notarzttätigkeit im Rettungsdienst erneut auf dem Prüfstand

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts wird am 19. Oktober 2021 in drei Fällen erneut darüber befinden, ob Ärztinnen und Ärzte, die im Nebenjob notärztlich im Rettungsdienst tätig sind, der Sozialversicherungspflicht unterliegen.

15.10.2021
1. Die Hintergründe

Streitig ist in den drei Verfahren vor dem Bundessozialgericht mit den Aktenzeichen B 12 KR 29/19 R, B 12 R 9/20 R und B 12 R 10/20 R, ob die Nebentätigkeit der Ärztinnen und Ärzte als Notärztinnen und Notärzte im Rettungsdienst freiberuflich ausgeübt wird oder im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses.

Im vorangegangenen Instanzenzug hatte nur der Kläger des Verfahrens mit dem Aktenzeichen B 12 KR 29/19 R bei der Vorinstanz, dem Hessischen Landessozialgericht, mit Urteil vom 11. April 2019 (Aktenzeichen: L 8 KR 487/17) Recht bekommen. Zur Begründung stützte sich das Hessische Landessozialgericht darauf, der Kläger habe nicht die Betriebsmittel – wie Rettungsfahrzeuge, Ausrüstung und Rettungswache – des klagenden Landkreises genutzt. Vielmehr habe er die Betriebsmittel der Stadt genutzt, bei der auch die übrigen Personen angestellt seien, mit denen der Kläger zusammenarbeitete. Der klagende Arzt sei deshalb nicht beim Landkreis beschäftigt.

Eine selbstständige Tätigkeit des Arztes lässt sich hieraus allerdings nicht ableiten, sondern eine Anstellung bei der Stadt.

In den beiden weiteren Verfahren hatte das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit den Urteilen vom 18. Mai 2020 (Aktenzeichen: L 4 BA 2288/18) und 20. Juli 2020 (L 4 BA 3646/18) eine Beschäftigung der nebenberuflich tätigen Notärzte angenommen. Die Kläger seien in die Struktur des Trägers des Rettungsdienstes eingebunden, würden dessen Sachmittel nutzen und mit dem weiteren Rettungsdienstpersonal zusammenarbeiten. Hierbei handele es sich um eine fremdbestimmte Arbeit, die die Einstufung als abhängige Beschäftigung rechtfertige.

2. Bisherige Sichtweise des BSG

Bereits im Jahr 2016 hatte eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (Beschluss vom 1. August 2016, Aktenzeichen B 12 R 19/15 B) für Wirbel gesorgt, mit der das Bundessozialgericht die Nichtzulassungsbeschwerde der Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern (vom 28. April 2015, Aktenzeichen L 7 R 60/12) verwarf. Das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte Notärzte, die auf Honorarbasis arbeiten, als sozialversicherungspflichtig eingestuft, weil ihnen das für Selbstständige typische Unternehmerrisiko und der Einsatz eigener Betriebsmittel fehle.

3. Korrektur durch den Gesetzgeber

Der Gesetzgeber hat auf diese Rechtsprechung im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelverordnung vom 4. April 2017 reagiert. Seitdem sind Einnahmen aus der Tätigkeit als Notärztinnen bzw. Notarzt im Rettungsdienst nicht beitragspflichtig, wenn die Tätigkeit nebenberuflich oder neben einer Tätigkeit als zugelassene/r Vertragsärztin/-arzt bzw. in privater Niederlassung ausgeübt wird. Allerdings gilt diese Regelung erst für Einnahmen aus einer Tätigkeit, die ab dem 11. April 2017 vereinbart wurde (§§ 23c Abs. 2 und 118 SGB IV).

4. Praxishinweis

Für die Notärztinnen und Notärzte dürfte die zu erwartende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wegen der Gesetzesänderung aus dem Jahr 2017 in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht allenfalls noch für die Übergangszeiträume spannend seien. Allerdings gehen mit der Feststellung eines Beschäftigungsverhältnisses arbeitsrechtliche Implikationen einher. So ist zu prüfen, ob nicht auch ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Dann würde die Tätigkeit der Notärzte unter anderem unter das Arbeitszeitgesetz fallen und damit die bisher vereinbarten Dienstzeiten ggf. eingeschränkt, was Einfluss auf die vereinbarten Honorare haben kann. Hiervon wären nicht nur die Altfälle betroffen, sondern auch die Beschäftigungsverhältnisse, die nach dem 11. April 2017 abgeschlossen wurden und werden. All dies müsste jedoch für jeden Einzelfall geprüft werden.

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