Die Verhandlungsteams von Union und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Bevor er in Kraft treten kann, steht jedoch noch die offizielle Zustimmung aller beteiligten Parteien aus. Wir geben einen Überblick über die steuerrechtlichen Vorhaben der künftigen Regierungskoalition.
Unternehmenssteuer und Investitionen
Die künftige Regierung plant für die Jahre 2025 bis 2027 einen „Investitions-Booster“ im Steuerrecht: Unternehmen sollen für Ausrüstungsinvestitionen eine degressive Abschreibung in Höhe von 30 % geltend machen können. Was eine Ausrüstungsinvestition ist, ist derzeit nicht in den Steuergesetzen geregelt. Nimmt man den Begriff der Ausrüstungsinvestitionen des Bundesamts für Statistik, dann handelt es sich dabei um neue Maschinen, Geräte und Fahrzeuge.
Ab dem 1. Januar 2028 ist eine stufenweise erfolgende Senkung der Körperschaftsteuer vorgesehen. Der aktuelle Steuersatz von 15 % soll in fünf Etappen um jeweils 1 % auf 10 % reduziert werden.
Personengesellschaften sollen ebenfalls von den steuerlichen Regelungen profitieren. Die Koalition strebt eine rechtsformneutrale Besteuerung an, indem das Optionsmodell nach § 1a KStG und die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG wesentlich verbessert werden soll. Darüber hinaus soll eine Prüfung erfolgen, ob ab dem Jahr 2027 die gewerblichen Einkünfte neu gegründeter Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform in den Geltungsbereich der Körperschaftsteuer fallen können.
Die digitale Abgabe von Steuererklärungen soll schrittweise verpflichtend erfolgen. Körperschaften und Personengesellschaften sollen sukzessive auf die Selbstveranlagung umgestellt werden.
Zur Förderung der E-Mobilität für E-Fahrzeuge ist eine Sonderabschreibung vorgesehen.
Einkommensteuer
Der Koalitionsvertrag kündigt an, die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur zu senken. Wie genau das umgesetzt werden soll, ist noch unklar.
Außerdem ist geplant, die Kluft zwischen der steuerlichen Entlastung durch Kinderfreibeträge und dem Kindergeld schrittweise zu verringern. Künftig soll gesetzlich sichergestellt werden, dass eine Anhebung des Kinderfreibetrags automatisch mit einer entsprechenden Erhöhung des Kindergelds einhergeht.
Die finanzielle Situation von Alleinerziehenden soll durch Anhebung oder Weiterentwicklung des Alleinerziehenden-Entlastungsbetrags verbessert werden.
Es wird angestrebt, steuerliche Anreize für Mehrarbeit zu schaffen. Überstundenzuschläge, die über die tariflich vereinbarte oder an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeitszeit hinausgehen, sollen von der Steuer umgehend befreit werden. Darüber hinaus ist geplant, Anreize zur Ausweitung der Arbeitszeit zu setzen. Wenn der Arbeitgeber eine Prämie zur Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeit auf dauerhaft an Tarifverträgen orientierte Vollzeit zahlt, soll eine steuerliche Begünstigung erfolgen.
Zusätzliche finanzielle Anreize sollen dazu beitragen, dass sich freiwillige, längere Arbeitszeiten mehr lohnen. Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und sich entscheidet, weiterhin zu arbeiten, kann ein monatliches Gehalt von bis zu EUR 2.000,00 steuerfrei beziehen. Um Fehlanreize und ungewollte Mitnahmeeffekte zu vermeiden, wird die Regelung gezielt geprüft.
Die Pendlerpauschale soll zum 1. Januar 2026 bereits ab dem ersten Kilometer mit dauerhaft 38 Cent angesetzt werden. Derzeit beträgt die Pauschale für die ersten 20 Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsplatz 30 Cent pro Kilometer, während erst ab dem 21. Kilometer 38 Cent geltend gemacht werden können.
Des Weiteren soll die Bruttolistenpreisgrenze für die steuerliche Förderung von E-Fahrzeugen als Dienstwagen auf EUR 100.000,00 erhöht werden.
Es wird geprüft, ob eine Pauschale für Arbeitstage eingeführt werden kann, die es Arbeitnehmern ermöglicht, ihre Werbungskosten zusammenzufassen (Arbeitstagepauschale).
Der Solidaritätszuschlag wird auch künftig unverändert bleiben.
Gewerbesteuer
Der Koalitionsvertrag sieht vor, Maßnahmen zu ergreifen, um Scheinsitzverlegungen in Gewerbesteuer-Oasen zu begegnen.
Es ist geplant, den Gewerbesteuer-Mindesthebesatz von 200 % auf 280 % zu erhöhen.
Umsatzsteuer
Die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie soll zum 1. Januar 2026 dauerhaft auf 7 % gesenkt werden.
Sachspenden an gemeinnützige Organisationen sollen künftig größtenteils von der Umsatzsteuer befreit werden.
Im Bereich der Forschung sind spezifische Bereichsausnahmen im Umsatzsteuergesetz vorgesehen.
Zudem wird angestrebt, die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer auf ein Verrechnungsmodell umzustellen.
Ehrenamt und Gemeinnützigkeit
Es ist eine Erhöhung der Übungsleiterpauschale auf EUR 3.300,00 sowie der Ehrenamtspauschale auf EUR 960,00 vorgesehen.
Die Koalition plant zudem eine Erhöhung der Freigrenze aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb für gemeinnützige Vereine auf EUR 50.000,00. Es soll der Katalog der gemeinnützigen Zwecke modernisiert und das Gemeinnützigkeitsrecht vereinfacht werden. Dies umfasst ebenfalls die Gemeinnützigkeitsprüfung für kleine Vereine.
Gemeinnützige Organisationen mit Einnahmen von bis zu EUR 100.000,00 sollen künftig von dem Erfordernis einer zeitnahen Mittelverwendung ausgenommen werden. Zudem ist vorgesehen, dass gemeinnützige Körperschaften, die aus wirtschaftlichen Tätigkeiten jährlich weniger als EUR 50.000,00 erzielen, keine Sphärenteilung nach Einnahmen aus Zweckbetrieb oder steuerpflichtigem wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb durchführen müssen.
Altersvorsorge
Zum 1. Januar 2026 soll eine Frühstart-Rente eingeführt werden. Dafür soll für jedes Kind vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, pro Monat EUR 10,00 in ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot eingezahlt werden.
Ab dem 18. Lebensjahr können zudem private Einzahlungen bis zu einem jährlichen Höchstbetrag in das angesparte Kapital erfolgen. Die Erträge aus dem Depot sollen bis zum Renteneintritt steuerfrei bleiben. Das Sparkapital ist vor staatlichem Zugriff geschützt und wird erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze ausgezahlt.
Weitere steuerpolitische Maßnahmen
Der Koalitionsvertrag sieht außerdem folgende steuerliche Maßnahmen vor:
- Energetische Sanierungen: Die Kosten für die energetische Sanierung von geerbten Immobilien sollen künftig steuerlich absetzbar sein.
- Gewerkschaftsmitgliedschaften: Die Koalition möchte durch steuerliche Anreize die Mitgliedschaften in Gewerkschaften attraktiver gestalten.
- Kfz-Steuer: Elektroautos sollen bis 2035 von der Kfz-Steuer befreit bleiben.
- Agrardiesel-Rückvergütung: Die Agrardiesel-Rückvergütung wird vollständig wieder eingeführt.
- Bonpflicht: Die verpflichtende Ausgabe von Kassenbons soll wieder abgeschafft werden.
- Registrierkassenpflicht: Für Geschäfte mit einem jährlichen Umsatz von über EUR 100.000,00 soll ab dem 1. Januar 2027 eine Registrierkassenpflicht eingeführt werden.
- Globale Mindeststeuer: Die Mindeststeuer für große Konzerne bleibt bestehen.
- Steuerlicher Querverbund: Der steuerliche Rahmen für den Querverbund wird angepasst, um die kommunale Daseinsvorsorge langfristig zu sichern.
- Finanztransaktionssteuer: Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene wird unterstützt.
- Stromsteuer: Die Stromsteuer soll auf das europäische Mindestmaß gesenkt und die Übertragungsnetzentgelte sollen reduziert werden, um schnelle Entlastungen zu erreichen. Im Gespräch ist aktuell eine Reduzierung der Stromsteuer um mindestens 5 Cent.
- Forschungszulage: Der Fördersatz und die Bemessungsgrundlage der steuerlichen Forschungszulage sollen deutlich angehoben und das Verfahren vereinfacht werden.
- Luftverkehrsteuer: Die Erhöhung der Luftverkehrsteuer soll zurückgenommen werden.
- Es sollen Maßnahmen zur Reduzierung der Steuerbürokratie geprüft werden, insbesondere durch Digitalisierung und Vereinfachung.
Den gesamten Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD finden Sie hier.
Über das Zustandekommen der Koalition entscheiden ein kleiner Parteitag der CDU/CSU bzw. die Parteimitglieder der SPD im Rahmen einer Mitgliederbefragung. Bei einer Zustimmung aller Koalitionspartner ist Anfang Mai 2025 mit der Wahl des neuen Bundeskanzlers und der Ernennung der Minister zu rechnen.
Das Bundesministerium der Finanzen geht an die SPD unter der Führung von Lars Klingbeil. Erste steuerpolitische Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag könnte die Koalition im Laufe des Jahres 2025 umsetzen. Abzuwarten bleibt aber, ob insbesondere die geplanten Steuersenkungen, soweit sie Einfluss auf die Steuereinnahmen der Länder haben, auch eine Mehrheit im Bundesrat finden. Im Bundesrat verfügen Union und SPD aktuell nicht über eine Mehrheit. Hier wären dann die Stimmen der Oppositionsparteien notwendig.
Über den weiteren Fortgang halten wir Sie auf dem Laufenden. Bei Fragen zu aktuellen steuerlichen Themen, sprechen Sie uns gern an.