Gerät ein Auftragnehmer in die Insolvenz, stellt sich für den Besteller regelmäßig die Frage, ob der Vertrag noch erfüllt wird und was mit bereits geleisteten Abschlags- bzw. Vorauszahlungen geschieht, wenn dies nicht der Fall ist. In solchen Fällen droht eine Überzahlung, deren Rückforderung rechtlich und praktisch anspruchsvoll ist.
1. Sachverhalt
Der Besteller beauftragte den Unternehmer mit dem Ausbau des Daches zu einem Pauschalpreis von 120.000,00 EUR. Dem Auftrag lag kein Leistungsverzeichnis mit Einzelpreisen und voraussichtlichen Mengen zugrunde, sondern ein „Ausführungskonzept“ des Unternehmers.
Gemäß der Zahlungsvereinbarung zahlte der Besteller bei Auftragserteilung im Juli einen ersten Teilbetrag in Höhe von 40.000,00 EUR sowie im Oktober einen weiteren Teilbetrag in gleicher Höhe. Der Unternehmer stellte seine im September begonnenen Arbeiten ab Mitte Dezember ein.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens teilte der Insolvenzverwalter dem Besteller mit, dass der Geschäftsbetrieb des Unternehmens eingestellt worden sei und der Vertrag nicht erfüllt werde (die Leistungen nicht fertiggestellt werden). Die Erteilung einer Schlussrechnung lehnte der Insolvenzverwalter ab und verwies den Besteller an den Unternehmer. Dieser reagierte nicht, sodass der Besteller den Insolvenzverwalter auf Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung in Anspruch nahm.
Das Landgericht verurteilte den Insolvenzverwalter, eine prüffähige Schlussrechnung über die zur Erfüllung des Bauvertrags erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung der geleisteten Teilzahlungen zu erstellen. Das Oberlandesgericht wies die Berufung des Insolvenzverwalters zurück. Die Revision des Insolvenzverwalters hatte hingegen Erfolg.
2. Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 7. November 2024 – IX ZR 179/23 die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen.
a) Insolvenzrechtlicher Teil der Entscheidung:
Der Besteller hat keinen Anspruch auf Erstellung der Schlussrechnung gegen den Insolvenzverwalter, solange weder die Hauptforderung zur Tabelle angemeldet worden ist noch der Anmeldung widersprochen wurde.
Nach Auffassung des BGH ist der Insolvenzverwalter zur Auskunft verpflichtet, wenn diese zur Vorbereitung eines Anspruchs erforderlich ist, der sich gegen die Insolvenzmasse richtet. Der Anspruch auf Erteilung einer Schlussrechnung dient jedoch nicht der Vorbereitung eines Aussonderungs- oder Absonderungsrechts oder einer Masseforderung. Der Rückzahlungsanspruch des Bestellers wegen überhöhter Vorauszahlungen stellt vielmehr eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO dar.
Insolvenzforderungen können gem. § 87 InsO nur nach den Vorschriften der Insolvenzordnung durchgesetzt werden. Sie sind gemäß § 174 InsO zunächst zur Insolvenztabelle anzumelden. Die angemeldete Forderung ist dabei auch der Höhe nach durch den Gläubiger zu beziffern (§ 174 Abs. 2 InsO).
b) Der baurechtliche Teil der Entscheidung:
Einen Anspruch auf Erstellung der Schlussrechnung hat der Besteller gegen den Unternehmer. Nach Kündigung des Werkvertrags aus wichtigem Grund steht dem Unternehmer nur die Vergütung für die bis dahin erbrachten Leistungen zu (§ 648a Abs. 5 BGB).
Sind Voraus- und Abschlagszahlungen vereinbart, verpflichtet das den Unternehmer zugleich zur Abrechnung seiner endgültigen Vergütung unter Berücksichtigung der geleisteten Voraus- und Abschlagszahlungen in einer Schlussrechnung. Diese Pflicht ergibt sich, unabhängig von einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung, aus dem vorläufigen Charakter von Voraus- und Abschlagszahlungen. Dies gilt auch bei Pauschalpreisverträgen.
Fordert der Besteller eine Rückzahlung seiner Vorauszahlung, nachdem der Unternehmer Leistungen erbracht hat, muss er schlüssig einen Saldoüberschuss darlegen. Dazu genügt eine Abrechnung, aus der hervorgeht, dass die Vorauszahlungen den Vergütungsanspruch übersteigen. Der Besteller darf sich hierbei auf den ihm bekannten Sachverhalt stützen, soweit er diesen nach zumutbarer Ausschöpfung seiner Erkenntnisquellen ermitteln konnte. Der Unternehmer muss dann darlegen und beweisen, dass er berechtigt ist, die Voraus- und Abschlagszahlungen zu behalten.
Welcher Vortrag vom Besteller im Fall der Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrags ohne Detailpreisverzeichnis unter zumutbarer Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Quellen verlangt werden kann, um eine Werklohnvorauszahlung zurückzufordern, richtet sich nach den Gesamtumständen, insbesondere nach dem Inhalt des Vertrags und etwaiger vorvertraglicher Absprachen. Kennt der Besteller die Kalkulation des Unternehmers nicht und kann er nicht aufgrund anderer Umstände das vertragliche Preisniveau darstellen, obliegt dem Unternehmer insoweit die Darlegungslast.
An dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ändert die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts. Der Besteller kann die Höhe seiner Forderung bei der Anmeldung zur Insolvenztabelle entsprechend dem Vorstehenden gemäß § 45 InsO schätzen. Der Insolvenzverwalter ist dann verpflichtet, die von ihm für berechtigt gehaltene Forderung substantiiert darzulegen.
3. Praxishinweis
Fast schon ein „Klassiker“ – bekannte baurechtliche Fragen in insolvenzrechtlichem Gewand.
Die Abrechnung von Pauschalpreisverträgen ohne detailliertes Leistungsverzeichnis bereitet in der Praxis regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten.
Ohne Leistungsverzeichnis mit Einheitspreisen ist die nachträgliche Bewertung der erbrachten Leistungen erheblich erschwert. Der Unternehmer muss die erbrachten Leistungen aufgliedern und mit Einzelpreisen belegen, die nachvollziehbar aus der ursprünglich vereinbarten Kalkulation abgeleitet sein müssen. Der Besteller wiederum muss den Umfang der nicht erbrachten Leistungen darlegen und bewerten – soweit es ihm nach den Umständen zumutbar ist. Gegebenenfalls kann eine gewerkeweise Aufstellung genügen.
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