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SV-Pflicht ehrenamtlicher Bürgermeister/innen auf dem Prüfstand

Die Frage nach der sozialversicherungsrechtlichen Einstufung der Aufwandsentschädigungen ehrenamtlich Tätiger, insbesondere der ehrenamtlichen Mandatsträger - wie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – unterliegt aktuell wieder einer rechtlichen Überprüfung.

16.09.2019

Worum geht es?

Das Bestehen der Sozialversicherungspflicht wird anhand von verschiedenen Kriterien geprüft, die durch die Rechtsprechung in jahrelanger Spruchpraxis erarbeitet worden sind.

Das Bundessozialgericht (BSG) konkretisierte zunächst in einer Entscheidung vom 25.01.2006 (B 12 KR 12/05 R) diese Kriterien bezogen auf die ehrenamtlich tätigen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Im Grundsatz ging das Gericht davon aus, dass die Tätigkeit einer ehrenamtlichen Bürgermeisterin bzw. eines ehrenamtlichen Bürgermeisters dann nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt, wenn sie / er ausschließlich Repräsentationsaufgaben wahrnimmt. Traten zu diesen Repräsentationsaufgaben auch Verwaltungsaufgaben hinzu, sollte unter Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit eine Entscheidung zu treffen sein. Wenn die oder der ehrenamtlich Tätige auch Leiterin bzw. Leiter der Verwaltung fungierte, war die Sozialversicherungspflicht für das Beschäftigungsverhältnis insgesamt begründet worden. Der nicht steuerfreie Teilbetrag der Aufwandsentschädigung unterlag nach dieser Rechtsprechung der Sozialversicherungspflicht.

Umdenken

In einer weiteren Entscheidung vom 16.08.2017 (B 12 KR 14/16 R) – wir hatten hierüber berichtet – stellte das BSG sodann klar, dass Aufgaben und Tätigkeiten ehrenamtlich Beschäftigter, die Ausfluss der organschaftlichen Stellung und nicht für jedermann frei zugänglich sind, regelmäßig nicht zu einer persönlichen Abhängigkeit im Sinne eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses führen. Ferner heißt es im Leitsatz der Entscheidung, dass eine ehrenamtliche Tätigkeit im Unterschied zu erwerbsorientierten Beschäftigungsverhältnissen dadurch geprägt ist, ideelle Zwecke zu verfolgen und ohne Erwerbsabsicht unentgeltlich ausgeübt zu werden. Bei ehrenamtlichem Engagement, hieß es im Leitsatz weiter, wird typischerweise keine Gegenleistung erbracht und erwartet, sondern allenfalls eine Entschädigung gewährt, die Aufwände konkret oder pauschal abdeckt. Gegenstand dieses Urteils waren allerdings nicht die ehrenamtlichen Bürgermeister, sondern die Sozialversicherungspflicht eines Kreishandwerksmeisters.

Was nun?

Bezogen auf die sozialversicherungsrechtliche Einstufung der ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister existiert derzeit keine einheitliche erst- und zweitinstanzliche Spruchpraxis mehr seit dem Urteil des BSG vom 16.08.2017.

Kürzlich hat der 11. Senat des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (LSG LSA) in einem Erörterungstermin zu dieser Problematik zu erkennen gegeben, das Urteil des BSG vom 16.08.2017 voraussichtlich auch auf ehrenamtlich tätige Bürgermeisterinnen und Bürgermeister anwenden zu wollen. Danach käme es für die Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses einer ehrenamtlichen Bürgermeisterin bzw. eines ehrenamtlichen Bürgermeisters nicht mehr darauf an, ob auch Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden, sondern vor allem darauf, ob es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit handelt und die Höhe der Aufwandsentschädigung dem Ehrenamt angemessen ist. Dies soll bereits dann der Fall sein, wenn die Aufwandsentschädigung im Gesetz oder in einer Satzung festgelegt ist, die die zuständige Aufsichtsbehörde bestätigt hat.

Ausblick

Folgte die Rechtsprechung dieser Ansicht, dürften Beschäftigungsverhältnisse ehrenamtlich tätiger Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zukünftig regelmäßig nicht mehr der Sozialversicherungspflicht unterfallen, weil sich die Ehrenamtlichkeit bereits aus den jeweiligen Fachgesetzen ergibt und die Aufwandsentschädigungen in aller Regel in den von der Kommunalaufsicht bestätigten Satzungen geregelt sein dürften. Es besteht in diesen Fällen Anlass, die Sozialversicherungspflicht überprüfen zu lassen.

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Nicole Jochheim
Nicole Jochheim

Senior Associate, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, Fachanwältin für Sozialrecht

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