BFH hebt Urteil wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs auf: Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Gewinnanteilen stiller US-Beteiligungen verstößt weder gegen das DBA-USA noch gegen EU-Recht. Der Fall wird zur erneuten Prüfung der Organschaftsvoraussetzungen an das Finanzgericht zurückverwiesen. Die weitere Entwicklung bleibt spannend.
1. Sachverhalt
Die Klägerin, eine deutsche GmbH, hatte im Jahr 2000 eine stille Beteiligung der US-amerikanischen Y-Corp. Die Y-Corp. war zu diesem Zeitpunkt Mehrheitsaktionärin der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin. Das Finanzamt rechnete den Gewinnanteil der stillen Gesellschafterin gemäß § 8 Nr. 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 2000) dem zu versteuernden Gewerbeertrag hin, was zu einer höheren Gewerbesteuer führte. Die Klägerin wendete sich dagegen und argumentierte, dass diese Hinzurechnung sowohl gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 3 oder das Gesellschafterdiskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 4 des Doppelbesteuerungsabkommens mit den USA (DBA-USA 1989) als auch gegen die EU-Kapitalverkehrsfreiheit (damals nach Art. 56 Abs. 1 EGV) verstoße.
Das Finanzgericht Düsseldorf wies die Klage ab und stellte fest, dass keine gewerbesteuerliche Organschaft vorliege. Die Klägerin war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und legte Revision aufgrund der Verletzung formellen sowie materiellen Rechts beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.
2. Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufgehoben und die Sache wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels an das FG zurückverwiesen. Anlass war eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO): Die Klägerin hatte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine Kenntnis von einem gerichtlichen Hinweis- und Aufklärungsschreiben vom 11. September 2020 erlangt, das entscheidungserheblich für die Frage des Vorliegens einer gewerbesteuerlichen Organschaft (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG i. V. m. § 14 Nr. 1–3 KStG) war. Ein Zustellungsnachweis fehlt, und das Schreiben wurde im weiteren Verfahren weder inhaltlich aufgegriffen noch protokolliert. Die unterbliebene Kenntnisnahme der Klägerin führte dazu, dass sie keine Möglichkeit zur Stellungnahme erhielt, was eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs darstellt.
Materiell bestätigte der BFH jedoch die bisherige Rechtsauffassung: Die Hinzurechnung der Gewinnanteile verstößt nicht gegen das DBA-USA 1989. Nach Art. 24 Abs. 3 des Abkommens sind nur bestimmte grenzüberschreitende Zahlungen wie Zinsen und Lizenzgebühren vom Diskriminierungsverbot geschützt. Gewinnanteile aus stillen Beteiligungen werden hingegen als Dividenden eingeordnet und fallen somit nicht unter den Schutz dieser Regelung.
Eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit der EU (Art. 56 EGV, heute Art. 63 AEUV) liegt ebenfalls nicht vor. Die sogenannte Standstill-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EGV (heute Art. 64 Abs. 1 AEUV) gestattet es, Beschränkungen des Kapitalverkehrs gegenüber Drittstaaten wie den USA weiterhin anzuwenden, sofern diese Maßnahmen vor dem 31. Dezember 1993 bestanden und seitdem unverändert geblieben sind – wie hier die Vorschrift des § 8 Nr. 3 GewStG. Verwaltungsvorschriften, die eine abweichende, zugunsten der Steuerpflichtigen geänderte Auslegung nahelegen, entfalten für die Rechtslage keine unmittelbare Bindungswirkung.
Fazit
Das Verfahren wird aufgrund eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör neu aufgerollt. Im zweiten Rechtsgang muss das Finanzgericht insbesondere prüfen, ob eine gewerbesteuerliche Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 GewStG in Verbindung mit § 14 KStG vorliegt – also ob die stille Gesellschafterin organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell in den Organkreis eingebunden ist. Zudem soll das Gericht klären, ob die Gewinnbeteiligung angemessen ist oder als verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu qualifizieren ist.
Die bisherige Rechtslage bleibt davon unberührt: Weder liegt eine Diskriminierung nach dem DBA-USA vor, noch wird die EU-Kapitalverkehrsfreiheit durch die geltende Standstill-Klausel verletzt.
Für die Praxis bedeutet dies, dass bei der steuerlichen Behandlung stiller Beteiligungen besonderes Augenmerk auf die Wahrung des rechtlichen Gehörs gelegt werden muss. Werden wesentliche gerichtliche Schreiben nicht zugestellt, kann dies zur Aufhebung der Entscheidung und Rückverweisung des Falls führen. Wie das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang entscheiden wird, bleibt abzuwarten – die weitere Entwicklung bleibt spannend und wird wichtige Impulse für die steuerliche Praxis liefern. Wir halten Sie an dieser Stelle informiert.