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Sozialversicherungspflicht von Pool-Ärztinnen und Ärzten im vertragsärztlichen Notdienst

Am 24. Oktober 2023 beschäftigte sich das Bundessozialgericht mit der Sozialversicherungspflicht eines am vertragszahnärztlichen Notdienst teilnehmenden Zahnarztes und stellte seine abhängige Beschäftigung fest.

11.12.2023
Sozialrecht
1. Hintergrund

Die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen sind nicht nur zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung tagsüber während der Sprechstundenzeiten verpflichtet. Sie müssen darüber hinaus in den sprechstundenfreien Zeiten Notdienste (außerhalb des Rettungsdienstes) organisieren. Zu diesem Zweck richtete die Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg Notdienstzentren ein, die sie mit ihren personellen und sächlichen Mitteln ausstattete. Die Bereitschafts- bzw. Notdienste übernahmen aber nicht nur die Vertragszahnärztinnen und -ärzte, sondern die Versorgung wurde daneben über einen „Pool“ von Ärztinnen und Ärzten außerhalb des Vertragsarztrechtes sichergestellt. Der klagende Zahnarzt war nicht zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassen – er war ein sogenannter „Pool-Zahnarzt“. Er übernahm überwiegend am Wochenende Dienste im Notdienstzentrum, wofür er ein Stundenhonorar erhielt.

2. Die Entscheidung des BSG

Das Bundessozialgericht entschied mit Urteil vom 24. Oktober 2023 (AZ: B 12 R 9/21 R), dass der Zahnarzt bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg abhängig beschäftigt ist. Der Zahnarzt war in eine von dritter Seite organisierte Struktur eingebunden. Auf diese Organisation hatte er keinen entscheidenden Einfluss, sondern fügte sich fremdbestimmt ein. Eine unternehmerische Tätigkeit konnte das Bundessozialgericht, insbesondere wegen der stundenweisen Bezahlung, nicht feststellen. Demgegenüber fiel das eigenverantwortliche Handeln des Zahnarztes während der medizinischen Behandlung nicht entscheidend ins Gewicht.

3. Ausblick

Diese Entscheidung hat nicht nur in Baden-Württemberg, wo schätzungsweise ca. 3.000 Pool-Ärztinnen und Pool-Ärzte tätig waren, für großes Aufsehen gesorgt. Bundesweit wird mit Spannung auf die schriftlichen Urteilsgründe gewartet. Jedenfalls in Baden-Württemberg hat man am Tag nach der Entscheidung mit sofortiger Wirkung die Tätigkeit der Pool-Ärztinnen und -Ärzte im Bereitschaftsdienst beendet. Die Dienste müssen nun zusätzlich von den Vertragsärztinnen und -ärzten sichergestellt werden. Nach einer Umfrage des Marburger Bundes sind die Patientenzahlen in den Notaufnahmen in Baden-Württemberg seitdem um 70 % gestiegen.

4. Praxishinweise

Möglicherweise kann wegen der eintretenden Versorgungsnotstände eine gesetzgeberische Lösung erwartet werden. Eingegriffen hatte der Gesetzgeber bereits nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den Notärztinnen und -ärzten im Rettungsdienst oder bei den Syndikusrechtsanwälten. Bis dahin ist das Statusfeststellungsverfahren ein Instrument, um Klarheit in Zweifelsfällen zu erlangen und um unüberschaubare Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen für die Vergangenheit zu vermeiden.

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Nicole Jochheim
Nicole Jochheim

Senior Associate, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, Fachanwältin für Sozialrecht

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