Am 9. April 2019 entschied das Bundessozialgericht zum Aktenzeichen B 1 KR 5/19 R über die Frage, ob gesetzliche Krankenkassen zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer auf Zytostatika zurückverlangen können. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Auf Grund der mündlichen Verhandlung, an der wir teilgenommen haben, lassen sich jedoch folgende Aussagen treffen.
Es ist wichtig zu wissen, dass Gegenstand dieser Entscheidung lediglich die Umsatzsteuer auf Herstellungspauschalen gemäß der Arzneimittelpreisvereinbarung für Baden-Württemberg ist.
Mit Pressemitteilung vom 10. April 2019 verkündete das Bundessozialgericht „Krankenhäuser müssen Zahlungen für Umsatzsteuer auf Arzneimittelzubereitungen an Krankenkassen erstatten“. Diese Aussage ist in dieser allgemeinen Form missverständlich.
Sie ist insbesondere deshalb missverständlich, weil zu der entscheidenden Frage des Vorsteuerabzugs nichts gesagt wurde. Aufgrund der Besonderheiten der Arzneimittelpreisvereinbarung für Baden-Württemberg war nämlich der Vorsteuerabzug von vornherein nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Denn Streitgegenstand war nur die Umsatzsteuer auf die Herstellungspauschale, nicht auf den Wareneinsatz. Dann stellt sich aber die Frage des Vorsteuerabzugs nicht, weil hinsichtlich der Herstellungspauschale gar kein Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde.
Es ging im vorliegenden Rechtsstreit somit nur um zwei Fragen:
- Ist die Umsatzsteuer auch dann zurückzuzahlen, wenn ein bestandskräftiger Umsatzsteuerbescheid vorliegt? Die Vorinstanzen hatten dies verneint, weil der Umsatzsteuerbescheid einen Rechtsgrund darstelle, so dass es keinen Bereicherungsanspruch gebe. Das Bundessozialgericht war anderer Auffassung, weil zumindest im vorliegenden Fall die Bestandskraft darauf beruhte, dass die Beklagte keinen Rechtsbehelf eingelegt hatte, obgleich es ihr möglich und zumutbar gewesen wäre. Rechtsgrundlage für die Rückforderung ist dann nicht Bereicherungsrecht, sondern ein Schadensersatzanspruch.
- Außerdem war die Frage zu entscheiden, ob die Arzneimittelpreisvereinbarung dahingehend auszulegen sei, dass ein Rückzahlungsanspruch der Krankenkasse bestehe. Das Bundessozialgericht gelangt aufgrund ergänzender Vertragsauslegung zu der Auffassung, dass dies der Fall sei.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Urteil des Bundessozialgerichts den Besonderheiten der Arzneimittelpreisvereinbarung in Baden-Württemberg Rechnung trägt und sich auf die Umsatzsteuer für die Herstellungspauschale beschränkt. Zu der Frage, ob die Umsatzsteuer generell zurückgefordert werden kann und inwieweit der Vorsteuerabzug und der Aufwand des Krankenhauses für dessen Ermittlung zu berücksichtigen sind, hat sich das Bundessozialgericht nicht geäußert. Das Urteil ist auf Fälle mit anderen Arzneimittelpreisvereinbarungen nicht übertragbar und enthält somit auch keine generelle Aussage zur Rückzahlungspflicht.