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Persönliche Haftung eines Geschäftsführers mit gesondertem Aufgabenbereich (Ressortprinzip) nach § 64 GmbHG

Die Urteile zur Haftung von Geschäftsführern wegen verbotener Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife reißen nicht ab. Nach einer wegweisenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) kann eine Ressortaufteilung zu einer Exkulpation von Mitgeschäftsführern führen – allerdings stellt der BGH dafür hohe Anforderungen auf. Die Entscheidung ist besonders praxisrelevant, weil in vielen GmbHs eine Aufteilung der Leitungsebene in eine operative und eine kaufmännische Geschäftsführung erfolgt.

05.02.2019

BGH, Urteil vom 6. November 2018 AZ: II ZR 11/17

Pflicht der Geschäftsführer zu gesetzestreuem Verhalten

Die finanzielle Krise einer GmbH kann nicht nur unerwünschte Folgen für diese GmbH selbst haben, sondern betrifft auch die persönliche Haftung des oder der Geschäftsführer dieser GmbH. Der Gesetzgeber hat verschiedene Fallgestaltungen aufgegriffen, in denen er den oder die Geschäftsführer mit einer persönlichen Haftung belegt, wenn sie sich nicht gesetzestreu verhalten. Eine dieser Normen, die in der Praxis eine besondere Bedeutung erlangt haben, ist § 64 S.1 GmbHG. Diese belegt den/die Geschäftsführer/n mit einem Verbot von Zahlungen nach Eintritt der finanziellen Krise. Der Geschäftsführer hat im Fall eines verbotswidrigen Verhaltens seiner Gesellschaft die Zahlungen persönlich zu ersetzen (Erstattungsanspruch), die seitens der GmbH nach Eintritt der Krise vorgenommen wurden.

Grundsatz Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Geschäftsführer – und Ausnahme

In einer Geschäftsführung, in der mehrere Personen tätig sind, haften dabei grundsätzlich alle Mitglieder der Geschäftsführung gemeinschaftlich. Dies gilt selbst dann, wenn die Geschäftsführung intern in Zuständigkeitsbereiche aufgeteilt wurde (Ressortprinzip) und ein Mitglied der Geschäftsführung aufgrund seines eingegrenzten Tätigkeitsbereichs vom Eintritt der Krise keine Kenntnis hatte. Der BGH relativierte diese Vorgabe in seinem o. g. Urteil nunmehr: Unter bestimmten, engen Bedingungen soll ein Mitglied der Geschäftsführung, das aufgrund der internen Aufteilung der Geschäftsbereiche keine Kenntnis von dem Eintritt der Krise erlangte, nicht für verbotene Zahlungen persönlich haften – für die Praxis eine durchaus wegweisende Entscheidung.

Der Fall des BGH

Hintergrund der Entscheidung des BGH war ein Fall, in dem der Insolvenzverwalter, der das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH führte, die Mitglieder der Geschäftsführung einer insolventen GmbH persönlich zur Haftung ziehen wollte. Ein Geschäftsführer berief sich darauf, dass er keine Kenntnis vom Eintritt der Krise hatte. Die Geschäftsleitung sei so aufgeteilt gewesen, dass er die künstlerische Gestaltung des Produkts verantwortet habe und der andere Geschäftsführer für die kaufmännische, organisatorische und finanzielle Seite des Geschäfts zuständig gewesen sei. Die Vorinstanz sah den Geschäftsführer damit als entlastet an, der BGH trat dem entgegen und konkretisierte die Voraussetzungen, unter denen die Verschuldensvermutung widerlegt werden kann.

BGH: Voraussetzungen einer Exkulpation bei Ressortaufteilung

Der BGH führt zunächst aus, dass das Zahlungsverbot des § 64 Satz 1 GmbHG alle Mitglieder einer mehrköpfigen Geschäftsführung betrifft. Diese Pflicht sei nicht delegierbar. Es bestehe eine Vermutung dahin, dass jeder einzelne Geschäftsführer auch schuldhaft gehandelt hat. Jeder einzelne Geschäftsführer könne aber Gründe vortragen und erläutern, die ihn gehindert haben, eine tatsächlich bestehende Insolvenzreife zu erkennen. Bei der Beurteilung sei aber zu beachten, dass jeder Geschäftsführer verpflichtet ist, für eine Organisation zu sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der GmbH jederzeit ermöglicht (Organisationspflicht der Unternehmensleitung).

Diese Organisation sei unter umfassender Berücksichtigung der für die Gesellschaft wirtschaftlich relevanten Umstände zu beurteilen. Werden die Zuständigkeiten in der Geschäftsführung aufgeteilt, so sei eine einvernehmliche, klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben erforderlich, die die vollständige Wahrnehmung der Geschäftsführeraufgaben berücksichtigt und die Erledigung dieser Aufgaben durch jeweils fachlich und persönlich geeignete Personen sicherstellt. Die Geschäftsführer könnten diese Eignung der jeweils anderen Geschäftsführer nicht einfach unterstellen, sondern müssten sich vergewissern, dass die anderen Geschäftsführer tatsächlich fachlich und persönlich geeignet sind, die ihnen übertragenen Aufgaben zu erfüllen (zur Exkulpation: Vortrag von dies bestätigenden Anhaltspunkten).

Daneben sei ungeachtet der Ressortzuständigkeiten die Zuständigkeit des Gesamtorgans „Geschäftsführung“ zu wahren. Auch insoweit sei die Aufgabenerledigung durch ein anderes Geschäftsführungsmitglied hinreichend zu kontrollieren und zu überwachen. Seien Unregelmäßigkeiten oder Indizien für eine krisenhafte Entwicklung ersichtlich, so seien verschärfte Kontrollen bzw. Überwachungen notwendig. Insoweit sei die übliche Verpflichtung des jeweils zuständigen Geschäftsführers zur laufenden Unterrichtung der weiteren Geschäftsführer über die wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft zwar sachgerecht, aber nicht ausreichend.

Praxishinweise – Dokumentation und schriftliche Ressortaufteilung

Insgesamt gibt der BGH mithin durchaus strenge Bedingungen für eine Selbstentlastung eines Mitglieds der Geschäftsführung vor, die vor allem zu belegen sind. Andererseits legt er sich auch fest und bestätigt unter welchen Voraussetzungen der Entlastungsbeweis nach § 64 GmbHG geführt werden kann. Für die Praxis ist durchaus ein Anwendungsfeld eröffnet worden – z. B. wenn der zuständige Geschäftsführer wider Erwarten den anderen Geschäftsführern unrichtige Zahlen mitteilt oder Entwicklungen verschweigt und keine erkennbaren Indizien für eine Krise vorlagen. Die Praxis wird sich auf diese neue Rechtsprechung einzustellen haben.

Der BGH befasst sich zudem ausführlich mit der Frage, ob die Ressortaufteilung schriftlich niedergelegt sein muss. Letztlich verneint er diese Frage. Gleichwohl ergibt sich aus der Entscheidung, dass jedenfalls im Fall eines gewissen Umfangs der unternehmerischen Tätigkeit der GmbH eine schriftliche Abfassung der Geschäftsbereich der Geschäftsführer vorgenommen werden sollte. Denn die faktische Arbeitsteilung oder stillschweigende Aufteilung der Geschäftsbereiche dürfte häufig nicht nachweisbar sein und zudem regelmäßig den Anforderungen an eine klare und eindeutige Geschäftsverteilung nicht entsprechen. Zudem fordert der Bundesfinanzhof (BFH) im Zusammenhang mit der Haftung gemäß § 34 Abs. 1 AO für die Mitglieder einer mehrköpfigen Geschäftsführung eine schriftlich abgefasste Geschäftsverteilung. Schon vor diesem Hintergrund sollte auf eine klare schriftliche Abfassung der Aufteilung der Geschäftsbereiche nicht verzichtet werden.

Den Volltext des Urteils finden Sie hier: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&az=II%20ZR%2011/17&nr=91929

Zu Zahlungen nach Insolvenzreife siehe auch den Beitrag vom 19.09.2018.

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