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Neue Grundsteuer auf dem Prüfstand: Der Bundesfinanzhof äußert Zweifel am sog. Bundesmodell

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu den Bewertungsregelungen des neuen Grundsteuerrechts entschieden und damit die Rechte der Grundstückseigentümer gestärkt (BFH, Beschluss vom 27. Mai 2024 – II B 78/23 und II B 79/23). Konkret soll den Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet werden, im Einzelfall einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden Grundstückswert nachzuweisen.

15.07.2024
Steuerberatung für Privatpersonen
Hintergrund

Nachdem das Bundesverfassungsgericht die bisherige Berechnungsmethode der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärte, wurde durch den Gesetzgeber Ende 2019 das Grundsteuer-Reformgesetz verabschiedet. Diese bundesgesetzliche Regelung zur Ermittlung des Grundsteuerwerts (sog. Bundesmodell) wurde von den Ländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen, Sachsen und Saarland übernommen.

Bereits Ende des vergangenen Jahres hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in zwei Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes zu den Bewertungsvorschriften im Bundesmodell entschieden und die Vollziehung der angegriffenen Grundsteuerwertbescheide wegen ernstlicher Zweifel sowohl an der einfachrechtlichen Rechtmäßigkeit der einzelnen Bescheide als auch an der Verfassungsmäßigkeit der zugrundeliegenden Bewertungsregeln ausgesetzt (Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 23. November 2023 – 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23). Dagegen legte das Finanzamt Beschwerde ein, woraufhin der BFH erstmalig zur neuen Grundsteuer nach dem Bundesmodell Stellung beziehen musste.

Sachverhalt

In den im Wesentlichen gleich gelagerten Streitfällen legten die Antragsteller dar, dass die umfangreichen gesetzlichen Typisierungen und Pauschalierungen im Rahmen der Grundsteuerwertfeststellung im konkreten Einzelfall zu einer erheblichen Überbewertung der betreffenden Grundstücke führen und stellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.

Beschluss und Begründung

Der BFH wies die Beschwerden des Finanzamtes mit nahezu inhaltsgleicher Begründung zurück und bestätigte die Aussetzung der Vollziehung.

Auch nach Auffassung des BFH bestehen bereits einfachrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide in Bezug auf die Höhe der festgestellten Grundsteuerwerte. Denn bei verfassungskonformer Auslegung der Bewertungsvorschriften müsse dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt werden, bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Dies gelte auch, wenn der Gesetzgeber einen solchen Nachweis nicht ausdrücklich geregelt habe. Trotz des Typisierungs- und Pauschalierungsspielraums des Gesetzgebers könne das Übermaßverbot verletzt sein, wenn sich der festgestellte Grundsteuerwert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweise. Dies setzt nach der bisherigen Rechtsprechung zu anderen typisierenden Bewertungsvorschriften voraus, dass der festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteige.

Einschätzung und Ausblick

Die vorliegenden Beschlüsse des BFH tragen dazu bei, die Rechte der Grundstückseigentümer zu stärken. Diese haben nun grundsätzlich die Möglichkeit, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen, soweit sich der festgestellte Grundsteuerwert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist. Eine abschließende Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des neuen Bewertungsrechts ist damit jedoch nicht verbunden. Denn anders als das Finanzgericht Rheinland-Pfalz ließ der BFH offen, ob die Aussetzung der Vollziehung auch aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken an den zugrundeliegenden Bewertungsvorschriften zu gewähren war. Mit Blick auf die Rechtsprechungsgrundsätze des BFH ist jedoch davon auszugehen, dass dem Einwand möglicher verfassungswidriger Überbewertungen durch eine solche verfassungskonforme Auslegung der Bewertungsvorschriften grundsätzlich der Boden entzogen ist. Insoweit lassen sich Parallelen zum Grundsteuergesetz des Landes Baden-Württemberg ziehen. Dieses begegnet nach Ansicht des Finanzgerichts keinen verfassungsrechtlichen Bedenken – insbesondere auch deshalb, weil der Landesgesetzgeber die Möglichkeit, im Einzelfall einen niedrigeren Verkehrswert nachzuweisen, bereits gesetzlich geregelt hat. Letztendlich bleibt bei beiden Bewertungsmodellen eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Wir halten Sie diesbezüglich auf dem Laufenden.

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