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Neue Anforderungen bei telefonischer Abwerbung von Mitarbeitern

Eine – kurze – erste telefonische Kontaktaufnahme zu einem Arbeitnehmer eines Mitbewerbers, um diesen abzuwerben, ist im Grundsatz zulässig, während telefonische Folgekontakte am Arbeitsplatz eine gezielte Behinderung des Mitbewerbers darstellen. Dies gilt auch, wenn die Kontaktaufnahme über das private Mobiltelefon des Arbeitnehmers geführt wird; es sei denn, der abwerbende Anrufer hat sich zu Beginn des Gesprächs auf Nachfrage vergewissert, dass sich der kontaktierte Mitarbeiter nicht bei der Arbeit befindet.

14.10.2019

Den Beschluss vom 8.8.2019 – 6 W 70/19 des OLG Frankfurt am Main finden Sie hier.

1. Der Fall

Die Parteien stritten um einen Unterlassungsanspruch wegen unlauterer telefonischer Mitarbeiterabwerbung. Antragstellerin und Antragsgegnerin sind beide bundesweit tätige Personaldienstleistungsunternehmen. Das abwerbende Unternehmen, die Antragsgegnerin, hatte mit einer Mitarbeiterin der Antragstellerin bereits E-Mails ausgetauscht; die Mitarbeiterin hatte dabei ihre private Handynummer angegeben. Die Antragsgegnerin rief dann auf dieser Nummer während der Arbeitszeit der Mitarbeiterin an, das Gespräch dauerte zwölf Minuten. Es erfolgten keine Nachfragen, ob sich die Angerufene am Arbeitsplatz befindet.

Hiergegen ging die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Verfügung vor.

2. Die Entscheidung

Das OLG Frankfurt am Main hat der Antragsgegnerin untersagt, Arbeitnehmer der Antragstellerin während ihrer Arbeitszeit unter ihrem privaten Mobilfunkanschluss mit dem Ziel anzusprechen, diese zur Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses mit der Antragstellerin und/oder dem Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit der Antragsgegnerin zu bewegen und das Gespräch fortzusetzen, ohne sich durch eine Nachfrage zu Beginn des Gesprächs zu vergewissern, dass der Mitarbeiter sich nicht an seinem Arbeitsplatz befindet; ausgenommen davon ist nur eine erstmalige telefonische Kontaktaufnahme von maximal zehn Minuten.

Das Abwerben von Mitarbeitern eines anderen Unternehmens ist als Teil des freien Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt, auch zwischen Mitarbeitern auf demselben Absatzmarkt. Ein Unternehmen kann aber durch Abwerbemaßnahmen gegenüber den eigenen Arbeitnehmern unzumutbar beeinträchtigt werden, wenn die Ungestörtheit der Betriebsabläufe beeinträchtigt wird.

Speziell telefonische Abwerbeversuche während der Arbeitszeit sind in diesem Kontext nur dann zulässig, wenn sie lediglich der ersten kurzen Kontaktaufnahme dienen. Dabei ist eine wenige Minuten (OLG Frankfurt am Main: zehn Minuten) überschreitende Gesprächsdauer ein Indiz dafür, dass der Anrufer bereits den ersten Kontakt in wettbewerbswidriger Weise, insbesondere zu einem unzulässigen Umwerben des Angerufenen, genutzt hat.

Folgekontakte am Arbeitsplatz sind jedenfalls wettbewerbsrechtlich unzulässig. Das grundrechtlich geschützte Recht des Arbeitgebers auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit würde unzumutbar beeinträchtigt, wenn er unbeschränkt dulden müsste, dass zum Zweck der Abwerbung der Arbeitsablauf in seinem Betrieb gestört wird. Durch den Anruf eines Personalberaters wird der angesprochene Mitarbeiter während der Arbeitszeit von seiner Tätigkeit für das Unternehmen abgehalten.

Dies gilt unabhängig davon, ob ein Abwerbeversuch am Arbeitsplatz mittels des privaten Mobiltelefons des Mitarbeiters und nicht mittels dessen dienstlichen Telefonanschlusses erfolgt.

Allerdings: Im Gegensatz zu einem Anruf auf einem aufgrund der Telefonnummer erkennbar betrieblichen Anschluss kann der Anrufer bei einer privaten Mobilnummer nicht im Vorhinein wissen, ob er den Arbeitnehmer am Arbeitsplatz erreicht und damit in die betriebliche Sphäre dessen Arbeitgebers eingreift. Ihm obliegt es daher, zu Beginn des Gesprächs nachzufragen, ob der Arbeitnehmer sich am Arbeitsplatz befindet. Diese kurze Nachfrageobliegenheit zu Beginn des Gesprächs belastet den Anrufer nicht über Gebühr und lässt sich zwanglos in eine höfliche Gesprächseröffnung integrieren. Gleichzeitig sind die Interessen des Arbeitgebers gewahrt, nicht in unzumutbarer Weise von gegen ihn gerichtete Maßnahmen durch Wettbewerber belästigt zu werden.

Im Streitfall hatte der Anrufer sich bei der kontaktierten Mitarbeiterin nicht erkundigt, ob sie sich am Arbeitsplatz befindet. Im Hinblick auf die Länge des Gesprächs von zwölf Minuten überschritt das Gespräch auch die zulässige Dauer eines Erstkontakts. Das Gericht musste daher nicht entscheiden, ob es sich angesichts der vorangegangenen E-Mail-Korrespondenz bei dem Telefonat überhaupt um ein Erstgespräch oder um ein Folgegespräch handelt.

3. Kontext der Entscheidung

 In Zeiten des Fachkräftemangels gewinnt auch die Abwerbung von Mitarbeitern bei Konkurrenten an Bedeutung. An welcher Stelle dem Kampf um qualifiziertes Personal Schranken gesetzt sind, ist sowohl für Personaler und Headhunter als auch für betroffene Unternehmen, die sich gegen unlautere Abwerbeversuche wehren möchten, entscheidend. Wettbewerbswidrige Abwerbeversuche von Mitarbeitern sind nach den §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 4, 8 UWG als gezielte Behinderung des Mitbewerbers verboten. Es drohen dann Unterlassungs- sowie Schadensersatzansprüche.

Mit der direkten Kontaktaufnahme über das private Mobiltelefon des Mitarbeiters beschäftigt sich nun diese Entscheidung des OLG Frankfurt am Main. Auch wenn die Kommunikation nicht über den dienstlichen Telefonanschluss des Wettbewerbers geführt wird, ist eine unlautere Beeinträchtigung seines Gewerbebetriebs bei Kontaktaufnahme während der Dienstzeit grundsätzlich anzunehmen.

4. Tipps für die Praxis

Entlasten kann sich der Abwerbende nur mit der Erfüllung der in dieser Entscheidung erstmals angesprochenen „Nachfragepflicht“:  Sichert der angesprochene Mitarbeiter dem Anrufer zu Beginn des Gesprächs zu, dass er sich nicht bei der Arbeit befindet, kann das Gespräch ohne zeitliche Begrenzung weitergeführt werden. Andernfalls darf es maximal zehn Minuten dauern, wenn es sich um eine erstmalige Kontaktaufnahme handelt. Handelt es sich hingegen um einen Folgekontakt, muss das Telefonat sofort beendet werden.

Hatten sich der Abwerbende und der Mitarbeiter bereits vorher auf anderem Wege über eine potentielle künftige Zusammenarbeit ausgetauscht, sollte vorsorglich davon ausgegangen werden, dass das Telefonat ein Folgegespräch darstellt – das OLG hat diese Frage ausdrücklich offengelassen.

Das Gericht hat keine Unterscheidung dahingehend getroffen, zu welcher Tageszeit oder an welchem Wochen(end)tag (oder Feiertag) die Kontaktaufnahme erfolgt. Daher empfiehlt sich eine entsprechende Nachfrage immer.

In einem nachfolgenden Rechtsstreit ist der abwerbende Anrufer bezüglich der stattgefundenen Nachfrage auf die Ehrlichkeit des Kontaktierten angewiesen. Nicht autorisierte Tonbandaufzeichnungen oder Aussagen „heimlicher“ Mithörer des Gesprächs sind vor Gericht nicht verwertbar und können eine Straftat darstellen.

Unternehmen, die von Abwerbeversuchen durch Wettbewerber betroffen sind, können sich angesichts der nunmehr tolerierten (durchaus langen) Gesprächsdauer für das privilegierte Erstgespräch von bis zu zehn Minuten nur schwer schützen. Die Anordnung eines generellen Verbotes außerdienstlicher Gespräche während der Arbeitszeit kann die Mitarbeiter zwar veranlassen, bei der Arbeit keine Recruitment-Gespräche mit anderen Unternehmen zu führen. Dieses Vorgehen entfaltet jedoch keine Wirkung im Verhältnis zum Wettbewerber. Zudem könnte eine solch absolute Maßnahme dem Betriebsfrieden abträglich sein.

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