Fachnews
Ehrenamtliche Bürgermeister/innen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern unterliegen nicht der Sozialversicherungspflicht

Am 20. April 2023 hat das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern in einem Rechtsstreit betreffend ehrenamtliche Bürgermeister/innen amtsangehöriger Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern festgestellt, dass deren Aufwandsentschädigungen nicht der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht unterliegen. Parallele Entscheidungen traf das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt am 10. Mai 2023 für die Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Bürgermeister/innen der Mitgliedsgemeinden von Verbandsgemeinden in Sachsen-Anhalt.

17.05.2023
Sozialrecht
1. Hintergrund

Um die Aufwandsentschädigungen der ehrenamtlichen Bürgermeister/innen gab es in der Vergangenheit viel Streit und etliche Gerichtsentscheidungen. Besonders verwirrend ist, dass in jedem Bundesland etwas anderes gelten kann.
So entschied das Bundessozialgericht (BSG) für die ehrenamtlichen Bürgermeister/innen einer verbandsangehörigen Gemeinde in Sachsen, dass die Aufwandsentschädigungen der Sozialversicherungspflicht unterliegen (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006, AZ: B 12 KR 11/05 R). Für die ehrenamtlichen Ortsvorsteher/innen in Sachsen gilt das hingegen nicht (BSG, Urteil vom 27. April 2021, AZ: B 12 KR 25/19 R).
In Sachsen-Anhalt unterliegt die Aufwandsentschädigung der ehrenamtlichen Bürgermeister/innen von Mitgliedsgemeinden der bis Ende 2013 bestehenden Verwaltungsgemeinschaften demgegenüber der Sozialversicherungspflicht (BSG, Urteil vom 27. April 2021, B 12 R 8/20 R). Anderes soll aber für die ehrenamtlichen Bürgermeister/innen von Mitgliedsgemeinden der Verbandsgemeinden gelten (LSG LSA, Urteil vom 10. Mai 2023, AZ: L 3 BA 11/21 u.a.; noch nicht veröffentlicht und nicht rechtskräftig).
Ehrenamtliche Bürgermeister/innen Amtsangehöriger Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern sind nach der Rechtsprechung wiederum nicht abhängig beschäftigt bei den jeweiligen Gemeinden (LSG M V, Urteile vom 23. Oktober 2019, AZ: L 7 R 105/16 und vom 20. April 2023, AZ: L 4 R 169/15; Letzteres noch nicht veröffentlicht und nicht rechtskräftig).

2. Die Entscheidungen

Die Gretchenfrage bei der Abgrenzung zwischen dem Bestehen und dem Nichtbestehen der Sozialversicherungspflicht war stets, ob und wenn ja, in welchem Umfang der/die ehrenamtliche Bürgermeister/in weisungsgebundene Verwaltungsaufgaben zu erledigen hat.
In den neueren Entscheidungen des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern und des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt ist festgestellt worden, dass die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben dem Amt bzw. der Verbandsgemeinde obliegen und die ehrenamtlich Tätigen deshalb nicht bei der jeweiligen Gemeinde abhängig beschäftigt sind.

3. Praxishinweise

Mit Spannung werden nun die schriftlichen Urteilsgründe der beiden Entscheidungen aus Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern erwartet. Beide Gerichte ließen jeweils die Revision nicht zu. Das bedeutet, die Gerichte hielten die streitigen Rechtsfragen für höchstrichterlich geklärt und die Deutsche Rentenversicherung muss die Zulassung des Rechtsmittels zunächst beim BSG beantragen. Es darf erwartet werden, dass der gesetzliche Rentenversicherungsträger diese Entscheidungen nicht rechtskräftig werden lässt und eine weitere Klärung durch das BSG bezogen auf die amtsangehörigen Gemeinden und der Mitgliedsgemeinden von Verbandsgemeinden anstrebt.
Gemeinden und Bürgermeistern/Bürgermeisterinnen, die bisher Sozialversicherungsbeiträge für ihre ehrenamtliche Tätigkeit gezahlt haben, ist zu empfehlen, auf Grundlage der beiden Entscheidungen bereits jetzt Rückforderungsansprüche geltend zu machen. Denn Rückforderungsansprüche unterliegen einer vierjährigen Verjährungsfrist beginnend mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie gezahlt worden sind.

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