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BGH: Verwertung eines Geschäftsanteils bei Ausschluss eines Gesellschafters im Fall fehlender Einlage

Der Gesellschafter einer GmbH kann aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, auch wenn er seine bereits fällig gestellte Einlage noch nicht vollständig erbracht hat. Es ist nicht erforderlich, dass zeitgleich mit dem Ausschluss des Gesellschafters ein Beschluss über die Verwertung seines Geschäftsanteils gefasst werden muss.

14.12.2020
1. Der Fall

Die Klägerin war Gesellschafterin der beklagten Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Das Stammkapital der Gesellschaft betrug zunächst EUR 26.000,00 und war in zwei Geschäftsanteile aufgeteilt. Die Klägerin hatte einen der Geschäftsanteile übernommen. In der Folge erhöhten die Gesellschafter das Stammkapital auf EUR 200.000,00 und bildeten zwei weitere Geschäftsanteile, von denen die Klägerin wiederum einen übernahm. Die Einlagen hierauf wurden jedoch im Sinne des § 7 Absatz 2 GmbHG nicht voll eingezahlt. Die Restforderungen auf die Einlageverpflichtungen sollten nach Aufforderung der Gesellschaft fällig werden.

Die Satzung der Gesellschaft sah vor, dass ein Gesellschafter durch Beschluss ausgeschlossen werden kann, wenn er mit der Einzahlung geschuldeter Einlagen in Verzug gerät und die Einlageverpflichtung trotz nochmaliger Zahlungsaufforderung und dem Hinweis auf die Ausschließungsmöglichkeit nicht erbringt.

Hinsichtlich der Abfindung von ausscheidenden Gesellschaftern war in der Satzung geregelt: Die verbleibenden Gesellschafter hatten die Möglichkeit, einen eingezogenen Geschäftsanteil gegen Übernahme der Abfindungslast zu übernehmen, vorausgesetzt eine Abfindungszahlung ist aus Gesellschaftsmitteln nicht möglich, ohne das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen anzugreifen. Für den Fall, dass ein Übernahmebeschluss nicht zustande kommt, sollte die Ausschließung unwirksam und die Gesellschaft aufgelöst werden.

Gegen den Beschluss der Gesellschafterversammlung, den Restbetrag auf die volle Einlage fällig zu stellen und durch den Geschäftsführer einzufordern, erhob die Klägerin ohne Erfolg Anfechtungsklage.

Nach erfolgloser Zahlungsaufforderung durch den Geschäftsführer wurde die Klägerin durch weiteren Beschluss der Gesellschafterversammlung ausgeschlossen, auch dagegen wehrte sich die Klägerin mit einer Anfechtungsklage.

2. Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich im Kern mit der Frage zu befassen, ob es einer Gleichzeitigkeit von Ausschließungsbeschluss und Verwertung des Geschäftsanteils bedarf.

Für den Fall der vollständig geleisteten Einlageverpflichtungen ist dies nach der Rechtsprechung des Senats bereits entschieden: Danach bedarf es keiner gleichzeitigen Beschlussfassung (Ausschluss des Gesellschafters und Verwertung des Geschäftsanteils). Ein rechtmäßiger Ausschließungsbeschluss habe zur Folge, dass der betroffene Gesellschafter seine Gesellschafterstellung verliere. Der Geschäftsanteil bleibe bestehen. Für die Wirksamkeit der Ausschließung komme es daher nicht darauf an, dass lediglich die Ausschließung beschlossen, nicht aber über das Schicksal des Anteils Beschluss gefasst worden ist.

Diese Auffassung übertrug der Senat nun auf den vorliegenden Fall der noch ausstehenden Einlageleistung: Einer gleichzeitigen Beschlussfassung über Ausschließung des Gesellschafters und Verwertung des Geschäftsanteils bedürfe es auch dann nicht, wenn die Einlage noch nicht vollständig erbracht wurde. Dies gelte jedenfalls, sofern die Einlageforderung bereits fällig gestellt wurde.

Die Begründung leitet der BGH aus den Grundsätzen der Kapitalaufbringung bei der GmbH ab (Gläubigerschutz): Nach § 19 Absatz 2 Satz 1 GmbHG dürfe ein Gesellschafter nicht von seiner Pflicht zur Leistung der Einlage befreit werden. Daraus ergebe sich das Verbot der Einziehung eines nicht vollständig eingezahlten Geschäftsanteils. Ist die Einlagenleistung also nicht vollständig erbracht, scheide die Möglichkeit der Einziehung des Geschäftsanteils aus.

Wurde die Einlage bereits fällig gestellt, hafte der betroffene Gesellschafter auch nach Ausschließung weiter für die Einlageforderung. Eine Verletzung des Grundsatzes der Kapitalaufbringung sei also ausgeschlossen, weil bis zur Beschlussfassung über die Verwertung des Geschäftsanteils ein Schuldner für die Einlageverpflichtung vorhanden wäre. Mithin verschlechtere sich der Schutz der Kapitalaufbringung bei fällig gestellten Einlageforderungen durch die Ausschließung nicht.

Der BGH stellte weiterhin fest, dass der Ausschluss der Klägerin unabhängig von der Zahlung einer Abfindung wirksam sei. Habe ein rechtmäßiger Ausschließungsbeschluss nach der Satzung zur Folge, dass ein Gesellschafter mit sofortiger Wirkung ausscheide, trete diese Wirkung unabhängig von der Zahlung einer dem Gesellschafter zustehenden Abfindung ein.

Letztlich verstoße der Beschluss zur Ausschließung der Klägerin auch nicht gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung. Danach dürfen Auszahlungen (wie etwa Abfindungen) an ausgeschiedene Gesellschafter nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen. Aufgrund des Wahlrechts der verbleibenden Gesellschafter hinsichtlich der Übernahme der Geschäftsanteile sei die Gefahr jedoch ausgeschlossen, dass die Gesellschaft bereits mit dem Ausschließungsbeschluss verpflichtet sei, eine Abfindungszahlung aus nicht freiem Vermögen zu leisten.

3. Anmerkungen und Praxishinweis

Der BGH stellt mit dieser Entscheidung konsequent fest, dass die Grundsätze der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung auch in Fällen der Ausschließung von Gesellschaftern Anspruch entfalten.

Offen bleibt allerdings, wie Fälle zu beurteilen sind, in denen die Einlageforderungen (noch) nicht fällig gestellt wurden. Offengelassen wird auch, ob die Abfindung des ausgeschlossenen Gesellschafters bereits in den Beschlüssen über den Ausschluss oder die Verwertung festgelegt sein muss.

In der Praxis stellt sich in Fällen der Ausschließung von Gesellschaftern stets die Frage nach der Eintragungsbedürftigkeit in das Transparenzregister.

Aufgrund der Trennung des Schicksals eines Geschäftsanteils und der Gesellschafterstellung eines ausgeschlossenen Gesellschafters kann es ratsam sein, nach der Wirksamkeit des Ausschlusses eine neue Gesellschafterliste einzureichen, die „inhaberlose“ Geschäftsanteile ausweist.

Um Zweifelsfälle hinsichtlich des Ausschlusses von Gesellschaftern und der Verwertung von Geschäftsanteilen von vornherein zu vermeiden, empfehlen sich diesbezüglich eindeutige gesellschaftsvertragliche Regelungen.

Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 4. August 2020, Az: II ZR 171/19 finden Sie hier.

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