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BFH widerspricht AEAO - bei Einzelermächtigung erfordert Zurechnung zum Zweckbetrieb keine Dienstaufgabe, Auswirkungen auch bei Nutzungsentgelten?

Mit Urteil vom 6. Juni 2019 (Az.: V R 39/17) hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass es für die Zurechnung von Behandlungsleistungen mit Abgabe von Zytostatika zum Zweckbetrieb eines Kran-kenhauses nicht erforderlich ist, dass die Behandlung von Patienten des Krankenhauses durch ei-nen ermächtigten Arzt als Dienstaufgabe erbracht wird. Damit wurde das Urteil der Vorinstanz (FG Münster, Urteil vom 17. August 2019, Az.: 10 K 2165/15 K) bestätigt.

07.10.2019

Mit diesem Urteil treten die Richter der von AEAO zu § 67 AO geforderten Voraussetzung für die Zurechnung zum Zweckbetrieb – Ausübung der Einzelermächtigung im Rahmen einer Dienstaufgabe – entgegen. Nach Ansicht der Finanzverwaltung zählen Leistungen, die der Arzt im Rahmen seiner Ermächtigung erbringt, nicht zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses, da der Arzt persönlich (und nicht wie bei einer Institutsermächtigung das Krankenhaus selbst) ermächtigt und verpflichtet sei. Damit können diese Leistungen auch nicht Teil des Krankenhaus-Zweckbetriebes sein. Erst über die Ausübung als Dienstaufgabe wird die Verbindung zum Zweckbetrieb des Krankenhauses hergestellt.

Dem widersprachen zunächst die Richter in Münster und wurden nunmehr in ihrer Auffassung vom BFH bestätigt. Bereits mit dem Zytostatika-Urteil aus dem Jahr 2013 (Urteil vom 31. Juli 2013, Az.: I R 82/12) hatte der BFH entschieden, dass der Zurechnungszusammenhang einer ambulanten Behandlung zum Zweckbetrieb Krankenhaus nicht durch eine persönliche Ermächtigung unterbrochen wird. Der ermächtigte Arzt erbringt seine Leistungen in den Einrichtungen des Krankenhauses und wird dabei als Krankenhausarzt tätig und eben gerade nicht als niedergelassener Arzt. Da für die Frage, welche Leistungen dem Zweckbetrieb Krankenhaus zugerechnet werden können, maßgeblich auf den sozialversicherungsrechtlichen Versorgungsauftrag abzustellen ist, ist es nicht erforderlich, dass die Leistung des ermächtigten Arztes im Rahmen einer nichtselbständigen Tätigkeit erbracht werden muss. Entscheidend ist, dass Krankenhäuser nach § 39 SGB V neben stationären Leistungen auch ambulante Leistungen erbringen dürfen, so dass durch die erteilte Einzelermächtigung vorliegend ein Versorgungsauftrag des Krankenhauses gegeben ist.

Der BFH schließt sich damit explizit nicht der im AEAO zu § 67 AO geforderten Voraussetzung an, dass die ambulante Behandlung auf Grund einer Einzelermächtigung im Rahmen einer Dienstaufgabe erbracht werden muss. Der Umstand, dass im Zytostatika-Urteil aus dem Jahr 2013 der Chefarzt die ambulanten Behandlungen im Rahmen seines Dienstverhältnisses erbracht hat, war ein im damaligen Streitfall zusätzlich vorliegendes Merkmal, nicht aber eine weitere notwendige Voraussetzung für die Zurechnung der Behandlungsleistungen zum Zweckbetrieb.

Praxishinweise

Bedeutung hat dieses Urteil im Wesentlichen für die älteren Chefarztdienstverträge, in denen die Ausübung einer Einzelermächtigung oft noch den Nebentätigkeiten zugeordnet ist. Auch in diesen Behandlungsfällen können nach dem nunmehr vorliegenden Urteil die ambulanten Medikamentenabgaben dem Zweckbetrieb zugeordnet werden. Das gilt auch für ambulante Behandlungen (einschließlich Medikamentenabgabe) privatversicherter Patienten, die von ermächtigten Ärzten erbracht werden. Die Verfügung der OFD Nordrhein-Westfalen vom 29. Juli 2015 ist unter Berücksichtigung des nunmehr vorliegenden Urteils nur noch eingeschränkt zutreffend.

Im Ergebnis sind damit nur noch solche Leistungen dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen, die in einer reinen Privatambulanz eines Arztes ohne sozialversicherungsrechtlichen Versorgungsauftrag in Nebentätigkeit erbracht werden.

Darüber hinaus dürfte dieses Urteil aber auch Bedeutung für die oft streitanfällige Besteuerung von Nutzungsentgelten haben. Denn wenn die Behandlungsleistungen zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses zählen und damit zum Krankenhauszweckbetrieb nach § 67 AO, muss dies auch für die zwischen Krankenhaus und ermächtigten Arzt geltende Aufteilung der Vergütung gelten. Unseres Erachtens verbleibt kein Raum, die vom Chefarzt gezahlten Nutzungsentgelte dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen, wenn die zu Grunde liegende Leistung bereits dem Zweckbetrieb zuzurechnen ist.

Damit würde sich der Anteil der im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu erfassenden Nutzungsentgelte noch einmal deutlich reduzieren und etwaige Gewinnschätzungen der Finanzämter in Rahmen der Betriebsprüfungen zu deutlich geringeren Auswirkungen führen.

Es bleibt nunmehr abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf dieses Urteil reagieren wird. Es zeigt aber wiederum deutlich, dass die von der Verwaltung geforderten Voraussetzungen für die Zurechnung zum Zweckbetrieb deutlich zu hoch sind und von der Rechtsprechung auf das erforderliche Maß zurückgesetzt wurden.

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Doreen Adam

Partnerin, Steuerberaterin, Fachberaterin für das Gesundheitswesen (DStV e. V.)

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