Der Gesetzgeber unternimmt mit dem JStG 2024 den dritten grundlegenden Reformversuch zur Steuerbefreiung im Bildungssektor, da die bisherigen Regelungen dem Unionsrecht widersprechen. Außerdem muss, wer Leistungen auch per Live-Stream digital anbietet, die neuen Vorschriften zum Leistungsort (neu: Sitz des B2C/B2B-Empfängers) und das BMF-Schreiben vom 29. April 2024 beachten.
Neuregelung
Ab 1. Januar 2025 gelten im Einzelnen folgende Änderungen:
- mehr befreite Leistungen: Befreit sind nunmehr Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung, sowie berufliche Umschulung. Ursprünglich sollten nur Fortbildungen steuerfrei sein, die von Einrichtungen ohne systematische Gewinnerzielung erbracht werden. Diese Einschränkung ist gestrichen worden; die Befreiung ist daher grundsätzlich für alle Unternehmer möglich. Die Merkmale „Vorbereitung auf einen Beruf“ oder „eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung“ spielen künftig keine Rolle mehr.
- Bescheinigungsverfahren: Anders als ursprünglich vorgesehen bleibt auch das Bescheinigungsverfahren erhalten. Die zuständige Landesbehörde muss nunmehr bescheinigen, dass die Einrichtungen „Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen“. Die bisher erteilten Bescheinigungen sollen, obwohl sie naturgemäß nur Bezug auf den alten Gesetzeswortlaut nehmen, weiter gelten.
- Privatlehrer: Gemäß § 4 Nr. 21 bst. c UStG ist der Schul- und Hochschulunterricht, der von Privatlehrern erteilt wird, umsatzsteuerfrei. Hierunter fallen nur natürliche Personen. Privatlehrer kann nur sein, wer selbst Träger der Bildungsmaßnahme ist (z. B. Nachhilfe unmittelbar gegenüber dem Kunden), nicht hingegen Subunternehmer. Für Subunternehmer gilt § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG unverändert fort, sodass die unterrichtende Einrichtung eine Bescheinigung benötigt.
- Öffentliche Einrichtungen: Umfasst werden staatliche Hochschulen gemäß § 1 HRG, sowie in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betriebene allgemeinbildende oder berufsbildende Schulen (§ 4 Nr. 21 Buchst. a UStG).
- Anwendungsvorrang: Gemäß § 4 Nr. 21 S. 2 UStG sind Bildungsleistungen, welche Eingliederungsleistungen i. S. d. SGB II, Leistungen der Arbeitsförderung i. S. d. SGB III sowie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben i. S. d. SGB IX darstellen, nur unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 15b und 15c UStG umsatzsteuerfrei.
Besonderheiten bei Online-Veranstaltungen – BMF-Schreiben vom 29. April 2024
Gemäß des BMF-Schreibens vom 29. April 2024 sind vorproduzierte Lerninhalte wie Video-Kurse, Lernplattformen, etc. von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG nicht umfasst. Dies gilt auch für aufgezeichnete Live-Veranstaltungen.
Unabhängig von der Steuerbefreiung müssen bei Online-Angeboten die Neuregelungen zum Leistungsort beachtet werden. Für virtuelle B2C- und B2B-Leistungen (z. B. Übertragung per Streaming oder Download) befindet sich der Leistungsort nunmehr am (Wohn-) Sitz des Empfängers (§ 3 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 5 UStG). Bisher galt für diese Leistungen der Unternehmens- bzw. Veranstaltungsort.
Folgen
Des einen Freud, des anderen Leid. Das grundsätzlich mehr Leistungen unter die Steuerfreiheit fallen sollen, ist vor dem Hintergrund, „Bildung“ grundsätzlich günstig für alle anbieten zu können, zu begrüßen. Die Steuerfreiheit für Bildungsanbieter ist jedoch nicht immer von Vorteil, weil sie dann aus steuerpflichtigen Eingangsleistungen keine Vorsteuer abziehen können.
Leider bleibt auch das Bescheinigungsverfahren bestehen. Die Bescheinigung kann auch von Dritten (z. B. Finanzamt) beantragt werden. Die Steuerbefreiung ist und bleibt damit weiterhin kein Wahlrecht. Liegen die Voraussetzungen vor, muss die Landesbehörde bescheinigen.
Bildungsanbieter, insbesondere von digitalen Angeboten, müssen hier ggf. ihre Besteuerungsregelungen anpassen. Durch die neuen Ortsregelungen im Online-Bildungsbereich müssen für ausländische Kunden neue Prozesse zur Ansässigkeitsprüfung eingerichtet und ggf. Umsatzsteuer im Ausland gezahlt werden. Auch inländische Umsätze können durch das BMF-Schreiben umsatzsteuerpflichtig sein, sofern es sich um auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen handelt.