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BGH: Haftung der Geschäftsführung wegen sittenwidriger Schädigung bei Insolvenzverschleppung

Der Bundesgerichtshof bestätigt, dass im Falle einer Insolvenzverschleppung nicht nur die Haftung des Geschäftsführers nach §§ 15a, 15b InsO, sondern auch eine Haftung wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 27. Juli 2021, AZ II ZR 164/20).

02.12.2021

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes finden Sie hier.

Der Entscheidung lag folgende Fallgestaltung zugrunde:

Der spätere Kläger beauftragte eine GmbH mit Fassadenarbeiten und zahlte einen Betrag in Höhe von EUR 13.000,00 an. Da die Arbeiten nicht vollständig und nicht mängelfrei erbracht wurden, kündigte der Kläger den Vertrag 1 ½ Jahre später, forderte den Großteil der Anzahlung zurück und verlangte die Mängelbeseitigung. In der Zwischenzeit war die GmbH insolvent geworden. Der Geschäftsführer setzte den Betrieb der GmbH aber gleichwohl fort. Daraufhin beantragte der Kläger ein selbstständiges Beweisverfahren gegen die GmbH. Das angerufene Landgericht ordnete am 16. November 2016 eine sachverständige Begutachtung an. Am 14. Dezember 2016 stellte der Geschäftsführer einen Insolvenzantrag für die GmbH. Die Insolvenzeröffnung erfolgte am 21. März 2017. Später wurde das Gutachten erstellt und die Kosten dem Kläger in Rechnung gestellt. Der Insolvenzverwalter erklärte, dass er die Kosten des Gutachtens aus der Insolvenzmasse nicht erstatten/begleichen könne. Der Kläger verlangte nun die Erstattung dieser Kosten vom Geschäftsführer der GmbH.

Der BGH gab dem Kläger Recht und verwies darauf, dass der Kläger die Erstattung dieser Kosten unter dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen Schädigung verlangen kann. Der Geschäftsführer hafte gemäß § 826 BGB, da er vorsätzlich die Insolvenz in der Absicht verschleppt habe, das als unabwendbar erkannt Ende der Gesellschaft so lange wie möglich hinaus zu zögern. Er habe die Schädigung der Unternehmensgläubiger dabei billigend in Kauf genommen. Der Täter müsse dazu nicht wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden, es reiche aus, wenn er erkennt, dass sein Verhalten für andere Personen schädigende Wirkung haben kann und er damit eine bestimmte Art von Schaden billigend in Kauf genommen hat. Ein solches schädigendes Verhalten könne auch schon in der Betriebsfortführung liegen, wenn eine vollständige Befriedigung der neuen Vertragspartner nicht mehr zu erwarten ist. Zudem könnten auch Vertragspartner geschädigt werden, die zwar schon vor der Krise Vertragspartner des späteren Insolvenzschuldners waren, nach der Krise aber kostenträchtige Maßnahmen ergriffen, die sich angesichts der Insolvenz der Unternehmung nachträglich aber als wirtschaftlich unsinnig herausstellen. Zur weiteren Begründung stützt sich der BGH auf die Tatsache, dass die GmbH bereits am 1. Dezember 2015 insolvent war. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass der Geschäftsführer das Vorliegen des Insolvenzgrunds erkannt hatte, habe der Geschäftsführer es billigend in Kauf genommen, dass der Kläger im vorliegenden Fall ein kostenträchtiges „selbstständiges Beweisverfahren“ einleitet.

Die Sittenwidrigkeit der Insolvenzverschleppung folge hier bereits aus dem vorsätzlichen Verstoß des antragspflichtigen Geschäftsführers gegen seine Pflicht aus § 15a InsO. Denn wenn der Geschäftsführer die Insolvenzreife des Unternehmens erkennt und es gleichwohl weiterführt, lasse dies den Schluss zu, dass er das unausweichliche Ende des Unternehmens zum Nachteil der Gläubiger hinauszögern will. Etwas anderes könne allenfalls dann angenommen werden, wenn der Geschäftsführer meinte, die Krise noch überwinden zu können, und damit eine Weiterführung des Betriebs als berechtigt ansehen durfte.

Der Geschäftsführer habe daher dem Kläger den Schaden zu ersetzen, den dieser erlitt, da er ein angesichts der Insolvenz der Unternehmung sinnloses selbstständiges Beweisverfahren betrieb.

Mit dieser Entscheidung hat der BGH nochmals recht deutlich herausgestellt, dass derjenige, der verpflichtet ist, einen (richtigen und rechtszeitigen) Insolvenzantrag zu stellen, im Fall der Pflichtverletzung umfangreich persönlich zur Kasse gebeten werden kann. Hier sind nicht nur die persönlichen Haftungen/Strafbarkeiten aus §§ 15 a und 15 b InsO zu beachten, sondern auch der § 826 BGB. Die Haftung aus § 826 BGB kann dabei noch weitergehen, als die Haftung aus §§ 15a, 823 Abs. 2 BGB, da im Fall des § 826 BGB eben nicht auf die bestehende Vertragsbeziehung zum Insolvenzschuldner abgestellt, die Haftung vielmehr auch auf Dritte bezogen wird (zur Ersatzpflicht der Arbeitsverwaltung siehe z.B. BGH NJW 1989 S. 3277; BGH NZI 2010 S. 74). Andererseits werden auch strengere Anforderungen an die Haftung aus § 826 BGB angelegt, denn es wird gefordert, dass das unabwendbare Ende des Unternehmens nur weiter hinausgezögert wird.

Für die Praxis ergeben sich an dieser Stelle Risiken für krisenanfällige Unternehmen, denn in vielen Fällen wird nicht klar sein, ob das Ende der Unternehmung zu einem bestimmten Zeitpunkt unabwendbar ist – häufig wird zumindest lediglich subjektiv noch eine Sanierungsmöglichkeit gesehen. Das reine Vertrauen auf die Sanierungsbemühungen kann den Antragspflichtigen aber nicht von einer Haftung gemäß § 826 BGB befreien, den regelmäßig muss der Antragspflichtige sich vom Vorwurf der Sittenwidrigkeit entlasten, was ohne das Vorhandensein eines vertrauenswürdigen Sanierungskonzepts nicht möglich ist (dazu BGH NZI 2008 S. 243). Für den Fall der Fälle ist daher anzuraten, sich durch fachkundige Dritte ein „vertrauenswürdiges“ Sanierungskonzept erstellen bzw. bestätigen zu lassen, um damit einer späteren Haftung gemäß § 826 BGB zu entgehen.

Bei Fragen in diesem Zusammenhang sprechen Sie uns an, wir helfen Ihnen gern weiter.

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Prof. Dr. Ulf Gundlach
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