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Beschränkung des Abfindungsanspruchs bei einer gemeinnützigen GmbH

Beschränkende Abfindungsklauseln im Falle des Ausscheidens eines (insolventen) Gesellschafters in Satzungen von gGmbHs (Selbstlosigkeitsgebot, § 55 Abs. 1 Nr. 2 AO) gelten auch explizit im Falle der Insolvenz des betroffenen Gesellschafters und damit ebenso für einen Insolvenzverwalter. Das Oberlandesgericht Hamm sorgt mit dem ersten obergerichtlichen Urteil zu diesem Gegenstand für Rechtssicherheit bei gGmbHs und betont zugleich den Gestaltungsspielraum bei GmbH-Satzungen.

06.03.2023
Gesellschaftsrecht
1. Der zugrundeliegende Sachverhalt

Über das Vermögen einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH 1) wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Die gGmbH war Gesellschafterin einer anderen, ebenfalls gemeinnützigen GmbH (gGmbH 2), und an dieser mit einer Stammeinlage von EUR 1.000,00 beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag der gGmbH 2 enthielt folgenden Regelungen:

  • „Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung.“
  • „Die Geschäftsanteile können von der Gesellschaft dann eingezogen werden, wenn hinsichtlich des Vermögens eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet wird“.
  • „Scheidet ein Gesellschafter durch Kündigung, Einziehung oder durch eine die Einziehung ersetzende Übertragung an einen Dritten aus der Gesellschaft aus, steht ihm eine Abfindung zu. Die Abfindung berechnet sich nach dem Nennwert des Anteils des ausscheidenden Gesellschafters.“

Infolge der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der gGmbH 1 wurde bei der gGmbH 2 eine Gesellschafterversammlung einberufen. Auf dieser schlossen die Gesellschafter die Insolvenzschuldnerin (gGmbH 1) aus der Gesellschaft aus und bestimmten das Abfindungsguthaben auf den Nennwert ihrer Stammeinlage von EUR 1.000,00. Dieser Betrag wurde dem Konto der Insolvenzmasse gutgeschrieben.

Der Insolvenzverwalter der gGmbH 1 hielt diese Zahlung für unzureichend und verwies darauf, dass die Klausel des Gesellschaftsvertrages der gGmbH 2 unwirksam sei. Es sei eine nach dem Verkehrswert ausgerichtete Abfindung – die betragsmäßig wesentlich höher sei und mindestens EUR 21.000,00 betrage – zu zahlen. Er argumentierte, dass das Interesse an einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung den Zweck des Abfindungsanspruchs überlagere. Aufgrund der großen Differenz zwischen Nennwert und Verkehrswert des Geschäftsanteils sei die Regelung darüber hinaus auch sittenwidrig i. S. d. § 138 BGB, respektive sei es der gGmbH 2 gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die Regelung zu berufen.

Das Zahlungsverlangen des Insolvenzverwalters der gGmbH 1 wurde von der gGmbH 2 gleichwohl abgelehnt, woraufhin der Insolvenzverwalter Klage erhob.

2. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschied gegen den Insolvenzverwalter (OLG Hamm, Urteil vom 13. März 2022, AZ: 8 U112/21).

Es verwies zunächst darauf, dass der Insolvenzschuldnerin, gGmbH 1, zwar grundsätzlich ein Abfindungsanspruch aus § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB analog zustehe. Der Anspruch auf Abfindung entstehe, wenn sämtliche Voraussetzungen wirksamer Einziehung vorliegen, also ein Einziehungsbeschluss der Gesellschafterversammlung gefasst und das Ergebnis dieser Beschlussfassung dem betroffenen Gesellschafter – sofern er nicht in der Versammlung anwesend oder vertreten war – mitgeteilt wurde.

Diese Voraussetzungen für die Zahlung einer Abfindung seien hier erfüllt. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die Insolvenzschuldnerin als Gesellschafterin der Beklagten ausgeschlossen und ihr Geschäftsanteil eingezogen worden ist. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten enthalte die nach § 34 Abs. 1 und 2 GmbHG erforderliche Ermächtigung hierfür. Der Gesellschafterbeschluss sei bestandskräftig und damit wirksam.

Der Abfindungsanspruch der Insolvenzschuldnerin sei jedoch durch Erfüllung erloschen, § 362 Abs. 1 BGB. Denn der Insolvenzschuldnerin steht aufgrund der wirksamen Regelungen im Gesellschaftsvertrag nur eine Abfindung in Höhe des Nennwerts des Anteils, hier also in Höhe von EUR 1.000,00, zu. Dieser Betrag sei vorgerichtlich gezahlt worden.

Die Regelung über die Beschränkung der Abfindung auf den Nennbetrag im Fall der Einziehung sei auch wirksam. Insbesondere sei die Klausel nicht wegen eines großen Abstandes zwischen dem Nennwert und dem Verkehrswert und der damit einhergehenden unbilligen Benachteiligung der Insolvenzschuldnerin bzw. ihrer Gläubiger sittenwidrig, § 138 Abs. 1 BGB. Vielmehr seien gesellschaftsvertragliche Beschränkungen des Abfindungsrechts eines GmbH-Gesellschafters aufgrund der Satzungsautonomie grundsätzlich zulässig. Sie unterliegen nur den Grenzen der Vorschrift des § 138 BGB.

Die Begrenzung des § 138 BGB greife jedoch nur ein, wenn die Klausel bereits bei ihrer Vereinbarung grob unbillig war. Hierzu habe der Insolvenzverwalter, der sich in erster Linie auf das derzeitige Missverhältnis beziehe, nicht ausreichend vorgetragen.

Im vorliegenden Fall käme hinzu, dass die Beschränkung des Abfindungsanspruchs auf den Nominalbetrag der Einlage nicht nur ausnahmsweise zulässig, sondern aufgrund der Vorgaben des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts der Abgabenordnung rechtlich geboten sei. Die gGmbH 2 sei eine gemeinnützige GmbH, die steuerbegünstigte Zwecke i. S. d. §§ 55 ff. AO verfolgt, sodass die von dem Kläger beanstandete Satzungsgestaltung für sie zwingend vorgeschrieben ist. Es müsse nämlich sichergestellt sein, dass die Gesellschafter keine Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft erhalten; das Vermögen der Beklagten dürfe selbst im Fall ihrer Auflösung nicht den Gesellschaftern zufließen, sondern ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke verwendet werden. Mitglieder dürften daher auch bei ihrem Ausscheiden aus der Körperschaft oder bei Auflösung der Körperschaft nicht mehr als die eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert ihrer Sacheinlagen zurückerhalten, § 55 Abs. 1 Nr. 2 AO. Die Vorschrift dehne das allgemeine Gewinnausschüttungsverbot des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 AO auf die Liquidation der Körperschaft und das Ausscheiden eines Mitglieds aus.

Das OLG Hamm trat der Argumentation des Insolvenzverwalters entgegen, dass die Gläubigerbefriedigung den Zweck der Beschränkung des Abfindungsanspruchs überlagere. Diese Argumentation sei mit der weitreichenden Satzungsautonomie, die prägendes Merkmal des GmbH-Gesetzes sei, nicht zu vereinbaren. Soweit ausdrückliche gesetzliche Verbote nicht vorhanden sind, bedürfe die Einschränkung der Vertragsfreiheit einer besonderen Rechtfertigung, die möglichst in Anlehnung an anerkannte bindende Rechtssätze zu erfolgen habe und anhand der konkret beeinträchtigten Rechtspositionen der betroffenen Gläubiger und Gesellschafter zu begründen sei. Eine Einschränkung der Satzungsautonomie sei vorliegend nicht gerechtfertigt. Zwar seien Satzungsbestimmungen über Entschädigungsregelungen unwirksam, die auf eine Gläubigerbenachteiligung abzielen. Diese Sondersituation sei hier aber nicht gegeben.

Für die Frage, ob die Satzung einer GmbH für den Fall der Pfändung (oder der Insolvenz) die Einziehung eines Geschäftsanteils gegen ein Entgelt, das nicht dem vollen Verkehrswert entspricht, zulassen kann, sei zunächst davon auszugehen, dass die Pfändung oder der Insolvenzbeschlag den Pfandgegenstand mit dem Inhalt erfasst, den er in der Hand des Schuldners selbst hat. Ein Pfändungs- oder Insolvenzgläubiger muss daher Einschränkungen oder Belastungen, denen der Schuldner in seiner durch den Pfand- oder Massegegenstand vermittelten vermögensrechtlichen Stellung unterliegt, grundsätzlich auch gegen sich gelten lassen. Dies sei die Auswirkung einer für alle Gesellschafter geltenden gemeinsamen Vertragsordnung, die für den einzelnen Gesellschafter – und damit auch für den Pfandgläubiger – Inhalt und Grenzen seiner Rechtsstellung bestimmt. Die Begründung des Einziehungsrechts in der Satzung lasse den Geschäftsanteil mithin von vornherein nur mit dieser Belastung entstehen. Gleiches gelte für den Fall, dass die Insolvenzgläubiger eines Gesellschafters sich nach der Satzungsbestimmung von vornherein mit einem niedrigeren Betrag begnügen müssen als der Gesellschafter im Fall seines Ausscheidens. Im Ergebnis könne auch die Sondersituation der Insolvenz vorliegend kein anderes Ergebnis tragen.

3. Praxishinweise

Das Urteil hat eben jene Satzungsregelungen zum Gegenstand, die gemäß den Vorgaben der steuerlichen Mustersatzung der Anlage 1 zu § 60 AO bei gemeinnützigen Kapitalgesellschaften zwingend aufzunehmen sind und damit Regelungsgegenstand jeder GmbH-Satzung sein müssen. Damit ist das erste obergerichtliche Urteil zu diesem Gegenstand von besonderer praktischer Bedeutung.

  • „Die Gesellschafter dürfen keine Gewinnanteile und auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft erhalten.“
  • „Sie erhalten bei ihrem Ausscheiden oder bei Auflösung der Körperschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert ihrer geleisteten Sacheinlagen zurück.“

Das OLG Hamm hat klargestellt, dass diese Klauseln auch im Falle der Insolvenz wirksam sind und keine unangemessene Benachteiligung von Gläubigern darstellen. Vielmehr respektiert die gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung, was der Gesetzgeber steuerrechtlich privilegiert. Bei der konkreten Satzungsgestaltung muss darauf geachtet werden, das Ausscheiden von Gesellschaftern einheitlich zu behandeln; anderenfalls steht die rechtliche Anerkennung in Frage.

Das Urteil des OLG Hamm finden Sie hier: OLG Hamm, Urteil vom 13.04.2022 – 8 U 112/21.

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