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BGH klärt Grundsätze zur Haftung von Unternehmen für ihre Organe

Der BGH bejaht die Haftung einer Gesellschaft für Täuschungshandlungen eines Organs, obwohl der Geschädigte nur mit einer anderen Gesellschaft in Kontakt stand – maßgeblich war, dass die handelnde Person beiden Gesellschaften als Organ angehörte.

21.05.2025
Insolvenzrecht

I. Gegenstand der Entscheidung

Die Entscheidung betrifft den Infinus-Skandal und behandelt die Frage, ob Unternehmen innerhalb eines betrügerischen Schneeballsystems für unerlaubte Handlungen der Organe jeweils anderer Unternehmen haftbar sind.

Der Vorstandsvorsitzende der insolventen Prosavus AG, hatte seit etwa Mitte der 2000er Jahre zusammen mit anderen Personen einen Finanzdienstleistungskonzern betrieben. Er war zugleich Organ verschiedener Gesellschaften der Unternehmensgruppe. Deren zentrale Gesellschaft war die Future Business KGaA, deren Geschäftsmodell im Ankauf und in der Weiterführung von bereits bestehenden Lebensversicherungspolicen bestand. Zur Finanzierung gab sie Orderschuldverschreibungen aus, die über verbundene Unternehmen vertrieben wurden.

Bereits Ende 2007 stellte die Future Business KGaA ihr Kerngeschäft ein. Fortan konnten die den Anlegern versprochenen Zinszahlungen nur noch durch neue Anlegergelder gedeckt werden – ein klassisches Schneeballsystem. Um weiterhin Anleger zu gewinnen, wurden künstliche Gewinne ausgewiesen – durch sog. Eigenverträge, also interne Geschäftsvorgänge ohne reale Wertschöpfung.

Die Orderschuldverschreibungen wurden über ein Vertriebsnetz aus gutgläubigen Vermittlern angeboten. In den Prospekten und Geschäftsberichten wurden hohe Gewinne ausgewiesen, obwohl das eigentliche Geschäftsmodell längst nicht mehr betrieben wurde. Die Anleger gingen aufgrund der Beratung davon aus, dass die Future Business KGaA in der Lage sei, die Anlagebeträge nebst Zinsen zu erwirtschaften und zurückzuzahlen. Spätestens 2009 erkannte der Vorstandsvorsitzende der Prosavus AG die fehlende Tragfähigkeit des Geschäftsmodell sowie die Irreführung der Anleger.

Der Kläger war Anleger bei der Future Business KGaA und verlangte nun vom beklagten Insolvenzverwalter der Prosavus AG die Feststellung einer Schadensersatzforderung zur Insolvenztabelle, weil sich die Prosavus AG mit Wissen und Wollen ihres Vorstandes aktiv am Betrug beteiligt habe. Die Täuschung der Future Business KGaA sei ohne diesen Beitrag nicht möglich oder zumindest erheblich erleichtert worden.

Während das Landgericht die Klage abwies, gab das Berufungsgericht dem Kläger recht. Die Revision des Insolvenzverwalters blieb erfolgslos.

II. Die Entscheidung des BGH

Der BGH entschied mit Urteil vom 06.03.2025 – III ZR 137/24 –, dass die Prosavus AG neben den anderen Gesellschaften der Gruppe, für den entstandenen Schaden des Klägers gesamtschuldnerisch haftet (§ 840 Abs. 1 BGB). Das Verhalten des Vorstandsvorsitzenden erfülle den Tatbestand des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs (§ 263 Abs. 1 und 5 StGB) sowie des Kapitalanlagebetrugs (§ 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Die Tatbestandsverwirklichung wurde in mittelbarer (Mit-)Täterschaft begangen – die unmittelbare Kommunikation mit den Anlegern erfolgte durch nichtsahnende Vermittler.

Die Prosavus AG hafte über § 31 BGB, da der Vorstand in „amtlicher“ Eigenschaft gehandelt habe. Dabei sei es irrelevant, ob der Vorstand direkten Kontakt zu den Geschädigten hatte. Maßgeblich sei allein das schädigende Verhalten innerhalb der ihm zugewiesenen Aufgaben.

Sind Organe mehrerer juristischer Personen identisch besetzt, kann jede Gesellschaft haften, wenn das Organ in unterschiedlichen Funktionen beiträgt – selbst wenn kein direkter Kontakt zu den Anlegern besteht.

Der BGH bekräftigte außerdem, dass der Schaden eines Anlegers bereits mit der Anlageentscheidung entsteht – unabhängig davon, ob die Anlage gänzlich wertlos ist oder nur teilweise hinter der versprochenen Werthaltigkeit zurückbleibt.

Im Ergebnis bestätigte der BGH den Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Prosavus AG und somit den Anspruch auf Feststellung zur Insolvenztabelle.

III. Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung verdeutlicht, dass Unternehmen auch dann haftbar gemacht werden können, wenn sie nicht unmittelbar mit den Geschädigten interagieren –maßgeblich ist das Verhalten des Organs innerhalb seines Aufgabenbereichs.

Unternehmen sollten daher ihre Compliance-Strukturen überprüfen, ihre Organe sorgfältig auswählen, regelmäßig kontrollieren und interne Kontrollmechanismen stärken, insbesondere bei komplexen Geschäftsmodellen mit mehreren verbundenen Gesellschaften.

Für Geschädigte eröffnet das Urteil neue Chancen, ihre Forderungen auch gegen weitere beteiligte Konzerngesellschaften geltend zu machen – und so ihre Insolvenzquote zu verbessern.

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