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Umgang mit Fördermitteln bei durch Corona bedingtem Ausfall von Veranstaltungen

Nichts geht mehr im Veranstaltungsbereich. Seit Mitte März bis hinein in den Juni sind Kongresse, Bildungs- und Kulturveranstaltungen abgesagt worden. Und schon stellen sich Fragen: Wie gehen Förderer und Geförderte mit ausgefallenen Terminen um? Vor allem, wer trägt entstandene Kosten? Dürfen sich Förderer solidarisch zeigen und z. B. Kulturschaffende bzw. Kulturinstitutionen in dieser besonders schwierigen Zeit unterstützen? Was ist für Zusagen kommender Termine zu beachten?

09.04.2020

1. Aktiv werden! Förderzusagen/ausgezahlte Mittel nicht einfach „stehen lassen“

Kann ein Projekt/Veranstaltung nicht wie vereinbart durchgeführt werden, sollte der Geförderte dem Förderer dies anzeigen. Er muss es anzeigen, soweit er schon Mittel erhalten hat. Auch Förderer sind angehalten, entsprechende Abfragen bei ihren Förderpartnern zu veranlassen, um selbst Planungssicherheit zu bekommen. Befassen sich Förderkörperschaften trotz Kenntnis der Absagen nicht mit der konkreten Verwendung oder dem Verbleib bereits ausgezahlter oder noch auszuzahlenden Mittel, droht ihnen eine Mittelfehlverwendung – in Form des Verstoßes gegen einen Verwendungsbeschluss, die Satzung oder gar die Vorgaben des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts (Abgabenordnung (AO)).

Der nachvollziehbare soziale Impuls der Solidarität des Förderers mit dem Geförderten und das Belassen ausgezahlter Mittel bei diesem entsprechen häufig nicht den konkreten Zwecken der Förderkörperschaft.

Die Zuwendung zur Durchführung einer Veranstaltung/eines Projektes stellt auf ein konkretes Ziel ab (unmittelbare Erfüllung gemeinnütziger Zwecke). Die Zuwendung an einen Veranstalter als Institution gilt der Unterstützung der Institution als solcher (sog. institutionelle Förderung). Gefördert wird die gesamte Tätigkeit der Institution mit allen ihren Zwecken und Zielen. Eine solche Unterstützung ist in vielen Satzungen ausgeschlossen.

Weichen die Zwecke der Förder- und der Empfängerkörperschaft voneinander ab, kann je nach Höhe der Mittelzuwendung auch eine steuerliche Problematik hinzutreten. Für die Mittelweiterleitung von Förderkörperschaften wird eine Zwecksymmetrie von Förderer und Empfänger verlangt (§ 58 Nr. 1 AO). Überlässt man im Fall von coronabedingten Absagen konkret gewidmete Projektmittel der Institution als solcher, kämen diese Mittel ihren gesamten Aktivitäten (Zwecken) gleichermaßen zugute. Auch für eine institutionelle Förderung ist daher eine gesonderte, konkretisierende Vereinbarung mit dem Geförderten erforderlich, die beim Stehenlassen von Projektmitteln fehlt.

In besonderem Maße an die Vorgaben der Satzung gebunden sind Förderstiftungen:

Die Handlungsspielräume von Stiftungen sind für explizite Corona-Hilfen (abweichend von Satzungszwecken) ähnlich begrenzt wie zur Zeit der Flüchtlingskrise 2015. Während seinerzeit gemeinnützige Akteure in anderen Rechtsformen (gemeinnütziger Verein, GmbH) Geflüchteten bzw. Hilfsorganisationen umfassende (finanzielle) Unterstützung gewähren durften, bleiben gemeinnützige Stiftungen an ihren Stifterwillen gebunden. Ihnen fehlt ein Satzungsgestaltungsorgan (wie Mitglieder- oder Gesellschafterversammlung), das auch über Satzungsabweichungen, etwa aus humanitären Gründen, punktuell und temporär „frei“ entscheiden kann. Nur der Gesetzgeber könnte für Katastrophenfälle eine Durchbrechung des übermächtigen Stifterwillens anordnen, etwa gekoppelt an Vorgaben von BMF-Schreiben zu steuerlichen Ausnahmen (Aufhebung der Zweckbindung des Gemeinnützigkeitsrechts). Am 9. April hat das Bundesfinanzministerium dazu ein weiteres BMF-Schreiben veröffentlicht. Mit den darin genannten Maßnahmen soll das gesamtgesellschaftliche Engagement bei der Hilfe der von der Corona-Krise Betroffenen gefördert werden, u. a. durch Vereinfachungen beim Spendenabzug sowie mit mehreren Erleichterungen für gemeinnützige Körperschaften. Unseren Newsbeitrag dazu finden Sie hier.

2. Umgang mit entstandenen Kosten

Muss die Veranstaltung ganz entfallen, sind Kosten, die in Vorbereitung der Veranstaltung bereits angefallen sind, in aller Regel vom Förderer über die Fördermittelzusage mitzutragen. Bei diesen Kosten handelt es sich um sog. Projektkosten, die auf beiden Seiten (Förderer/Geförderter) der Zweckerfüllung zuzuordnen sind (ideeller Bereich/ Zweckbetrieb). Unter mehreren Förderern ist zu klären, wie sich Kosten jeweils verteilen, z. B. ob Kosten einem unter ihnen vorrangig oder ganz zuzuordnen sind.

Ein danach nicht verbrauchter Restbetrag kann der einzelne Förderer zurückfordern (Unmöglichkeit der „Leistung“: Veranstaltung/Freiwerden von einer „Gegenleistung“: finanzielle Förderung) oder umwidmen.

3. Umwidmung von Mitteln

Soll ein Fördermittelempfänger zugesagte Mittel nun für andere gemeinnützige Projekte oder gar als Institution behalten dürfen, müssen noch nicht verbrauchte Mittel umgewidmet werden. Für den Förderer bedeutet dies, den früher gefassten Mittelverwendungs­beschluss durch einen erneuten Beschluss zu ändern. Dies kann nur in engem Zusammenwirken mit dem Geförderten geschehen. Dafür ist ein offener Austausch über realistische Optionen zu suchen. Entweder bietet sich eine Abwandlung des zunächst Geplanten an oder ein Alternativprojekt. Aus rechtlicher Sicht ist für die Umwidmung keine Eile geboten.

Die Abwandlung einer Präsenzveranstaltung ist z. B. die Umsetzung im Digitalformat (Konzert zum Streamen, virtueller Ausstellungsrundgang, Online-Schulung) oder als Printmedium (Katalog/Buch). Für die Umsetzung muss evtl. auch ein neuer, realistischer Termin bzw. Zeitraum vereinbart werden. Eine Alternative beschreibt ein gegenüber dem Format „Präsenzveranstaltung“ (gänzlich) neues Projekt, z. B. anstelle eines Konzertes oder einer Ausstellung nun ein musik- oder kunstpädagogisches Angebot (Video- oder Print-Medien), die Auflage von Künstlernothilfefonds, die Entwicklung eines Lernspiels, der Ausbau digitaler Angebote einer Institution (vorgegebener Themenbereich), die Zahlung von oder Beteiligung an Restaurierungen (Handschriften, Werke bildender Kunst) oder von technischer Ausstattung. Bedarfe werden in den kommenden Wochen wahrscheinlich zahlreich identifiziert und Ideen entwickelt.

4. Verschieben der Veranstaltung als vorrangige Lösung

Ist ein Verschieben der geförderten/zu fördernden Veranstaltung (in den Herbst 2020 oder in Folgejahren 2021/2022) möglich, sollte diese Chance dem Geförderten eingeräumt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein zentrales Projekt betroffen ist, z. B. der Geförderte seine wirtschaftliche Existenz aus den Einnahmen der konkreten Veranstaltung/Veranstaltungsreihe bestreiten muss. Bei einer Verschiebung können bereits gezahlte Fördermittel (zunächst) beim Geförderten verbleiben bzw. kann ein Zahlungsanspruch aus einer Fördermittelzusage aufrechterhalten werden. Diese Verfahrensweise erübrigt nicht nur eine Rückzahlung (Liquidität des Geförderten!). Relevanter ist das Entfallen eines anderenfalls erneuten Fördermittelverfahrens, das im Ergebnis ggf. nicht gleichermaßen positiv für den Geförderten ausfällt, wie die bestehende Förderzusage (Änderung von Konditionen, Budgets und Rahmenbedingungen beim Förderer). Kurz: Was man hat, das hat man. Der Förderer hingegen muss eigene Mittelverwendungsfristen beachten.

5. Praxishinweise 

  • Klären Sie zunächst, ob die Veranstaltung verschoben werden kann oder endgültig entfällt. Die Verschiebung ist i. d. R. die beste Lösung für den Geförderten.
  • Entfällt die Veranstaltung/das Projekt, ermitteln Sie mithilfe des Geförderten die bereits entstandenen Kosten. Diese verbleiben dem Geförderten i. d. R. als Projektmittel. Beim Förderer sind sie ebenfalls Kosten der Zweckverwirklichung (ideeller Bereich oder Zweckbetrieb).
  • Lassen Sie ausgezahlte Mittel und Förderbeschlüsse nicht einfach stehen. Beschließen Sie bei einer Änderung der Situation eine neue Verwendung der Mittel.
  • Projekt-Restmittel oder noch nicht ausgezahlte, gar nicht für die ursprüngliche Veranstaltung benötigte Mittel können zugunsten des (zunächst in Form der Veranstaltung) Geförderten umgewidmet werden. Achten Sie dabei auf die tatsächliche Notwendigkeit der weiteren Förderung für den Geförderten (oder hat eine andere Institution ein effektiveres Projekt zu bieten bzw. benötigt dringender Unterstützung?). Berücksichtigen Sie dabei auch die Höhe der in Rede stehenden Fördersumme und Ihre eigene finanzielle Situation (z. B. Förderung aus Rücklagen).
  • Beachten Sie vor neuen Förderzusagen Ihre Satzungsvorgaben (insbesondere betreffend institutionelle Förderung bzw. Förderung von Einzelpersonen).
  • Förderzusagen für 2020 sollten mögliche Abwandlungen (alternative Veranstaltungsformate) gleich mitberücksichtigen. Sie sollten auch auf einen längeren Förderzeitraum ausgerichtet sein (Übertrag in 2021/2022). Mittelverwendungsfristen des Förderers sind zu beachten.
  • Vor dem Hintergrund der aktuellen Erfahrungen sollte die Entscheidungsfindung über künftige Förderungen die neu erkannten Bedarfe einerseits und gewohnte „Notwendigkeiten“ bzw. die Relevanz bestimmter Inhalte/Themen andererseits einmal mehr hinterfragen.

Zu Beschlussfassungen in Corona-Zeiten siehe auch die Beiträge vom 23. März 2020 und vom 2. April 2020.

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