Fachnews
Reform von § 50d Abs. 3 EStG (Anti-Treaty-Shopping Vorschrift)

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat bereits zum Ende der Kalenderwoche 47 einen Referentenentwurf für ein Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) vorgelegt, welches insbesondere die Europarechtswidrigkeit von § 50d Abs. 3 EStG angehen soll. Es enthält darüber hinaus einige Verschärfungen.

07.12.2020

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bereits mit zwei Urteilen § 50d Abs. 3 EStG sowohl in der Fassung von 2007 als auch in der Fassung von 2012 für unionsrechtswidrig erklärt (Urteile vom 16. Juni 2018, Az. C-440/17 und vom 20. Dezember 2017, Az. C-504/16). Damit hatte der EuGH die Auffassung das Finanzgerichts Köln (FG Köln) bestätigt. Infolge der EuGH-Entscheidung aus 2017 hatte das BMF mit Schreiben vom 4. April 2018 Stellung bezogen und geregelt, was für die Auslegung von § 50d Abs. 3 EStG a.F. gelten soll.

Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf unsere Newsbeiträge vom 18. August 2017, vom 18. Januar 2018 sowie vom 14. Mai 2018.

Erst kürzlich hat das FG Köln erneut Zweifel an der Europarechtskonformität von § 50d Abs. 3 EStG, diesmal in seiner aktuellen Fassung, geäußert (Newsbeitrag vom 5. November 2020).

Der nun vorgelegte Referentenentwurf sieht umfassende Änderungen des § 50d Abs. 3 EStG vor.

Ein Anspruch auf Entlastungsberechtigung im Hinblick auf die Abzugsteuer besteht für ausländische Gesellschaften,

  • soweit an ihr Personen beteiligt/begünstigt sind, denen dieser Anspruch auch bei Direktbezug zustünde (persönliche Entlastungsberechtigung) oder
  • soweit die Einkunftsquelle einen wesentlichen Zusammenhang mit der Wirtschaftstätigkeit der ausländischen Gesellschaft aufweist (sachliche Entlastungsberechtigung).

Die Neuregelung sieht die Möglichkeit eines Gegenbeweises und eine Börsenklausel vor.

Die einzelnen Änderungen der Tatbestandsmerkmale stellen wir Ihnen nachfolgend dar:

Persönliche Entlastungsberechtigung

Zu prüfen ist, ob sich die Entlastungsberechtigung auf Ebene der an der ausländischen Gesellschaft beteiligten Personen aus derselben Rechtsgrundlage (z. B. dasselbe DBA) ergibt. Der Referentenentwurf betont dabei explizit, dass dieselbe Rechtsgrundlage vorliegen muss. Daher ist es nicht möglich, die persönliche Entlastungsberechtigung zu bejahen, sofern sich diese beispielsweise aus einem anderen DBA ergibt. Dies gilt auch dann, wenn die Entlastung in betragsmäßig gleicher Höhe gewährt werden würde. Dies stellt eine deutliche Verschärfung im Vergleich zur aktuellen Fassung des § 50d Abs. 3 EStG dar.

Sachliche Entlastungsberechtigung

Der Referentenentwurf fordert einen wesentlichen Zusammenhang zwischen der Einkunftsquelle mit einer Wirtschaftstätigkeit der ausländischen Gesellschaft.

Nicht als Wirtschaftstätigkeit soll demnach gelten:

  • Das Erzielen der Einkünfte und deren reines Weiterleiten (passive Beteiligungsverwaltung) sowie
  • Tätigkeiten, die nicht mit einem für den Geschäftszweck angemessenen eingerichteten Geschäftsbetrieb ausgeübt werden.

Die aktive Beteiligungsverwaltung soll hingegen eine Wirtschaftstätigkeit der ausländischen Gesellschaft darstellen.

Gegenbeweis und Börsenklausel

Bisher war lediglich ein Gegenbeweis im Rahmen der sachlichen Entlastungsberechtigung möglich. Künftig soll ein eigenständiger Gegenbeweis möglich sein. Eine Entlastung soll demnach auch dann möglich sein, wenn weder eine persönliche noch eine sachliche Entlastungsberechtigung vorliegt, soweit die ausländische Gesellschaft nachweisen kann, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Zwischenschaltung ausschließlich die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist.

Für die Zwecke des Gegenbeweises sollen laut Gesetzesbegründung alle außersteuerlichen Gründe zu berücksichtigen sein, auch solche, die sich aus einem Konzernverhältnis ergeben (Principle Purpose Test). Die zugrunde gelegten Begrifflichkeiten wie „Hauptzweck“ und „Erlangung eines steuerlichen Vorteils“ sind zwar im Principal Purpose Test und der EuGH Rechtsprechung hinterlegt, sie bleiben jedoch unbestimmte Rechtsbegriffe und können daher die Führung eines Gegenbeweises unter Umständen erheblich erschweren.

Die Börsenklausel regelt wie bisher, dass § 50d Abs. 3 EStG für börsennotierte Gesellschaften nicht zur Anwendung kommen soll. Laut Referentenentwurf soll die Klausel jedoch nur für den direkten (unmittelbaren) Gesellschafter gelten, sodass mittelbare Gesellschafter von der Anwendung der Börsenklausel ausgeschlossen wären. Die Ausnahme für Investmentfonds soll zudem ersatzlos gestrichen werden.

Anwendungsbereich

§ 50d Abs. 3 EStG soll künftig lediglich noch für Ansprüche auf Entlastung von Kapitalertragsteuer oder vom Steuerabzug nach § 50a EStG direkt anwendbar sein. Entsprechende Ergänzungen in den §§ 43b Abs. 1 Satz 1 HS 2, 50g Abs. 4 Satz 2 und 44a Abs. 9 EStG sollen jedoch die Anwendbarkeit der Regelung in anderen Fällen von Abzugssteuern sicherstellen.

Einschätzung und Ausblick

Die Reform von § 50d Abs. 3 EStG ist dringend erforderlich, da die Norm in ihrer aktuellen Fassung offensichtlich gegen geltendes (Europa-) Recht verstößt.

Daher ist insbesondere die mit der Neuregelung einhergehende geplante Verschärfung bei der persönlichen Entlastungsberechtigung zu kritisieren, welche die Möglichkeit der Entlastung deutlich einengen würde.

Dem sogenannten Principle Purpose Test werden zudem unbestimmte Rechtsbegriffe („einer der Hauptzwecke“ sowie „steuerlicher Vorteil“) zugrunde gelegt. Fraglich ist, in welchem Umfang die Finanzverwaltung die Auslegung dieser Begriffe zulassen wird. Da der Auslegungsbereich dieser Begriffe erheblichen Einfluss auf den Anwendungsbereich der Norm hat, sollte aus unserer Sicht hier nachgebessert werden.

Auch die Reduzierung der Anwendbarkeit der Börsenklausel ist kritisch zu sehen und engt den eigentlichen Anwendungsbereich der Entlastung in ihrem Anwendungsbereich ebenfalls ein.

Die Neuregelungen sollen ab dem Tag ihrer Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. Wann genau das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein wird, kann derzeit nicht abgeschätzt werden. Grundsätzlich wird mit einem Abschluss nicht vor Frühjahr 2021 gerechnet.

Gern unterstützen wir Sie bei der Prüfung von Entlastungsberechtigungen nach § 50d Abs. 3 EStG.

Für weitere Fragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.

Besuchen Sie auch unser Corona-Newsportal. Darin stellen wir kontinuierlich Neuigkeiten zu rechtlichen, steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen in der Corona-Krise für Sie zusammen.

Corona-Newsportal Wie Sie als Unternehmen die Krise meistern 

Wir beraten persönlich

Ihre Ansprechpartner
Arell Buchta
Arell Buchta

Partner, Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachberater für internationales Steuerrecht

Enrico Klar
Enrico Klar

Senior Associate, Steuerberater, Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e. V.)

eureos Infoservice

Wir behalten den Überblick für Sie: Mit unserem multidisziplinären Newsletter informieren wir Sie einmal monatlich über aktuelle Fachthemen und senden Ihnen Einladungen zu unseren Fach- und Netzwerkveranstaltungen.

Jetzt anmelden