Fachnews
Neuer Anwendungserlass zur grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel

Die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel nach § 6a GrEStG stellt Erwerbe von Grundvermögen unter bestimmten Voraussetzungen (grunderwerb-) steuerfrei. Insbesondere sind nach den Sätzen 3 und 4 die Steuerbefreiungen nur zu gewähren, wenn an dem Rechtsvorgang (Umwandlung i.S.d. UmwG), der zu einer Übertragung von Grundvermögen führt, ein beherrschtes und ein abhängiges Unternehmen beteiligt ist. Ein Abhängigkeitsverhältnis besteht demnach nur, wenn das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang (Vorbehaltefrist) und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang (Nachbehaltefrist) an dem beherrschten Unternehmen zu mindestens 95% ununterbrochen beteiligt ist.

15.10.2020

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat kürzlich in einer Reihe von Urteilen die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung weit ausgelegt und unter anderem die Vorbehaltefrist bei Umwandlungen zur Neugründung für nicht anwendbar erklärt (Newsbeitrag vom 17. Februar 2020). Demnach sind insbesondere folgende Urteile und Fallgestaltungen betroffen:

  • Urteil vom 21. August 2019 (Az. II R 15/19 (II R 50/13)) im Zusammenhang mit der Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft auf eine natürliche Person als herrschendes Unternehmen, welche die Anteile im Privatvermögen hielt (Klärung von Streitfragen im Zusammenhang mit der Begrifflichkeit „herrschendes Unternehmen“ und mit der Nachbehaltefrist);
  • Urteil vom 21. August 2019 (Az. II R 16/19 (II R 36/14)) im Zusammenhang mit Ausgliederungen zur Neugründung, wobei das abhängige Unternehmen aus dem herrschenden Unternehmen neu entstand (Klärung von Streitfragen im Zusammenhang mit der Vorbehaltsfrist);
  • Urteil vom 22. August 2019 (Az. II R 17/19 (II R 58/14)) im Zusammenhang mit der Verschmelzung mehrerer, von dem herrschenden Unternehmen abhängiger Gesellschaften, an denen die Muttergesellschaft weniger als fünf Jahre beteiligt war (Klärung von Streitfragen im Zusammenhang mit der Vorbehaltefrist und der Maßgabe der Beteiligungsverhältnisse);
  • Urteil vom 22. August 2019 (Az. II R 18/19 (II R 61/14)) im Zusammenhang mit der Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen (Klärung von Streitfragen im Zusammenhang mit der Nachbehaltefrist);
  • Urteil vom 21. August 2019 (Az. II R 19/19 (II R 63/14)) im Zusammenhang mit der Verschmelzung mehrerer, von einer gemeinnützigen Stiftung (kein Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG) als herrschendes Unternehmen abhängiger Gesellschaften (Klärung von Streitfragen im Zusammenhang mit der Begrifflichkeit „herrschendes Unternehmen“ und mit der Nachbehaltefrist);
  • Urteil vom 21. August 2019 (Az. II R 20/19 (II R 53/15)) im Zusammenhang mit der Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen (Verschmelzung durch Aufnahme) (Klärung von Streitfragen im Zusammenhang mit der Nachbehaltefrist);
  • Urteil vom 21. August 2019 (Az. II R 21/19 (II R 56/15)) im Zusammenhang mit der Abspaltung zur Neugründung, wobei die abhängige Gesellschaft aus einer anderen abhängigen Gesellschaft neu entsteht (Klärung von Streitfragen im Zusammenhang mit der Vorbehaltefrist).

Nach Veröffentlichung der Urteile im Bundessteuerblatt hat die Finanzverwaltung nun einen neuen Anwendungserlass zu § 6a GrEStG veröffentlicht (gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 6a GrEStG vom 22. September 2020).

Die Finanzverwaltung hält demnach künftig nicht mehr an ihrer bisherigen Verbund-Sichtweise fest. Die Vor- und Nachbehaltefristen sind darüber hinaus nur einzuhalten, soweit sie aufgrund eines durch § 6a GrEStG begünstigten Rechtsvorgangs auch tatsächlich eingehalten werden können. Für die Berechnung der Fristen stellt die Finanzverwaltung dabei auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs ab. In Umwandlungsfällen ist dies der Zeitpunkt der Eintragung im Register. Weiterhin stellt die Finanzverwaltung fest, dass die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG nicht grundstücksbezogen ist; § 6a GrEStG stellt außerdem nicht auf den Verbleib der durch den Umwandlungsvorgang übergehenden Grundstücke, sondern allein auf die Beteiligungsverhältnisse ab. Änderungen in der grunderwerbsteuerlichen Zurechnung der Grundstücke in den Vor- und Nachbehaltefristen sind somit unbeachtlich.

Die gleich lautenden Erlasse nennen als im Sinne des § 6a GrEStG begünstigte Umwandlungen explizit Seitwärts- (Sidestream-), Aufwärts- (Upstream-) und Abwärts- (Downstream)-Verschmelzungen sowie Spaltungen (Auf- und Abspaltungen sowie Ausgliederungen) und die Vermögensübertragung. Allerdings soll die formwechselnde Umwandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UmwG und die Ausgliederung bzw. Aufnahme eines Einzelunternehmens auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft explizit nicht begünstigt sein (Tz. 2.1).

Auch grenzüberschreitende Umwandlungen werden nun auch in den Erlass aufgenommen: Sofern die Umwandlungen nach dem Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU) bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) inhaltlich den Regelungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG entsprechen, ist diese Umwandlung als eine Umwandlung entsprechend des Gesetzeswortlautes des § 6a Satz 2 GrEStG anzunehmen (Tz. 2.2). Zur Begünstigung von Umwandlungsfällen mit Drittstaatenbezug (außerhalb der EU/des EWR) äußert sich der Erlass jedoch nicht.

Nach Tz. 2.3 werden künftig auch die nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2, 2a, 3 oder Abs. 3a GrEStG steuerbaren Rechtsvorgänge aufgrund einer Einbringung oder eines anderen Erwerbsvorgangs auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage als berücksichtigungsfähig angesehen – auch innerhalb der EU / des EWR.

In den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG (Grundstücksübertragungen durch Änderung des Gesellschafterbestandes an einer Personengesellschaft) soll die Begünstigung nach § 6a GrEStG insoweit anteilig zu gewähren sein, als die Übertragung der Anteile auf einem begünstigten Umwandlungsvorgang beruht (Tz. 2.4).

Hinsichtlich des Begriffs des „herrschendes Unternehmen“ muss aus Sicht der Finanzverwaltung künftig keine Unternehmereigenschaft im Sinne des § 2 UStG mehr gegeben sein. Unerheblich ist darüber hinaus, wo die beteiligten Gesellschaften ansässig sind (In- oder Ausland; Tz. 3) und ob das beherrschende Unternehmen die Beteiligung an der beherrschten Gesellschaft im Privat- oder Betriebsvermögen hält, sodass auch ein Alleingesellschafter (natürliche Person) grundsätzlich herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a GrEStG sein kann. Vielmehr ist nach Tz. 3.1 ausreichend, wenn das herrschende Unternehmen über die Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft am Markt teilnimmt. Allerdings muss die wirtschaftliche Tätigkeit mindestens eines beteiligten Rechtsträgers innerhalb der fünfjährigen Vor- und Nachbehaltefrist ununterbrochen vorliegen.

Der neue Ländererlass ersetzt die bisherigen Erlasse vom 19. Juni 2012 bzw. vom 9. Oktober 2013 und ist in allen offenen fällen anzuwenden. Der Ländererlass steht auf der Homepage des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zum Abruf bereit.

Der Ländererlass setzt die BFH-Rechtsprechung nun insoweit um, dass er die explizit durch den BFH entschiedenen Fälle regelt. Die Finanzverwaltung weitet somit zwar den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG zu Gunsten der Steuerpflichtigen deutlich aus; einzelne Umwandlungen, z. B. Ausgliederungen, die vom BFH bisher nicht entschieden wurden, fallen aber laut Ländererlass demnach nicht in den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG. Dies ist grundsätzlich, insbesondere vor dem Hintergrund der geplanten Verschärfungen im Grunderwerbsteuerrecht (z. B. Newsbeitrag vom 10. Dezember 2018, Newsbeitrag vom 7. August 2019 oder Newsbeitrag vom 19. August 2019) eine erfreuliche Nachricht. Allerdings müssen Sachverhalte, die bisher nicht von der aktuellen Rechtsprechung des BFH umfasst sind, ggf. erneut im Rahmen eines langjährigen Rechtsstreites vor dem BFH entschieden werden. Gern unterstützen wir Sie bei der grunderwerbsteuerlichen Optimierung bei Umwandlungsvorgängen.

Zudem hat der Bundesrat erst kürzlich im Rahmen der Beratungen zum JStG 2020 die Bundesregierung dazu aufgefordert, die GrESt-Reform, die insbesondere Verschärfungen bei Share-Deals zur Folge haben wird, voranzutreiben. An dieser Stelle halten wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden.

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