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Wegweisende EuGH-Entscheidung zur umsatzsteuerlichen Organschaft

Seit 2013 werden vor dem Hintergrund der europäischen Rechtsprechung die nationalen Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft intensiv diskutiert.

  • auf juristische Personen als Organgesellschaften und
  • auf die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung (Über-/Unterordnungsverhältnis) zwischen Organträger und Organgesellschaft

sowie zu der Frage,

  • ob sich betroffene Unternehmer unmittelbar auf das Unionsrecht berufen können,

zu äußern. Diese Äußerungen haben es in sich. Ihnen kommt wegweisende Bedeutung für die nun folgenden BFH-Anschlussentscheidungen und damit für betroffene Konzerne und sonstige Unternehmensgruppen zu.

I. Die Entscheidung im Einzelnen

Im Gegensatz zum nationalen Recht können nach europäischem Recht Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, eine Organschaft bilden (Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL). Der Wortlaut der deutschen Regelung – und auch die jüngere Rechtsprechung des BFH, insbesondere zur organisatorischen Eingliederung – gehen damit über die europäischen Vorgaben weit hinaus.

Und das hat der EuGH nun kritisiert und festgestellt, dass die genannten Beschränkungen grundsätzlich gegen das Unionsrecht verstoßen: So sehe das Unionsrecht insofern gerade keine ausdrückliche Möglichkeit vor, bestimmte „Einheiten“, wie zum Beispiel Personengesellschaften, generell vom Anwendungsbereich auszuschließen oder nur solche „Einheiten“ einzubeziehen, die sich in einem Unterordnungsverhältnis zum Organträger der betreffenden Unternehmensgruppe befinden.

Nur dann, wenn die nationalen Beschränkungen erforderlich und geeignet seien, missbräuchliche Praktiken oder Verhaltensweisen und Steuerhinterziehung oder –umgehung zu verhindern, wären sie mit europäischem Recht vereinbar. Ob dies der Fall ist, sei allerdings Aufgabe des BFH. Angesichts dessen, sei die unionsrechtliche Vorgabe in Art. 11 MwStSystRL nicht inhaltlich unbedingt und nicht hinreichend genau, sodass sich ein Steuerpflichtiger nicht unmittelbar darauf berufen könne.

II. Auswirkungen auf die Praxis

Auch wenn sich Unternehmer insofern nicht direkt auf das Unionsrecht berufen können, spricht Vieles dafür, dass der BFH in seinen nachfolgenden Entscheidungen

  • sowohl Personengesellschaften als Organgesellschaften anerkennen
  • als auch seine hohen Anforderungen an die organisatorische Eingliederung bei Fremdgeschäftsführern in der Organgesellschaft zu überdenken haben

wird. Jedenfalls erscheint es durchaus zweifelhaft, ob die nationalen Beschränkungen auf juristische Personen als Organgesellschaften und auf ein Über-/Unterordnungsverhältnis zur Vermeidung von Steuerhinterziehung begründet werden können.

Reaktionen seitens der Finanzverwaltung und/oder des Gesetzgebers sind erst nach den Folgeurteilen des BFH zu erwarten. Bis dahin können betroffene Unternehmer – unter Verweis auf die jüngste Rechtsprechung des EuGH – die Fälle offenhalten.

In jedem Fall sollten Steuerpflichtige prüfen, ob etwa bisher auf Einzelbasis veranlagte Personengesellschaften durch die wahrscheinlich künftig geänderte Rechtsprechung des BFH als Organgesellschaft Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft werden. Dies gilt mangels Wahlrecht unabhängig davon, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft unternehmensseitig gewünscht ist oder nicht. Vielmehr wird „automatisch“ eine Organschaft begründet, wenn sich die Anforderungen, wie beschrieben, ändern. Sofern Sie hierzu weitere Informationen wünschen, stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Weitere Einzelheiten und Hintergründe finden Sie zudem in unseren Newsbeiträgen vom 21. Januar 2014, 19. März 2014 und 14. April 2015.

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