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BFH zur Beweislast bei Vorsteuer aus Rechnungen mit Briefkastenanschrift

Mit Urteil vom 5. Dezember 2018 (Az. XI R 22/14) hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) zum Rechnungsmerkmal „vollständige Anschrift“ bei der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug aus Rechnungen mit Briefkastenanschrift geäußert.

15.03.2019

In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte das Finanzamt einen Teil des Vorsteuerabzugs mit der Begründung versagt, dass es sich bei den ausgestellten Rechnungen um Rechnungen mit falschen Angaben bzw. um Rechnungen von Unternehmen ohne Unternehmereigenschaft im Sinne des UStG handle.  In seinem Einspruch gegen den Änderungsbescheid zur Umsatzsteuer machte der Kläger geltend, dass er vor Auftragsvergabe Unterlagen angefordert habe, die auf das Vorliegen einer Unternehmereigenschaft hindeuteten (Gewerbeanmeldungen, Bescheinigungen über Umsatzsteuer-Identifikationsnummern etc.). Zudem sei der Gutglaubensschutz zu beachten. Der Einspruch wurde vom Finanzamt als unbegründet zurückgewiesen, da der Kläger nicht im Besitz einer nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung sei. In seiner gegen die Einspruchsentscheidung gerichteten Klage verwies der Kläger unter anderem auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 15. November 2017 (Az. C-374/16 und C-375/16) und gab an, dass die Auftragnehmer zum Zeitpunkt der Rechnungsausstellung unter den auf der Rechnung enthaltenen Adressen erreichbar gewesen seien.

Das Finanzgericht Köln (FG Köln) hatte den Vorsteuerabzug dennoch mit dem Hinweis auf die nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG fehlende vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers versagt.

Nach Ansicht des BFH sei der Vorsteuerabzug jedoch im vorliegenden Fall zuzulassen, da § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG richtlinienkonform dahingehend auszulegen seien, dass eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht voraussetzt, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt wird, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Stattdessen reiche jede Art von Anschrift, einschließlich einer Briefkastenanschrift, aus, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift postalisch erreichbar ist. Der BFH bezog sich zur Begründung unter anderem auf das BFH-Urteil vom 21. Juni 2018 (Az. V R 25/15), auf welches wir mit Beitrag vom 9. August 2018 hingewiesen hatten und folgt damit seiner aktuellen Rechtsauffassung.

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Erreichbarkeit des Rechnungsausstellers unter der auf der Rechnung angegebenen Adresse ist nach Ansicht des BFH der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung, sodass es im vorliegenden Fall ausreichte, dass die Rechnungsaussteller zumindest zu diesem Zeitpunkt unter den auf den Rechnungen angegebenen Adressen erreichbar waren.

Lässt sich die postalische Erreichbarkeit zum Zeitpunkt der Rechnungsausstellung nicht ermitteln, trifft die Feststellungslast den Leistungsempfänger. Der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug geltend macht, hat die Darlegungs- und Feststellungslast für alle Tatsachen, die den Vorsteuerabzug begründen (EuGH vom 27. Juni 2018, Az. C-459/17 und C-460/17).

Mit diesem Urteil bestätigt der BFH seine gelockerte Ansicht zum Merkmal der „vollständigen Anschrift“ und folgt weiterhin der Rechtsprechung des EuGH. Auch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich in seinem Schreiben vom 7. Dezember 2018 der neuen Ansicht der Rechtsprechung angeschlossen und lässt Briefkastenanschriften als „vollständige Anschriften“ im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG gelten.

Damit dürften die verschärften Rechnungsanforderungen bei bloßem Briefkastensitz, wie sie der BFH etwa mit Urteil vom 22. Juli 2015 (Az. V R 23/14) aufgestellt hat (Newsbeitrag vom 16. November 2015), nun endgültig der Vergangenheit angehören.

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