Fachnews
Zweite Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets kommt zum 1. Juli 2021

Trotz der anhaltenden Pandemie werden mit Wirkung zum 1. Juli 2021 die Regelungen der zweiten Stufe des sogenannten Mehrwertsteuer-Digitalpakets unionsweit umgesetzt.

22.04.2021

Mit Schreiben vom 1. April 2021 hat das Bundesministerium für Finanzen ausgiebig zu den bald in Kraft tretenden Änderungen Stellung genommen (siehe hierzu bereits unseren Newsletter vom 16. September 2020).

Nachfolgend die wichtigsten Eckpunkte im Überblick:

1. B2C-Versandhandel wird zu B2C-Fernverkauf ab EUR 10.000,00 Umsatz jährlich

Zum 1. Juli 2021 wird die Versandhandelsregelung (§ 3c UStG) grundlegend geändert und künftig als Fernverkaufsregelung bezeichnet. Der Ort der Lieferung verlagert sich in den Mitgliedsstaat, in dem der Transport endet, wenn die Gegenstände

  • grenzüberschreitend innerhalb des Gemeinschaftsgebietes
  • vom Lieferer oder für dessen Rechnung
  • an den B2C-Kunden versendet werden.

An die Stelle der bisherigen länderspezifischen Lieferschwellen tritt die neue EU-einheitliche Umsatzschwelle von EUR 10.000,00 pro Jahr. In die Ermittlung der Umsatzschwelle sind nicht nur innergemeinschaftliche Fernverkäufe, sondern auch elektronische Dienstleistungen (§ 3a Abs. 5 S. 2 UStG) einzubeziehen. Ein Verzicht auf die Anwendung der Geringfügigkeitsschwelle ist möglich. Die Fernverkaufsregelung findet auch auf Kleinunternehmer Anwendung.

Die Steuer kann vom Steuerschuldner über das OSS-Verfahren (One-Stop-Shop, § 18j UStG) angemeldet werden. Vorteil: Eine Registrierungspflicht in den jeweiligen Mitgliedsstaaten entfällt. Voraussetzung ist jedoch, dass der OSS einheitlich für die gesamte EU genutzt wird.

2. Einbeziehung von elektronischen Schnittstellen in fiktive Lieferketten

Unter bestimmten Voraussetzungen werden mit Wirkung zum 1. Juli 2021 Betreiber von elektronischen Schnittstellen (z. B. Online-Marktplatz) in die Leistungskette zwischen Händler und Kunde einbezogen. Voraussetzung dafür ist, dass

  • der Händler nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist,
  • der Transport im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet,
  • das Geschäft über eine elektronische Schnittstelle abgewickelt wird und
  • der Abnehmer ein Nichtunternehmer ist (§ 3 Abs. 3a S. 1 UStG)

oder

  • Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen bis zu einem Sachwert von EUR 150,00 getätigt werden (§ 3a Abs. 3a S. 2 UStG). Zum Erwerberkreis zählen auch die unter § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannten Personen, sofern diese weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreiten, noch auf deren Anwendung verzichten.

Liegen die Voraussetzungen vor, werden zwischen Händler, Plattformbetreiber und Endkunde für umsatzsteuerliche Zwecke zwei Lieferungen, folglich ein Reihengeschäft, fingiert. Dabei ist grundsätzlich die steuerpflichtige warenbewegte Lieferung der Lieferung zwischen Plattformbetreiber und Endkunde zuzuordnen. Im Ergebnis wird der Plattformbetreiber somit Steuerschuldner.

Die bereits bestehenden Regelungen zur Haftung der Marktplatzbetreiber (§§ 22f und 25e UStG) finden aufgrund der Einbeziehung in die Lieferkette künftig nur noch sehr eingeschränkt Anwendung.

3. OSS für alle sonstigen Leistungen von Drittlands-Unternehmern (§18i UStG)

Drittlands-Unternehmer können mit Wirkung zum 1. Juli 2021 alle sonstigen Leistungen an Nichtunternehmer, die in der EU zu besteuern sind (z. B. Grundstückslieferungen, Beförderungsleistungen usw.) im OSS melden und nicht mehr nur, wie bisher, elektronische Dienstleistungen (§ 3a Abs. 5 UStG).

Die Anzeige zur Teilnahme ist bereits seit dem 1. April 2021 beim Bundeszentralamt für Steuern möglich.

4. OSS für alle sonstigen Leistungen von EU-Unternehmern mit abweichendem Leistungsort (§ 18j UStG)

EU-Unternehmer (d. h. auch Inlands-Unternehmer) können alle sonstigen Leistungen an Nichtunternehmer, die in einem anderen Mitgliedsstaat zu besteuern sind, in ihrem Ansässigkeitsstaat melden.

Zudem können EU- und Drittlands-Unternehmer künftig ihre innergemeinschaftlichen Fernverkäufe über OSS melden (vgl. Punkt 1, § 3c Abs. 1 UStG). Nicht vom OSS erfasst wird jedoch das innergemeinschaftliche Verbringen. Sollen Waren innerhalb der EU umgelagert werden, besteht in den Ländern mit Warenlager daher weiterhin eine Registrierungspflicht.

Ferner können künftig auch die Umsätze, die der neu eingeführten Reihengeschäftsfiktion unterliegen, im OSS gemeldet werden (vgl. Punkt 2, § 3 Abs. 3a S. 1 UStG).

5. Abschaffung 22-Euro-Freigrenze für die Einfuhrumsatzsteuer ab 1. Juli 2021

Die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer von Einfuhren bis zu einem Warenwert von EUR 22,00 entfällt ersatzlos

6. OSS für den Import (IOSS, §18 k UStG)

Im Zusammenhang mit der Abschaffung der 22-Euro-Grenze können Unternehmer ab dem 1. Juli 2021 das neue Import-One-Stop-Shop-Verfahren optional verwenden (IOSS), um Einfuhrumsatzsteuer zu vermeiden: Fernverkäufe aus dem Drittland (§ 3c UStG) bis zu einem Wert von EUR 150,00, die im IOSS gemeldet werden, sind von der Einfuhrumsatzsteuer befreit, wenn bei der Zollanmeldung die Gültigkeit der individuellen Identifikationsnummer des Unternehmers oder dessen Vertreters von der Zollstelle geprüft wird (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG).

Alternativ dazu wird eine weitere neue Sonderregelung (§ 21a UStG) eingeführt, bei der die Einfuhrumsatzsteuer durch den Spediteur vom Empfänger vereinnahmt und im Folgemonat an die Zollverwaltung entrichtet wird. Hierdurch soll für Sendungen mit einem Sachwert von höchstens EUR 150,00 die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer auf solche Warensendungen vereinfacht werden.

7. Praxishinweis

Das BMF-Schreiben enthält eine Vielzahl von Beispielen zu den einzelnen Neuerungen, die einen guten Einstieg in die Problematik vermitteln. Weiterhin wurden bereits einige Unklarheiten im Zusammenhang mit den verwendeten Begriffen, wie z. B. Erwerber, Sendungen oder Online-Marktplatz geklärt. Gleichwohl bleiben Fragen offen (z. B. zur konkreten Rechnungslegung oder zur Frage, wie weit die sog. Transportveranlassung des Lieferers reicht).

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