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Jahressteuergesetz 2020: Geplante Umsatzsteuer-Änderungen im Überblick

Am 17. Juli 2020 veröffentlichte das Bundesministerium für Finanzen den Referentenentwurf für das Jahressteuergesetz 2020. Mittlerweile wurde der Entwurf ersetzt und am 2. September 2020 durch das Bundeskabinett verabschiedet. Der Entwurf enthält auch umfangreiche Gesetzesänderungen im Bereich der Umsatzsteuer. Hervorzuheben ist insbesondere die weitere nationale Umsetzung des Mehrwertsteuer-Digitalpakets. Im Folgenden stellen wir Ihnen im Überblick wesentliche geplante Änderungen vor. Ergänzt wird dieser Überblick in den kommenden Wochen mit weiteren Einzelheiten.

16.09.2020

1. Steuerschuldnerschaft von Online-Marktplatzbetreibern

Unternehmer, die Lieferungen von Gegenständen durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle unterstützen (insbesondere Online-Marktplätze), sollen zukünftig mit in die Lieferkette zwischen dem im Drittland ansässigen Onlinehändler und Endkunde eingebunden werden. Dies soll über die Fiktion einer Lieferung an und von dem Marktplatz in Form eines sogenannten Reihengeschäfts (§ 3 Abs. 3a UStG-E) umgesetzt werden. Dadurch wird die elektronische Schnittstelle zum Steuerschuldner. Die Haftung der Online-Marktplatzbetreiber wird hierdurch deutlich verschärft. Die geplanten Änderungen ergänzen die bereits 2019 eingeführte, mögliche Haftung der Online-Marktplätze für von Online-Händlern nicht abgeführte deutsche Umsatzsteuer (vgl. § 25e Abs. 1 UStG).

Erfasst werden sollen Fälle, bei denen die Beförderung oder Versendung des Gegenstands durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an Nichtunternehmer im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet sowie Fernverkäufe von aus dem Drittland eingeführten Sendungen mit einem Sachwert bis EUR 150,00. Als Teil der Umsetzung des Mehrwertsteuer-Digitalpakets soll die Neuregelung aufgrund der Coronavirus-Pandemie, voraussichtlich erst am 1. Juli 2021 (statt 1. Januar 2021) in Kraft treten.

Durch die fiktive Einbindung des Marktplatzbetreibers in die Lieferkette sollen Umsatzsteuerausfälle vermieden werden, da insbesondere im Drittland ansässige Online-Händler in der Vergangenheit massiv am Umsatzsteuerbetrug beteiligt waren. Für die betroffenen Marktplätze sind nun wieder praktische Umsetzungshürden zu meistern: In erster Linie sollten sie prüfen, in welchen Fällen ein fiktives Reihengeschäft i. S. d. § 3 Abs. 3a UStG-E vorliegt. Werden sie danach zum Steuerschuldner, ist dies entsprechend systemseitig richtig abzubilden (Steuerkennzeichen, Buchhaltung, interne Kontrollsysteme, Nachweisführung).

2. Wegfall der 22-Euro-Grenze für die Einfuhrumsatzsteuer und Einführung eines besonderen Verfahrens für die Einfuhr

Die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung für Sendungen bis zu einem Wert von EUR 22,00 soll ab 1. Juli 2021 abgeschafft werden. Damit sollen Wettbewerbsvorteile von Nicht-EU-Händlern sowie Betrugsfälle vermieden werden. Die EUR 22,00 Grenze sorgte bisher praktisch dafür, dass Drittländer Waren an Endkunden steuerfrei (oftmals ungerechtfertigt, da zu niedrige Werte angegeben wurden) liefern konnten.

Einfuhrumsatzsteuer wird demnach zukünftig bei jeder Einfuhr anfallen. Die Zollbefreiung bis EUR 150,00 bleibt jedoch weiterhin bestehen. Künftig ist für jede Sendung eine Einfuhrabfertigung erforderlich. Der damit verbundene erhöhte Verwaltungsaufwand der Zollbehörden für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer soll für Sendungen mit einem Höchstwert von EUR 150,00 durch ein besonderes Verfahren begrenzt werden.

Konkret soll zukünftig den Zustellungsdienstleistern die Möglichkeit eröffnet werden, die Waren im Namen und für Rechnung der Empfänger zum freien Verkehr anzumelden. Die fällige Einfuhrumsatzsteuer wird in diesem Fall auf ein Aufschubkonto des Dienstleisters angeschrieben, bis die Steuer durch den Empfänger entrichtet wird. Problematisch ist hierbei, dass der Dienstleister für die Steuer haftet.

3. Neufassung der Versandhandelsregelung § 3c UStG (bald Fernverkaufsregelung)

Die Versandhandelsregelung des § 3c UStG wird grundlegend reformiert und in diesem Zuge in Fernverkaufsregelung umbenannt. Bei der Versandhandelsregelung handelt es sich um eine Sonderregelung für EU-grenzüberschreitende Sendungen von Gegenständen an Nichtunternehmer. Bei Überschreiten von länderspezifischen Lieferschwellen gilt als Ort der Lieferung das Land des Empfängers. Dies führte bisher dazu, dass sich viele Betreiber von Onlineshops in zahlreichen EU-Ländern umsatzsteuerlich registrieren mussten.

Ab 1. April 2021 können diese Fernverkäufe über das elektronische Verfahren One-Stop-Shop („OSS“) gemeldet und die Steuer entrichtet werden. Weiterhin werden die länderspezifischen Lieferschwellen durch eine EU-einheitliche Geringfügigkeitsschwelle von EUR 10.000,00 ersetzt, die für alle Lieferungen in andere Mitgliedstaaten gilt und nicht auf Lieferungen in einem bestimmten Mitgliedstaat beschränkt ist.

Das Ziel, den administrativen Aufwand der Händler zu reduzieren, wird hierdurch freilich nur bedingt erreicht. Weiterhin bestehen ggf. Registrierungspflichten in Fällen der Warenumlagerung innerhalb der EU aufgrund des sog. innergemeinschaftlichen Verbringens. Angesichts der sehr niedrigen neuen Schwelle sind weitere Registrierungen im EU-Ausland wahrscheinlich, da dann das OSS-Verfahren generell ausscheidet.

4. MOSS wird zum OSS

Als weiterer Teil des Mehrwertsteuer-Digitalpakets wird das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren (MOSS) durch das One-Stop-Shop-Verfahren (OSS) ersetzt. Auch diese Änderung wird frühestens ab 1. April 2021 in Kraft treten.

Bisher konnte über das elektronische Verfahren die im übrigen Gemeinschaftsgebiet fällige Umsatzsteuer für elektronische Dienstleistungen angemeldet werden. Neben der Ausweitung auf Fernverkäufe (Punkt 3), soll es künftig auch möglich sein, alle im übrigen Gemeinschaftsgebiet steuerbaren sonstigen Leistungen zu melden, die an Nichtunternehmer erbracht werden. Dazu zählen beispielsweise grundstücksbezogene-, kulturelle und unterhaltende, Vermittlungs- und Veranstaltungsdienstleistungen.

Die Nutzung des OSS-Verfahrens ist auch für im Drittland ansässige Unternehmer möglich. Zu beachten ist, dass das Verfahren nur einheitlich für die gesamte EU genutzt werden kann. Das bedeutet, dass jeder Unternehmer, der in mehr als einem Mitgliedstaat für umsatzsteuerliche Zwecke registriert ist, nicht am Verfahren teilnehmen kann, so dass im Ergebnis der Anwendungsbereich stark eingeschränkt bleibt.

5. Erweiterung des Reverse-Charge-Verfahrens gem. § 13b UStG auf Telekommunikationsleistungen

Die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger gem. § 13b UStG (Reverse-Charge-Verfahren), soll ab 1. Januar 2021 auf Telekommunikationsdienstleistungen ausgeweitet werden. Vorrausetzung ist allerdings, dass die Haupttätigkeit des Leistungsempfängers in dem Erwerb und der Erbringung dieser Leistungen besteht (Wiederverkäufer). Unternehmer, die diese Leistungen lediglich erwerben, ohne sie weiter zu veräußern, scheiden aus.

Ziel der Einführung ist es, die zunehmenden Missbrauchs- und Betrugsfälle im Zusammenhang mit diesen Leistungen entgegenzuwirken.

6. Weitere Änderungen

Neben den bereits genannten Änderungen sollen mit dem Jahressteuergesetz 2020 noch eine Vielzahl weiterer Änderungen in Kraft treten. Dazu gehören unter anderem:

  • Steuerbefreiungen im Bereich Gesundheit/Pflege/Soziales (§ 4 UStG)
  • neue Steuerbefreiung für Leistungen an Streitkräfte (§§ 4 und 5 UStG)
  • Aufhebung der Vereinfachungsregelung des § 5 UStDV für grenzüberschreitende Personenbeförderung (vgl. unser Newsletter vom September 2020)
  • Preisnachlässe in einer Leistungskette (§ 17 UStG)
  • Dezentrale Besteuerung von Gebietskörperschaften (§ 18 Abs. 4f und 4g UStG)
  • Bußgeldvorschriften (§§ 26a, 26b, 26c UStG).

Einige davon stellen wir Ihnen in den kommenden Wochen an dieser Stelle näher vor. Ergänzend weisen wir darauf hin, dass die finale Fassung des JStG 2020 abzuwarten bleibt. Insbesondere der Zeitpunkt des Inkrafttretens kann sich aufgrund der aktuellen Lage noch weiter verschieben.

Gern halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.

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