Fachnews
Update: Unzulässige Klageerhebung ohne Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs

Seit dem 1. Januar 2023 sieht das Gesetz in § 52d FGO in Verbindung mit § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO für Steuerberater eine aktive Nutzungspflicht der elektronischen Kommunikation mit Finanzgerichten vor, da die Bundessteuerberaterkammer ab diesem Zeitpunkt das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) zur Verfügung gestellt hat.

03.05.2023
Beratung für Steuerberater und Rechtsanwälte

In unserem Newsbeitrag vom 28. März 2023 haben wir auf die Entscheidung des Finanzgerichtes (FG) Niedersachsen (Az. 7 K 183/22) hingewiesen, wonach vom FG unterschiedliche Gründe aufgeführt wurden, warum ein durch einen Steuerberater nach dem 1. Januar 2023 lediglich per Fax eingereichter bestimmender Schriftsatz nicht rechtswirksam sei.

Das Finanzgericht in Münster hat nun im Gegensatz hierzu mit einem Zwischen-Gerichtsbescheid vom 14. April 2023 (Az. 7 K 86/23 E) entschieden, dass eine Klageerhebung durch einen Steuerberater per Fax trotz Möglichkeit der beSt-Registrierung per „Fast-Lane“ doch zulässig sei. Dieser Auffassung hat das FG folgende Argumente zugrunde gelegt:

  • Die Formwirksamkeit (Schriftform) gemäß § 64 Abs. 1 FGO sei durch Übersendung per Fax gewahrt worden.
  • Im Zeitpunkt der Klageerhebung hätte die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung der Klageschrift nach § 52d Satz 2 FGO aufgrund fehlender Registrierungsaufforderung mit den notwendigen Registrierungsangaben für das beSt nicht bestanden.
  • Die aktive Nutzungspflicht greife erst ab dem Zeitpunkt der Übersendung der Registrierungsaufforderung mit den notwendigen Registrierungsangaben für das beSt („personenbezogene Betrachtungsweise“), weil erst dann „ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung stehe. Insbesondere spreche die Gesetzesbegründung von einer aktiven Nutzungspflicht „nach Inbetriebnahme des Steuerberaterpostfachs“.
  • Die Möglichkeit, den Versand der Registrierungsaufforderung durch einen „Fast-Lane-Antrag“ zu beschleunigen, reiche für die Entstehung der Nutzungspflicht nicht aus. Folglich entstehe auch kein früherer Beginn der aktiven Nutzungspflicht. Eine aktive Mitwirkungspflicht des Berufsträgers zur Beschleunigung sehe das Gesetz nicht vor. Vielmehr sei allein die Bundessteuerberaterkammer zur Abwicklung des Versands der Registrierungsaufforderungen verpflichtet.
  • Eine generelle aktive Nutzungspflicht kann dem Gesetz ab dem 1. Januar 2023 („enge abstrakte Auslegung“) nicht entnommen werden.
  • „Enge abstrakte Auslegung“ widerspreche dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs.4 GG).
Einschätzung und Ausblick

Die Ausführungen des Gerichts stehen im starken Kontrast zu bisherigen finanzgerichtlichen Entscheidungen, sind jedoch aus Berufsträgersicht deutlich nachvollziehbarer als bisherige Auffassungen der Finanzgerichte. Die Mitwirkungspflicht bzw. eine Beschleunigung des Verfahrens zum Versand der Registrierungsbriefe kann den einzelnen Berufsträgern nicht zugemutet werden.

Da das FG Münster mit seiner Entscheidung anderen finanzgerichtlichen Entscheidungen entgegen getreten ist und die finanzgerichtliche Rechtsprechung zu diesem Thema zusehends uneinheitlich ist, hat das FG die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen.

Letztlich wird wohl das höchste Finanzgericht (BFH) diese Fragen endgültig klären müssen.

Update vom 11. Mai 2023

Mit Beschluss vom 28. April 2023 (Az. XI B 101/22) hat sich erstmals der Bundesfinanzhof (BFH) zu diesem Thema geäußert. In dem zuvor vor dem Finanzbericht Berlin-Brandenburg verhandelten Fall hatte ein Steuerberater als Prozessbevollmächtigter am 21. November 2022 via Telefax Beschwerde beim Bundesfinanzhof wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt. Am 12. Dezember 2022 wurde, erneut via Telefax, Fristverlängerung um einen Monat für die Begründung beantragt und so auch vom Bundesfinanzhof gewährt. Die Begründung vom 19. Januar 2023 ging beim Bundesfinanzhof am 20. Januar 2023 via Telefax ein. Nach dem Hinweis der Geschäftsstelle, die Begründung sei elektronisch einzureichen, wurde diese am 23. Februar 2023 mittels eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts via elektronischem Anwaltspostfach elektronisch übermittelt. Darüber hinaus wurde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem Hinweis beantragt, dass der Registrierungsbrief der Bundessteuerberaterkammer erst am 18. Januar 2023 eingetroffen sei und eine Implementierung in die Kanzleisoftware nicht bis zum 20. Januar 2023 umsetzbar gewesen wäre. Es wurde jedoch nicht vorgetragen, weshalb die sogenannte Fast Lane nicht in Anspruch genommen wurde.

Nach Ansicht des entscheidenden XI. Senats des Bundesfinanzhofes war die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen, da die Frist zur Begründung der Beschwerde versäumt worden war. Steuerberater seien demnach ab dem 1. Januar 2023 zur aktiven Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs verpflichtet. Beantrage ein Steuerberater wegen Nichtnutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, müsse er darlegen, weshalb er nicht von der Möglichkeit der Priorisierung (fast lane) Gebrauch gemacht habe. Die per Fax eingegangene Begründung zu der Beschwerde verstoße gegen die Formvorschriften und führe somit zur Unwirksamkeit.

Update vom 28. August 2023

Mit Beschluss vom 11. August 2023 (VI B 74/22) hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) zur Pflicht der Übermittlung elektronischer Dokumente durch Steuerberater ab dem 1. Januar 2023 geäußert. Im vorliegenden Fall wurde am 13. Januar 2023 (letzter Tag der Beschwerdebegründungsfrist) eine Beschwerdebegründung der Kläger gegen ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgericht beim BFH per Telefax übermittelt. Der VI. Senat des BFH hat entschieden, die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurückgewiesen. Die Beschwerde als Telefaxschreiben entspreche nicht den Anforderungen des § 52d Satz 1 FGO. Zwar wurde der erstmalige „System-Rollout“ mit Versand der Registrierungsbriefe für die Erstanmeldung der Berufsträger erst am 17. März 2023 abgeschlossen, aber das „Fast-Lane“-Verfahren hätte den Steuerberatern schon seit dem 1. Januar 2023 zur Verfügung gestanden. Insbesondere liege auch keine „vorübergehende technische Störung“ gemäß § 52d S. 3 FGO vor, weil eine solche nur bei technischen Problemen bei Verwendung des vollständig eingerichteten besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs gegeben sein könne. § 52d Satz 3 FGO sei für Verzögerungen bei der Einrichtung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs nicht anwendbar. Aus den oben genannten Gründen sei die am 13. Januar 2023 beim BFH per Fax eingegangene Beschwerdebegründung nicht formwirksam zugestellt und sei somit nicht zu beachten. Sie gelte sie somit als nicht eingereicht. Der Formverstoß führe zur Unwirksamkeit und schließe damit insbesondere eine Fristwahrung aus.

Somit ist nun auch höchstrichterlich entschieden worden, dass die Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs ab dem 1. Januar 2023 verpflichtend war, und zwar unabhängig davon, dass die tatsächliche Einrichtung durch die Bundessteuerberaterkammer erst deutlich später erfolgte. Dies wird damit begründet, dass das Fast-Lane-Verfahren nutzbar gewesen wäre. Vor dem Hintergrund der sehr schleppenden praktischen Umsetzung ist diese Begründung nach wie vor nicht vollständig nachvollziehbar. Allerdings besteht nun insoweit Gewissheit, dass auch der BFH die Ansicht der Finanzgerichte zu diesem Thema teilt.

Für Fragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.

Wir beraten persönlich.

Ihre Ansprechpartner

    Zur Beantwortung meiner Anfrage aus dem Kontaktformular werden meine Daten erfasst und gespeichert.

    eureos Infoservice

    Wir behalten den Überblick für Sie: Mit unserem multidisziplinären Newsletter informieren wir Sie einmal monatlich über aktuelle Fachthemen und senden Ihnen Einladungen zu unseren Fach- und Netzwerkveranstaltungen.

    Jetzt anmelden