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Update: Unzulässige Klageerhebung ohne Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs

Seit dem 1. Januar 2023 sieht das Gesetz in § 52d FGO in Verbindung mit § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO für Steuerberater eine aktive Nutzungspflicht der elektronischen Kommunikation mit Finanzgerichten vor, da die Bundessteuerberaterkammer ab diesem Zeitpunkt das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) zur Verfügung gestellt hat. Wie eng die Gerichte diese Vorgabe auslegen, zeigt ein aktueller Fall des Finanzgerichtes (FG) Niedersachsen (Mitteilung vom 22. März 2023 zum Gerichtsbescheid 7 K 183/22 vom 10. Februar 2023).

28.03.2023
Beratung für Steuerberater und Rechtsanwälte

Nach § 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt nach Satz 2 für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 zur Verfügung steht. Mit der Einführung des beSt zum 1. Januar 2023 steht Steuerberatern, die nach der FGO als vertretungsberechtigte Personen gelten, ein solcher sicherer elektronischer Übermittlungsweg zur Verfügung. Wir verweisen diesbezüglich auch auf unseren Newsbeitrag vom 6. Januar 2023. Die Bundessteuerberaterkammer hat nach Bereitstellung des beSt zum 1. Januar 2023 damit begonnen, die entsprechenden Registrierungsbriefe zu versenden, sodass die technische Umsetzung auf Beraterseite zum Teil erheblich zeitversetzt erfolgte, da die Zugangsdaten zur Einrichtung des Postfachs schlichtweg nicht zum 1. Januar 2023 vorlagen.

Trotz dessen hat das FG Niedersachsen durch Gerichtsbescheid vom 10. Februar 2023 (Az. 7 K 183/22) entscheiden, dass ein durch einen Steuerberater nach dem 1. Januar 2023 lediglich per Fax eingereichter bestimmender Schriftsatz nicht rechtswirksam sei. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Steuerberater eine Klagebegründung lediglich per Fax eingereicht, da ihm die Zugangsdaten für das beSt noch nicht vorlagen. Das Finanzgericht ist der Auffassung, der Schriftsatz sei daher nicht wirksam eingereicht worden und führte hierzu insbesondere Folgendes aus:

  • Dem Steuerberater stehe ab dem 1. Januar 2023 ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung.
  • Die Klagebegründung sei ein bestimmender Schriftsatz im Sinne des § 52d Satz 1 FGO.
  • Die Verpflichtung der Bundessteuerberaterkammer zur Einrichtung des beSt sei durch § 86d Abs. 1 StBerG geregelt; die passive Nutzungspflicht, also die Möglichkeit des Empfangs von Mitteilungen über das beSt gelte erstmals ab dem 1. Januar 2023.
  • Die verpflichtende Nutzung des beSt knüpfe an den Einrichtungszeitpunkt an; dieser sei ausweislich der Gesetzesbegründung zur Einführung des beSt auf den 1. Januar 2023 bestimmt worden, sodass der Gesetzgeber auch eine aktive Nutzungspflicht ab dem 1. Januar 2023 beabsichtigt habe. Insbesondere habe sich der Gesetzgeber bewusst dagegen entschieden, die Nutzungspflicht an ein anderes (unbestimmtes) Ereignis, wie beispielsweise die Erstanmeldung des Postfachinhabers oder den Erhalt des Registrierungsbriefes zu knüpfen.
  • Der Gesetzgeber habe zur Vorbereitung auf die Einrichtung des beSt ausreichend Zeit eingeräumt. Organisationsmängel der Bundessteuerberaterkammer würden keine Suspendierung des gesetzlich vorgesehenen Zeitpunktes rechtfertigen.
  • Eine vorübergehende technische Störung im Sinne des § 52d Sätze 3 und 4 FGO liege nicht vor, wenn ein zugelassener elektronischer Übermittlungsweg noch gar nicht eingerichtet worden ist; vielmehr handle es sich um einen strukturellen Mangel.
  • Zuletzt verwies das Gericht darauf, dass bereits vor dem 1. Januar 2023 die Möglichkeit bestanden habe, über die sogenannte „Fast Lane“ eine schnellere Einrichtung des beSt zu erreichen, sodass auch keine (absolute) Unmöglichkeit vorgelegen habe.

Die Ausführungen des Gerichts sind nur teilweise nachvollziehbar. Insbesondere wird hier deutlich, dass Theorie und Praxis stark auseinanderfallen. Rein praktisch war es dem Steuerberater überhaupt nicht möglich, die Klagebegründung über das beSt einzureichen, auch wenn er per Gesetz seit dem 1. Januar 2023 hierzu verpflichtet gewesen war; im Übrigen stellte auch die vom Gericht benannte „Fast Lane“ nicht in allen Fällen sicher, dass die Nutzung des beSt zum 1. Januar 2023 tatsächlich möglich war. Das Urteil zeigt, dass die Gerichte offenbar dazu geneigt sind, die Nutzungspflicht des beSt dennoch äußerst streng formal auszulegen. Vor dem Hintergrund der sicheren und insbesondere angedachten elektronischen Kommunikation mit Behörden und Gerichten ist dies grundsätzlich verständlich. Die Gerichte sollten jedoch die Möglichkeiten der praktischen Umsetzung hierbei nicht aus den Augen verlieren.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich, die Kommunikation mit den Finanzgerichten unverzüglich entsprechend umzustellen und, sofern möglich, eventuelle Klagen oder sonstige bestimmende Schriftsätze hilfsweise über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zu übermitteln, wenn die Zugangsdaten für das beSt bisher nicht eingetroffen sind.

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Niklas Schoch

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