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Spartenrechnung kommunaler Eigengesellschaften im Fokus des BFH

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in zwei Urteilen intensiv mit der Zurechnung von Bäderbetrieben zu den Versorgungssparten kommunaler Eigengesellschaften beschäftigt. Er bestätigte dabei jeweils in beiden Urteilen die Entscheidungsgründe der Vorinstanz und lehnte insoweit den steuerlichen Querverbund ab.

24.06.2021

Danach gilt das Schulschwimmen stets als hoheitliche Tätigkeit, die vom öffentlichen Bäderbetrieb in einer gesonderten Sparte erfasst werden muss. Zudem ist ein betriebsbereites Reservebad vom übrigen aktiven Bäderbetrieb zu trennen, da die notwendige wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung durch den Stand-by-Betrieb entfällt. Beihilferechtliche Fragen zum steuerlichen Querverbund waren nicht zu entscheiden.

Sachverhalt 1 – Schulschwimmen

Eine hundertprozentige kommunale Tochtergesellschaft hatte gegen die Auffassung des Finanzamtes geklagt, den Verlust aus dem Schulschwimmen einer hoheitlichen Sparte mit der Folge zuzuordnen, dass dieser Verlust mit anderen Gewinnen nicht verrechnet werden konnte. Das Finanzgericht Münster (Urteil vom 26. April 2017 – 9 K 3847/15 K,F) hatte die Klage abgewiesen und dies damit begründet, dass die Tochtergesellschaft mit dem Schulschwimmen kein eigenes Gewinnstreben verfolgt, sondern nur im Interesse der Kommune handelt. Das Schulschwimmen sei dabei stets hoheitlich, unabhängig von der Zwischenschaltung einer Eigengesellschaft. Lesen Sie hierzu auch unseren Newsbeitrag vom 6. September 2017.

Entscheidungsgründe des BFH

Der BFH (Urteil vom 16. Dezember 2020 – I R 50/17; veröffentlicht 27. Mai 2021) hat nun auch die Revision der Tochtergesellschaft als unbegründet zurückgewiesen. Nach der Rechtsauffassung des BFH müsse der Bäderbetrieb im Rahmen der Spartenrechnung einer (fiktiven) Betrachtung ohne Zwischengesellschaft nach BgA-Grundsätzen unterzogen werden. Letztlich sei maßgeblich, wie das Schulschwimmen und der öffentliche Bäderbetrieb zu beurteilen wären, wenn die Stadt diese Tätigkeiten selbst ausübe.

Der BFH führt zur Begründung weiter aus, dass eine tätigkeitsbezogene Betrachtungsweise maßgebend sei. Im Urteilsfall führe die alleinige Verbindung von gemischt genutzten Betriebsmitteln nicht zur Annahme einer einheitlichen Tätigkeit. Auch seien keine Anhaltspunkte gegeben, die dafürsprechen würden, dass der öffentliche Bäderbetrieb und das Schulschwimmen derart eng miteinander verflochten seien, dass eine Trennung beider Tätigkeiten unmöglich oder unzumutbar ist.

Auf der Grundlage einer fiktiven Betrachtungsweise ist demnach bei einer kommunalen Eigengesellschaft, die ihr Bad für das Schulschwimmen zur Verfügung stellt und daraus Dauerverluste erzielt, auch dann eine gesonderte Sparte für hoheitliche Tätigkeiten zu bilden, wenn sie selbst nicht hoheitlich tätig wird. Im Ergebnis sind – auch bei der Nutzung nur eines einzigen Bades – der öffentliche Bäderbetrieb und das Schulschwimmen voneinander zu trennen und die entstandenen Aufwendungen anteilig den jeweiligen Sparten zuzuordnen. Der Verlust aus der hoheitlichen Sparte „Schulschwimmen“ ist nicht mit Gewinnen verrechenbar.

Sachverhalt 2 – Kein Querverbund bei Bereithaltung eines Reservebades

Zwischen der kommunalen Eigengesellschaft (Klägerin) und der bäderbetreibenden X-GmbH bestand eine ertragsteuerliche und umsatzsteuerliche Organschaft. Der steuerliche Querverbund zwischen der Bädersparte und der Versorgungssparte wurde im strittigen Zeitraum durch zwei im Hallenbad C installierte mit Gas betriebene Heizkessel sichergestellt. Mit den Gaskesseln wurde der Wärmebedarf des Bades gewährleistet und drei in der Nähe liegende Stadtvillen mit mehreren Wohneinheiten mit Wärme beliefert. Verbindliche Auskünfte lagen vor. Mitte Juli 2011 schloss die X-GmbH das Hallenbad C für den Publikumsverkehr und hielt dieses noch für eine gewisse Zeit als Reservebad betriebsbereit. Das Finanzgericht Münster (Urteil vom 11. Mai 2017 – 10 K 2308/14 K,G,F) wies die für den Zeitraum der Reservehaltung entstandenen Verluste einer gesonderten Sparte zu und erkannte den steuerlichen Querverbund seit diesem Zeitpunkt nicht mehr an.

Nach Auffassung des Finanzgerichtes wurden die Gaskessel unverändert fortgeführt, sodass die technische Verflechtung des Hallenbades C zur Versorgungssparte der Klägerin weiterhin bestand. Dass sich der Wärmebedarf des Hallenbades nach der Schließung erheblich verringert hatte, sah das Gericht als nicht erheblich an. Das Finanzgericht urteilte jedoch, dass das Hallenbad C seit der Schließung keine wesentliche Bedeutung mehr für den Schwimmbetrieb in der Stadt und damit für den Geschäftszweck der Klägerin hatte. Die Wärmeversorgung des Hallenbades C mittels der Gaskessel hatte nach Auffassung des Gerichtes aufgrund der untergeordneten Bedeutung des Bades keine wirtschaftliche Bedeutung von einigem Gewicht mehr.

Entscheidungsgründe des BFH

Der BFH (Urteil vom 16. Dezember 2020 – I R 41/17; veröffentlicht 27. Mai 2021) schloss sich der Vorinstanz an und wies die Revision als unbegründet zurück. Das Finanzamt habe rechtsfehler- frei entschieden, dass die Tätigkeiten Bäderbetrieb und Versorgungsbetriebe für die Zeit der Reservehaltung nicht gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG zusammenfassbar waren.

Der BFH wies im Hinblick auf die Anerkennung des steuerlichen Querverbundes darauf hin, dass zwar kein notwendiger Funktionszusammenhang in der Weise erforderlich sei, dass die Betriebe in ihrer Betätigung gegenseitig aufeinander angewiesen sein müssten. Jedoch müsse eine sachliche Beziehung zwischen den Betätigungen im Sinne eines inneren wirtschaftlichen Zusammenhangs bestehen, der die Zusammenfassung zu einer wirtschaftlichen Einheit rechtfertigt. Diese objektive enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung sah der BFH vorliegend nicht. Die Bedeutung des Reservebades für die wirtschaftliche Einheit sei auf den Ausnahmefall der Betriebsstörung beschränkt und aufgrund der bindenden Feststellungen des Finanzgerichtes somit eine wechselseitige Verflechtung ausgeschlossen. Ob aus Sicht der Versorgungssparte durch die im Hallenbad C installierten Gaskessel eine Verflechtung gegeben ist, sei daher unerheblich. Dem stünde auch die erteilte verbindliche Auskunft nicht entgegen, da es sich bei der Schließung/Vorhaltung um eine wesentliche Änderung des zugrundeliegenden Sachverhaltes handelte und die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft damit entfallen sei.

Praxishinweis

Die Tatsache, dass der BFH in beiden Entscheidungen das Vorliegen eines steuerlichen Querverbundes verneint hat, ist für die Kläger in den jeweiligen Einzelfällen hinzunehmen. Der weitere Rechtsgang ist ausgeschlossen.

Der BFH hat sich erneut die Chance genommen, die Frage durch Vorlage beim EuGH zu klären, ob es sich bei der deutschen Regelung zum steuerlichen Querverbund um eine staatliche Beihilfe i. S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt. Das zuletzt dahingehend angestrengte Vorlageverfahren (BFH, Beschluss vom 13. März 2019, I R 18/19) des Bundesfinanzhofs (BFH) über den Beihilfecharakter der Verlustausgleiche dauerdefizitärer Eigengesellschaften juristischer Personen des öffentlichen Rechts wurde beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ohne Entscheidung eingestellt (BFH, Beschluss vom 29. Januar 2020, I R 4/20).

Gleichwohl wies der BFH in beiden Urteilen darauf hin, dass für diejenigen Dauerverluste des Bäderbetriebs, die nicht durch das Schulschwimmen veranlasst waren und das Finanzamt bereits zur Verrechnung im steuerlichen Querverbund zugelassen hatte, kein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH in Betracht komme, da der BFH infolge des Verböserungsverbotes die Rechtsposition der Klägerin (u. U. Versagung der Verlustverrechnung) im Vergleich zur Rechtsposition vor Klageerhebung (Anerkennung der Verlustverrechnung) nicht verschlechtern darf.

Damit bleibt trotzdem die Ungewissheit für Kommunen und ihre Eigengesellschaften zur beihilferechtlichen Problematik des steuerlichen Querverbundes weiterhin bestehen.

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