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Schädlicher Anteilserwerb bei einer Mehrzahl von Erwerbern (Erwerbergruppe)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich mit Urteil vom 22. November 2016 (Az. I R 30/15) zum Verlustabzug bei einem schädlichen Beteiligungserwerb unter Vorliegen einer Erwerbergruppe zu Gunsten der Steuerpflichtigen / der Gesellschaft geäußert.

19.06.2017

Nach den Regelungen des Körperschaftsteuerrechts (§ 8c KStG) hat ein sog. schädlicher Beteiligungserwerb einen (anteiligen) Wegfall von steuerlichen, nicht genutzten Verlusten zur Folge. Ein solcher schädlicher Beteiligungserwerb liegt nach § 8c Abs. 1 Sätze 1 und 2 KStG vor, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 % oder mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder eine diesem nahe stehende Person übertragen werden. Als Erwerber gilt nach § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG auch eine sog. Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen.

Mit seinem Urteil vom 22. November 2016 hat der BFH die Voraussetzungen, unter welchen eine solche Gruppe anzunehmen ist, präzisiert und urteilte, dass eine Gruppe von Erwerbern nur dann anzunehmen sei, wenn mehrere Erwerber bei dem (auch mittelbaren) Erwerb von Anteilen an einer Verlustgesellschaft zusammenwirken und sie auf der Grundlage einer im Erwerbszeitpunkt bereits bestehenden Absprache im Anschluss an den Erwerb einen beherrschenden Einfluss in der Gesellschaft ausüben können.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die drei Gesellschafter einer GmbH, die wiederum selbst zu 53 % an einer beteiligungsverwaltenden GmbH beteiligt war, veräußerten ihre Anteile zu je 33,33% an drei weitere Gesellschafter der beteiligungsverwaltenden GmbH, sodass diese mittelbar jeweils zusätzliche 17,67% „ihrer“ GmbH erwarben. Die drei Gesellschafter haben daher insgesamt zusammen 53 % erworben. Das Finanzamt war der Auffassung, bei den Erwerbern handele es sich um eine Erwerbergruppe im Sinne von § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG, sodass ein Verlustabzug bei der beteiligungsverwaltenden GmbH gemäß § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG vollständig versagt wurde.

Nach Ansicht des BFH seien die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Erwerbergruppe, die das Zusammenrechnen der Anteilserwerbe ermöglichen würden, hingegen nicht erfüllt, da es an gleichgerichteten Interessen fehle. § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG lässt demnach offen, auf welchen Umstand sich das jeweilige Interessen erstrecken muss. Ein sog. „neues wirtschaftliches Engagement“ liege nur dann vor, wenn die Erwerbergemeinschaft nicht nur in der Situation des Erwerbes, sondern auch in Zukunft willens und in der Lage sei, als „Gruppe“ aufzutreten. Dies sei im vorliegenden Fall zu verneinen. Eine aus dem Umstand, dass die drei Gesellschafter zusammen beim Kauf auftraten, ableitbare und offensichtlich unstreitige Absprache zwischen den einzelnen Erwerbern begründe ebenfalls keine gleichgerichteten Interessen. Weiterhin reicht es nach Ansicht des BFH für das Vorliegen eines „neuen wirtschaftlichen Engagements“ nicht aus, dass eine Beherrschungsmöglichkeit durch die Erwerber aus rein rechnerischen Aspekten vorliege.

Der BFH betonte außerdem, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Erwerbergruppe grundsätzlich beim Finanzamt liegt.

Mit dem Urteil wendet sich der BFH gegen die Auffassung der Finanzverwaltung. Diese vertritt die Auffassung, dass z.B. die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks i.S.d. § 705 BGB zur Begründung gleichgerichteter Interessen genügt. Regelmäßig soll nach Ansicht der Finanzverwaltung davon ausgegangen werden, dass gleichgerichtete Interessen vorliegen, wenn eine Abstimmung zwischen den Erwerbern stattgefunden hat. Indiz für gleichgerichtete Interessen sollte auch die gemeinsame Beherrschung der Kapitalgesellschaft sein (vgl. jeweils Tz. 27 des BMF-Schreibens vom 4. Juli 2008 (BStBl. 2008 I, 736). Bislang hat die Finanzverwaltung erfahrungsgemäß schnell das Vorliegen von gleichgerichteten Interessen und damit einer Erwerbergruppe angenommen. Nunmehr muss aber das Finanzamt Beweise vorbringen, die für die gleichgerichteten Interessen sprechen. Die bloße Behauptung genügt wegen der Beweislast nicht mehr. Da aber auch die Indizien, die für das Vorliegen von gleichgerichteten Interessen sprechen, durch den BFH konkretisiert worden sind, wird es der Finanzverwaltung nunmehr schwerer fallen, den Verlustabzug insoweit zu versagen. Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung das Urteil anwenden wird.

Wir weisen zusätzlich auf die durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) grundsätzlich festgestellte Verfassungswidrigkeit des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG hin. Durch das Urteil des BFH wird die Höhe der festzusetzenden Körperschaftsteuer des Streitjahres bzw. die Höhe des vortragsfähigen Verlustes im vorliegenden Fall nicht berührt, sodass sich die durch das BVerfG festgestellte Verfassungswidrigkeit des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG auf dieses Urteil nicht auswirkt. Aus dem Umstand heraus, dass der BFH aber auf das Urteil des BVerfG verweist, lässt sich unter Umständen ableiten, dass der BFH seine Zweifel hat, dass der § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG (Beteiligungserwerbe größer 50 %) verfassungsgemäß ist.

Empfehlung / Fazit:

Sofern die Finanzverwaltung den Verlustabzug versagt oder einen Untergang von steuerlichen Verlustvorträgen feststellt, weil eine Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen vorliegen soll, sollte man zunächst im 1. Schritt unter Hinweis auf das Urteil auf die Beweislast des Finanzamtes hinweisen. Es müssen konkrete Beweise vorliegen. In einem zweiten Schritt sollten dann die von der Finanzverwaltung vorgebrachten Beweise bzw. Indizien dahingehend geprüft werden, ob diese tauglich sind, gleichgerichtete Interessen anzunehmen.

Wenn man mit der Argumentation nicht gegen die Auffassung der Finanzverwaltung durchdringen sollte, sollten die Verfahren im Hinblick auf das Urteil des BVerfG offengehalten werden.

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