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EuGH-Urteil: Umsatzsteuerpflicht für Verwaltungsräte?

Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 21. Dezember 2023 – C-288/22 – TP geurteilt, dass Verwaltungsräte trotz variabler Vergütung nur dann umsatzsteuerpflichtige Unternehmer sind, wenn sie am Erfolg und dem Risiko der Gesellschaft beteiligt sind. Eine rein deliktische Haftung reicht dafür nicht aus. Die pauschale 10 %-Grenze der Finanzverwaltung, wonach die Aufsichtsratsvergütung der Umsatzsteuer unterliegt, wenn sie zu mindestens 10 % variabel ist, ist demnach wohl nicht mehr haltbar.

15.02.2024
Umsatzsteuern
Hintergrund

Der EuGH legte mit Urteil vom 13. Juni 2019 (C-420/18) fest, dass die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds einer Stiftung bei fester Vergütung als unselbständig und somit als nichtumsatzsteuerbar zu deklarieren ist. Dies nahm der BFH zum Anlass, um seine Rechtsprechung bezüglich Aufsichtsräten mit Festvergütung zu ändern (V R 23/19). Die Finanzverwaltung folgte dem Trend und änderte ebenfalls ihre Auffassung: Nach Abschnitt 2.2 Abs. 3a UStAE gelten nur noch Aufsichtsräte mit einem variablen Vergütungsanteil ab 10 % als (umsatzsteuerpflichtige) Unternehmer (vgl. eureos Newsletter vom 13. Juli 2021).

Der Fall

Im aktuellen EuGH-Fall ging es um einen Rechtsanwalt -TP- aus Luxemburg, der für vier verschiedene Aktiengesellschaften im Verwaltungsrat sitzt. Ein Arbeitsvertrag besteht nicht. Der Verwaltungsrat ist nach Luxemburger Gesellschaftsrecht ein Pflichtorgan der Aktiengesellschaft und entscheidet über die Rechnungslegung, die Risikopolitik und die von der jeweiligen Gruppe zu verfolgende Strategie. Das Luxemburger Gesellschaftsrecht sieht keine persönliche Verpflichtung der Verwaltungsratsmitglieder in Bezug auf die Verbindlichkeiten der Gesellschaft vor. Die Vergütung TPs besteht in einer Festvergütung sowie in einer Erfolgsbeteiligung. Er selbst ging davon aus, kein Unternehmer und daher auch nicht umsatzsteuerpflichtig zu sein. Die Luxemburger Finanzverwaltung sah das anders.

Das Urteil

Der EuGH benennt verschiedene Kriterien, die ein Verwaltungsrat erfüllen muss, um als selbständig und damit als Unternehmer zu gelten. Zu prüfen ist insbesondere, ob er seine Tätigkeiten im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung ausführt und ob er das mit der Ausübung dieser Tätigkeiten verbundene wirtschaftliche Risiko trägt. Hierbei sind maßgeblich die nationalen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen, die die Verantwortlichkeiten und die Haftung der Beteiligten regeln. Da im Streitfall nicht TP selbst, sondern nur die Gesellschaft eventuelle negative Folgen der Entscheidungen von TP tragen müsste, fehle es an einem eigenen wirtschaftlichen Risiko des TP.

An dieser Einordnung ändere sich auch nichts, wenn die Vergütung des Verwaltungsrats variabel anhand des erzielten Gewinns der Gesellschaft ermittelt werde. Denn hierdurch werde dem Mitglied gerade nicht das Verlustrisiko auferlegt, welches entscheidend für die Bestimmung einer selbstständigen Tätigkeit sei. Insbesondere sei es auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine Vergütung auch in Verlustjahren und im Liquidationsfalle gewährt würde.

Praxishinweis

Der Fall spielt in Luxemburg. Dort kann zwar ein Verwaltungsrat auch Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmen, im Streitfall war dies aber gerade nicht der Fall. Das Urteil dürfte daher auch auf ein deutsches Aufsichtsratsmitglied übertragbar sein.

Nach dem EuGH führt auch eine variable Vergütung nicht zwingend zur Selbständigkeit und damit zur Unternehmereigenschaft des Aufsichtsratsmitglieds. Die pauschale Abgrenzung der deutschen Finanzverwaltung (Fest- sowie Mischvergütung mit variablem Anteil unter 10 % : kein Unternehmer; Mischvergütung ab variablem Anteil in Höhe von 10 %: Unternehmer), greift hier zu kurz. Selbständig handelt ein Aufsichtsratsmitglied nach den EuGH-Grundsätzen nur dann, wenn die (variable) Vergütung auch ein Verlustrisiko des einzelnen Mitglieds abbildet.

Aufsichtsräte, die nach dieser Rechtsprechung gegebenenfalls aus der Steuerbarkeit herausfallen, sind für die mit ihrer Tätigkeit verbundenen Eingangsleistungen nicht mehr zum Vorsteuerabzug berechtigt. Umgekehrt ist für Gesellschaften, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, eine Rechnung des Aufsichtsratsmitglieds ohne Umsatzsteuer in der Regel günstiger.

Das Thema Aufsichtsratsvergütungen bleibt somit spannend. Neben der umsatzsteuerlichen Beurteilung sind hier stets auch lohnsteuerliche oder sozialversicherungsrechtliche Aspekte im Blick zu halten.

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Jana Massow
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Dr. Kerstin Desens
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