Fachnews
Insolvenzanfechtungsrecht – Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 28. Januar 2021, AZ: IX ZR 64/20) hatte sich wieder einmal mit der Vorsatzanfechtung auseinanderzusetzen. Einerseits ging es darum, unter welchen Umständen ein Gläubiger von einer Zahlungsunfähigkeit/ Gläubigerbenachteiligungsabsicht seines Schuldners ausgehen muss. Andererseits war die Besonderheit zu beachten, dass die Zahlung an den Gläubiger nicht von der insolventen GmbH, sondern von deren Geschäftsführer erbracht wurde. Während das Landgericht und das Oberlandesgericht die Klage des Insolvenzverwalters abgewiesen hatten, entschied der BGH für den Verwalter.

19.04.2021

Das Urteil des BGH vom 28. Januar 2021, AZ: IX ZR 64/20 finden Sie hier.

1. Der Fall

Eine neu gegründete GmbH geriet schon wenige Monate nach der Gründung in eine finanzielle Schieflage. Rücklastschriften und Vollstreckungsmaßnahmen waren die Folge. Die GmbH führte auch die von ihr zu leistenden Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr ordnungsgemäß ab.

Wegen Steuerrückständen erließ das Finanzamt am 25. März 2014 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung. Die Pfändung hatte keinen Erfolg, da das entsprechende Konto bereits wieder gekündigt worden war. Am 27. Mai 2014 versuchte das Finanzamt daraufhin das bewegliche Vermögen der GmbH zu vollstrecken. Auch dieser Vollstreckungsversuch blieb erfolglos. Allerdings erhielt das Finanzamt am 28. Mai 2014 eine Überweisung vom Privatkonto des Geschäftsführers der GmbH – dabei waren Mittel der GmbH in entsprechender Höhe zuvor auf das Privatkonto des Geschäftsführers (mit einem entsprechenden Hinweis auf die Steuerschuld) überwiesen worden. Diesen Betrag verlangte der Insolvenzverwalter nunmehr vom Finanzamt zurück.

Das OLG war in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass das Finanzamt von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners erst mit der fruchtlosen Vollstreckung am 27. Mai 2014 Kenntnis hatte. Obgleich die Zahlung einen Tag später einging sei die Zahlung nicht anfechtbar, da in der Zahlung des Geschäftsführers keine „Rechtshandlung des Insolvenzschuldners“ zu sehen sei. Eine solche setze die Insolvenzanfechtung aber voraus.

2. Die Entscheidung

Dem trat der BGH entgegen. Er verwies darauf, dass für die Beantwortung der Frage, ob eine Rechtshandlung des Insolvenzschuldners vorliegt, allein auf die objektiven Gegebenheiten abzustellen sei – auf die Kenntnis des Anfechtungsgegners komme es insoweit nicht an. Nach den objektiven Umständen habe die GmbH aber die Zahlung unter Einschaltung des Kontos des Geschäftsführers bewirkt, es handele sich dementsprechend um eine mittelbare Zuwendung der späteren Insolvenzschuldnerin.
Vor diesem Hintergrund habe das Finanzamt die Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldnerin im Zeitpunkt der Zahlung gekannt. Dabei erkennt der BGH an, dass bis zum 27. Mai 2014 noch keine sicheren Beweisanzeichen für das Finanzamt erkennbar waren, die einen sicheren Schluss auf die zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit zugelassen haben. Denn die Zahlung sei erst am 28. Mai 2014 erfolgt. Entscheidend sei hier die Wertstellung auf dem Konto des Anfechtungsgegners, hier also des Finanzamtes. Ohne Bedeutung sei dabei, dass der Betrag vor diesem Zeitpunkt von einem Geschäftskonto der späteren Insolvenzschuldnerin auf das Konto des Geschäftsführers überwiesen worden sei – und der Eingang dieses Geldes auf dem Geschäftsführerkonto vor dem 27. Mai 2014 erfolgte. Zwar stelle die herrschende Literaturmeinung in diesem Zusammenhang auf den Zeitpunkt der Zahlung auf das Konto des Leistungsmittlers (hier also des Geschäftsführers) ab, diese Ansicht sei aber unzutreffend. Die Minderung des Schuldnervermögens erfolge zwar bereits durch diese Zahlung, entscheidend sei aber der Zahlungseingang beim Gläubiger, da die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung erst zu diesem Zeitpunkt eintreten. Es sei auch kein Grund ersichtlich, eine mittelbare Zuwendung dadurch zu bevorzugen, dass der für die Beurteilung der Anfechtungsvoraussetzungen maßgebliche Zeitpunkt auf den Eingang der Gelder beim Leistungsmittler vorverlegt werde.

3. Anmerkungen und Praxishinweis

Diese Entscheidung zeigt zweierlei. Zunächst lässt die Rechtsprechung nicht jedes Indiz zu, wenn die Kenntnis des Zahlungsempfängers von der Zahlungsunfähigkeit/dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners beurteilt wird. Selbst einzelne Zwangsvollstreckungsmaßnahmen müssen nicht schon die Annahme einer solchen Kenntnis rechtfertigen. Andererseits dürfte diese Annahme umso eher gerechtfertigt sein, je häufiger entsprechende Maßnahmen ins Leere laufen. Letztlich ist immer die Gesamtsicht entscheidend. Zudem ist der BGH auch nach der Reform des Insolvenzanfechtungsrechts durchaus bereit, das Insolvenzanfechtungsrecht durch die Auslegung der zugrundeliegenden Rechtsnormen zu verschärfen.

Für Fragen rund um das Thema Insolvenzanfechtung stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Sprechen Sie uns an.

Besuchen Sie auch unser Corona-Newsportal. Darin stellen wir kontinuierlich Neuigkeiten zu rechtlichen, steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen in der Corona-Krise für Sie zusammen.

Corona-Newsportal Wie Sie als Unternehmen die Krise meistern 

Wir beraten persönlich

Ihre Ansprechpartner
Prof. Dr. Ulf Gundlach
Prof. Dr. Ulf Gundlach

Partner, Rechtsanwalt, Staatssekretär a. D.

Dr. Almuth Werner
Dr. Almuth Werner

Partnerin, Rechtsanwältin

eureos Infoservice

Wir behalten den Überblick für Sie: Mit unserem multidisziplinären Newsletter informieren wir Sie einmal monatlich über aktuelle Fachthemen und senden Ihnen Einladungen zu unseren Fach- und Netzwerkveranstaltungen.

Jetzt anmelden