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BVerfG – Zinsschranke verfassungswidrig?

Der Bundesfinanzhof hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Zinsschrankenregelung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt und deshalb verfassungswidrig ist (BFH-Beschluss vom 14. Oktober 2015 – I R 20/15 – veröffentlicht am 10. Februar 2016).

17.02.2016

17.02.2016

I. Hintergrund

Die Nettozinsaufwendungen eines Betriebes – die einen Betrag von EUR 3 Mio. übersteigen – sind nach § 4h Abs. 1 EStG (i. V. m. § 8a Abs. 1 KStG) regelmäßig nur in Höhe des verrechenbaren EBITDA abziehbar. Dies führt im Ergebnis zu einer Beschränkung des Betriebsausgabenabzuges von Zinsaufwendungen in dem Veranlagungszeitraum, in dem diese entstanden sind.

II. Der Sachverhalt im Einzelnen

Im vorliegenden Fall führte die Zinsschrankenregelung bei einer zu einem inländischen Konzern gehörenden Kapitalgesellschaft zu nicht abziehbaren Zinsaufwendungen und zur Feststellung eines Zinsvortrages. Der festgestellte Zinsvortrag entfiel im Folgejahr aufgrund einer Umstrukturierung auf Ebene der Anteilseigner.

Die Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofes (BFH) im vorläufigen Rechtsschutz-verfahren und die Reaktion der Finanzverwaltung hierauf hatten wir in unseren Newsbeiträgen vom 9. Dezember 2014 und vom 6. Mai 2014 im Einzelnen dargestellt. Mit Beschluss vom 18. Dezember 2013 hatte der BFH die Aussetzung der Vollziehung gewährt, welchen das Bundesfinanzministerium am 13. November 2014 für nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwendbar erklärte.

III. Verfassungsrechtliche Bedenken

Der BFH sieht durch die Zinsschranke das Gebot zur Besteuerung nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen verletzt. Nach Auffassung des BFH liegt damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Durch die Nichtabziehbarkeit der Zinsaufwendungen werde nicht das objektive Nettoeinkommen besteuert. Auch eine spätere Zinsvortragsnutzung könne durch Umstrukturierungsmaßnahmen entfallen. Zudem werde dem Steuerpflichtigen durch die zinsschrankenbedingte Steuerlast Liquidität entzogen.

Nach Auffassung des BFH ist die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips nicht durch einen besonderen sachlichen Grund ausreichend gerechtfertigt.

Nach der Gesetzesbegründung solle die Zinsschranke unter anderem das Eigenkapital deutscher Unternehmen stärken, das deutsche Steuersubstrat sichern und missbräuchliche Steuergestaltungen vermeiden. Besonders in einem „reinen Inlandsfall“ sei die Gesetzesbegründung nicht tragfähig, da hier eine das deutsche Besteuerungssubstrat gefährdende Gewinnverlagerung durch Fremdkapitalisierung ausgeschlossen sei.

Auch eine Begründung im Sinne einer Missbrauchsabwehr sei nicht zielgenau formuliert, da durch die Freigrenze in Höhe von EUR 3 Mio. missbräuchliche Gestaltungen unterhalb dieser Freigrenze nicht durch die Regelung erfasst werden, während andererseits Finanzierungsgestaltungen erfasst werden, die marktüblich, sinnvoll und typischerweise nicht missbräuchlich sind.

IV. Auswirkungen auf die Praxis

Für von der Zinsschrankenregelung betroffene Steuerpflichtige bedeutet die Vorlage zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG), dass die entsprechenden Steuerbescheide unter Verweis auf das anhängige Verfahren mit Hilfe eines Einspruchs offengehalten und das Ruhen des Einspruchsverfahrens beantragt werden sollte. Eine vorläufige Steuerfestsetzung im Sinne des § 165 AO kann ebenso in Betracht gezogen werden. Aufgrund der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken könnte das BVerfG geneigt sein, die Zinsschrankenregelung für verfassungswidrig zu erklären. Abzuwarten bleibt, ob – sofern sich das BVerfG der Meinung des BFH anschließt – die Zinsschrankenregelung für die Vergangenheit für verfassungswidrig erklärt wird, oder ob dem Gesetzgeber lediglich aufgegeben wird, eine Neuregelung zu treffen. Mit Spannung wäre insbesondere eine Antwort auf die Frage zu erwarten, wie das BVerfG die Zinsschrankenregelung bei Auslandssachverhalten sieht. Ob und inwieweit sich das BVerfG allerdings hierzu äußern wird, vermag derzeit niemand zu beurteilen.

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