Fachnews
BMF zur Umsatzsteuersenkung bei der Margenbesteuerung und Rückkehr zur „Normalsteuerphase“ ab 1. Januar 2021

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 4. November 2020 Stellung zu Streitfragen über die Senkung der Umsatzsteuersätze in der Zeit vom 1. Juli 2020 und 31. Dezember 2020 sowie zur Rückkehr zu den „alten“ Steuersätzen (19 % bzw. 7 %) zum 1. Januar 2021 genommen.

19.11.2020
Hintergrund

Am 3. Juni 2020 kündigte die Regierungskoalition überraschend die temporäre Senkung der Umsatzsteuersätze als Konjunkturmaßnahme während der Corona-Pandemie an. Die Senkung wurde mit dem „Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz am 29. Juni 2020 beschlossen und trat zum 1. Juli 2020 in Kraft. Zeitlich begrenzt wurde die Senkung, mit wenigen Ausnahmen (Restaurationsleistungen) bis Ende des Jahres. Wir berichteten in unseren Beiträgen vom 9. Juni 2020 und 30. Juni 2020. Ab dem 1. Januar 2021 kehren wir zur „Normalsteuerphase“ zurück. Aufgrund des kurzfristigen Beschlusses der Steuersatz-Senkung stand im Sommer für alle Unternehmen ein schnelles Umdenken auf dem Plan. Durch klärende BMF-Schreiben wurde versucht gerade für die Umstiegsphase Rechtsicherheit und Erleichterungen zu schaffen, beispielsweise durch Nichtbeanstandungsregeln. Viele Einzelfragen blieben jedoch ungeklärt und letztlich hat die kurzfristige Senkung der Umsatzsteuersätze für ein hohes Maß an „unproduktivem Aufwand“ bei den Unternehmen gesorgt. Da sich nun die erneute Umstiegsphase nähert, hat das BMF u.a. zur Margenbesteuerung, zur Gutscheinproblematik und zu anderen branchenspezifischen Fragen Stellung bezogen.

Margenbesteuerung und Differenzbesteuerung

Bei der Sonderregelung für die Besteuerung von Reiseleistungen bildet die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer nicht das Entgelt, sondern die Differenz (Marge) aus dem Betrag, den der Leistungsempfänger entrichtet und den Aufwendungen für die Reisevorleistungen.

Zur Vereinfachung der Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage ist es (nur) noch bis zum 31. Dezember 2021 möglich, statt Einzelmargen, Gruppen- bzw. Gesamtmargen zu bilden (§ 25 Abs. 3 S. 3 UStG a.F. i.V.m. § 27 Abs. 26 UStG n.F.). Ermittelt der Unternehmer seine 2020er-Umsätze nach dieser Vereinfachungsregelung als Gesamtmarge können die Umsätze für das gesamte Jahr 2020 – ohne weitere Abgrenzung – dem gesenkten Steuersatz von 16 % unterworfen werden, wenn diese Gesamtmarge für 2020 überhaupt positiv ist.

Auch bzgl. der Differenzbesteuerung der Wiederverkäufer darf auf die Gesamtmarge für das gesamte Jahr 2020 der gesenkte Steuersatz in Höhe von 16 % angewandt werden.

Gastgewerbe / Beherbergungen

Anders als es bei früheren Steuersatzanhebungen der Fall war, sind für Beherbergungen und damit zusammenhängende Leistungen in der Nacht vom 30. Juni.2020 auf den 1. Juli 2020 die ab dem 1. Juli 2020 geltenden Steuersätze von 5 % bzw. 16 % anzuwenden. Aus Vereinfachungsgründen wird es zugelassen, dass diese Steuersätze auch auf Bewirtungsleistungen (z. B. Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle, Tabakwarenlieferungen usw.) sowie für Beherbergungen und die damit zusammenhängenden Leistungen in der Silvesternacht vom 31. Dezember 2020 auf den 1. Januar 2021 angewendet werden.

Gutscheine auf Restaurationsleistungen

Das BMF unterscheidet bei Restaurationsleistungen im vorliegenden Schreiben zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen. Aufgrund der umsatzsteuerlichen Sonderregelungen für Restaurationsleistungen (siehe 5. Mandantenrundschreiben 2020), und der Verlängerung der gesenkten Steuersätze bis zum 31. Juni 2021, ist nicht ersichtlich, welcher Steuersatz zum Zeitpunkt des Einlösens bei der Ausstellung des Gutscheins zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Juni 2021 gilt. Aus diesem Grund sind Gutscheine für Restaurationsleistungen, die in diesem Zeitraum ausgegeben werden als Mehrzweck-Gutscheine anzusehen. In diesem Zeitraum ist ein Gutschein nur als Einzweck-Gutschein anzusehen, wenn er explizit für die Ausgabe von Speisen oder Getränken beschränkt wird. Für Mehrzweck-Gutscheine ist der geltende Steuersatz bei Einlösung des Gutscheins anzuwenden.

Bei Gutscheinen, die vor dem 1. Juli 2020 ausgegeben wurden, bleibt es bei der Versteuerung als Einzweck-Gutschein mit 19 Prozent, auch wenn die Einlösung im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021 erfolgt. Denn für die Behandlung als Einzweck-Gutschein ist ausschließlich auf die Gesetzeslage im Zeitpunkt der Ausgabe abzustellen.

Für die Ausstellung ab dem 1. Juli 2021 gelten Gutscheine für Restaurationsleistungen, einschließlich Getränkeausgaben wie bisher als Einzweck-Gutschein.

Kein Einzweckgutschein bei verbindlicher Bestellung

Diskutiert wurde auch, ob die niedrigeren Steuersätze durch die Ausgabe eines Einzweck-Gutscheins bis Ende 2020 über den 31. Dezember 2020 hinaus „gesichert werden“ können. Dem hat das BMF jedoch eine Absage erteilt, soweit es sich um „Gutscheine“ für einen verbindlich bestellten und bezahlten Gegenstand handelt, bei dem ein späterer Umtausch, eine Barauszahlung oder eine Übertragung des Gutscheins auf einen anderen Verkäufer bzw. Käufer ausgeschlossen ist.

Demnach ist der Erwerb eines Pkw in 2020, der aber erst in 2021 ausgeliefert werden soll, nicht mit Hilfe eines Einzweckgutscheins mit einem Steuersatz von 16 % anstatt 19 % möglich. In solchen Fällen besteht der Unterschied zum Einzweck-Gutschein darin, dass der Leistungsgegenstand nicht nur bestimmbar, sondern – wie im Falle einer verbindlichen Bestellung – inhaltlich genau bestimmt ist. Der Erwerber hat keine Möglichkeit, den tatsächlichen Auslieferungszeitpunkt auszuwählen bzw. zu beeinflussen. Die Umsatzsteuer ist bei Bezahlung des Pkw vor dem 1. Januar 2021 zunächst mit einem Steuersatz von 16 % zu berechnen. Bei Lieferung des Pkw nach dem 31. Dezember 2020 hat anschließend eine Berichtigung auf 19 % im Zeitpunkt der Lieferung zu erfolgen.

Wiederkehrende Leistungen

Anders als das BMF-Schreiben vom 30. Juni 2020 (Rz. 23) vermuten ließ, zählen bestimmte Wartungsverträge nicht zu den Dauerleistungen. Sie sind als wiederkehrende Leistungen anzusehen. Das BMF stellt hierbei auf den Tatbestand der zeitpunktbezogen zu erbringenden Tätigkeit ab, die lediglich aufgrund eines Jahresvertrages zivilrechtlich den Anschein eines Dauerschuldverhältnisses erweckt. Eine echte Dauerleistung gehe dabei von einer durchgehend geschuldeten Leistungsbereitschaft bzw. -erbringung aus.

Ob bei Wartungsverträgen tatsächlich ein Dauerschuldverhältnis oder „nur“ eine wiederkehrende Leistung vorliegt, ist stark einzelfallabhängig und lässt sich nicht pauschal auf eine bestimmte Vertragsgestaltung übertragen.

Auf wiederkehrende Leistungen ist der zum Zeitpunkt der Leistungserbringung geltende Steuersatz maßgebend. Für Dauerleistungen gilt der Zeitpunkt der Beendigung des vereinbarten Leistungszeitraumes.

Sonstige Stellungnahmen

Des Weiteren befasst sich das Schreiben im Einzelnen mit:

  • Voraus-und Anzahlungsrechnungen,
  • der Erstattung von Pfandbeträgen,
  • der Gewährung von Jahresboni,
  • den Herstellerrabatten bei der Abgabe pharmazeutischer Produkte,
  • der Besteuerung von Strom-, Gas-, Wasser-, Kälte-und Wärmelieferungen sowie von Abwasserbeseitigung,
  • Besteuerung von Personenbeförderungen im Schienenbahnverkehr, im Linienverkehr, mit Kraftfahrzeugen und im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen,
  • den Sonder-und Ausgleichszahlungen bei Miet-oder Leasingverträge,
  • Zeitungs-und Zeitschriftenabonnements,
  • dem Leistungszeitpunkt bei Leistungen eines Insolvenzverwalters,
  • den Leistungen des Gerüstbauerhandwerks.

Das BMF-Schreiben in Gänze finden Sie hier.

Praxishinweis

Das BMF sorgt mit dem vorliegenden BMF-Schreiben für mehr Rechtssicherheit, doch stehen weiterhin noch einige Fragen zur Klärung aus. Immerhin dürfte die Rückkehr zur Normalsteuerphase wegen des längeren zeitlichen Vorlaufs weniger technische Umstellungsprobleme nach sich ziehen, als dies bei der überraschenden Absenkung zum 1. Juli 2020 der Fall war.

Nicht (voll) zum Vorsteuerabzug berechtigte Leistungsempfänger sollten prüfen, inwiefern sie Leistungen möglichst noch zum abgesenkten Steuersatz bis zum 31. Dezember 2020 beziehen können. Beispielsweise sollte bei der Ausführung von Bauleistungen, die nicht bis zum 31. Dezember 2020 ausgeführt und abgenommen werden können, geklärt werden, ob nicht bis zum 31. Dezember 2020 noch eine vertragliche Vereinbarung über die Ausführung von Teilleistungen abgeschlossen werden kann und die bis zum 31. Dezember 2020 tatsächlich ausgeführten Teilleistungen dann auch bis zu diesem Zeitpunkt abgenommen (und abgerechnet) werden können.

Voll vorsteuerabzugsberechtigte Leistungsempfänger sollten primär die Abgrenzung und Rechnungsausstellung bei über den Stichtag hinaus erbrachten Leistungen im Blick behalten. Auch gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Steuersatzabsenkung zum 1. Juli 2020 können sich im Einzelfall Schwierigkeiten bei der systematischen Abgrenzung ergeben, die dann das Risiko einer Nachbelastung für den leistenden Unternehmer mit Umsatzsteuer oder die Gefährdung des Vorsteuerabzugs bei dem Leistungsempfänger nach sich ziehen.

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