Im Rahmen der sog. Quick Fixes ist mit Wirkung ab 1. Januar 2020 ein § 6b UStG mit dem Ziel eingeführt worden, bestimmte Konsignationslagerfälle in der EU zu vereinfachen. Mit seinem Einführungsschreiben zum § 6b UStG vom 10. Dezember 2021 erläutert das BMF, wie § 6b UStG aus Sicht der Verwaltung auszulegen ist und passt den Umsatzsteueranwendungserlass entsprechend an.
Das Schreiben des BMF vom 10. Dezember 2021 finden Sie hier.
1. Regelungsinhalt von § 6b UStG in Kürze
Bei einem Konsignationslagerfall wird die Ware aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat verbracht, die Verfügungsmacht geht aber noch nicht im Zusammenhang mit dem Warentransport auf den Käufer über. Die Ware lagert vielmehr „bloß“ bei dem Kunden in dem anderen Mitgliedstaat und wird erst zu einem späteren Zeitpunkt (z. B. für den Weiterverkauf, Verwendung als Ersatzteil oder zur weiteren Bearbeitung) entnommen. Erst bei Entnahme soll umsatzsteuerlich die Verfügungsmacht verschafft werden.
Unter Einhaltung enger Voraussetzungen sind diese Lieferungen nunmehr einheitlich erst im Zeitpunkt der Entnahme aus dem Lager im Abgangsmitgliedstaat als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen und im Bestimmungsmitgliedstaat als innergemeinschaftlicher Erwerb zu behandeln. Damit entfällt eine Registrierungspflicht des Lieferers im Bestimmungsmitgliedstaat (siehe auch unsere Newsbeiträge vom 3. Februar 2020 und vom 14. Mai 2019). Problematisch ist jedoch, dass der intendierte Vereinfachungseffekt nur eintritt, wenn die zahlreichen in § 6b UStG normierten Voraussetzungen erfüllt sind:
- Vereinbarung: Verschaffen der Verfügungsmacht erst nach Transportende
- Lieferer ohne Sitz/Geschäftsleitung/Betriebsstätte im Bestimmungsmitgliedstaat
- Erwerber verwendet gegenüber Lieferer bis Transportbeginn USt-IdNr. des Bestimmungs-/Lagerstaats
- gesonderte Aufzeichnung des Warentransports in den Bestimmungsmitgliedstaat durch Lieferer, § 22 Abs. 4f UStG („Lager-Register“)
- rechtzeitige, richtige, vollständige Abgabe der Zusammenfassenden Meldung durch Lieferer bei Warentransporten über Konsignationslager
- Lieferung an Erwerber binnen 12 Monaten nach Transportende.
2. Keine Anwendung des § 6b UStG durch (bewusstes) Nichterfüllen der Voraussetzungen
Erfreulicherweise stellt die Finanzverwaltung ausdrücklich klar, dass durch die (bewusste) Nichterfüllung einer der Voraussetzungen in § 6b Abs. 1 und Abs. 5 innerhalb der 12-Monatsfrist nach Transportende der liefernde Unternehmer erreichen kann, dass die Vereinfachungsregelung nicht zur Anwendung kommt. Da die Regelung gegenstandsbezogen ist, führe der Verstoß gegen die Voraussetzungen bei einem Gegenstand nicht automatisch auch zum Ausschluss der Regelung bei anderen Gegenständen. Somit besteht für Unternehmer faktisch ein Wahlrecht für oder gegen die Anwendung der neuen Konsignationslagerregelung.
Konsequenz bei Nichterfüllen der Voraussetzungen: Der Gegenstand gilt dann als innergemeinschaftlich verbracht. Dies bedeutet, dass der Unternehmer im Ausgangsmitgliedstaat eine fiktive Lieferung nach § 3 Abs. 1a UStG (an sich selbst) und im Bestimmungsmitgliedstaat einen fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerb (von sich selbst) nach § 1a Abs. 2 UStG anmelden muss. Dies setzt dann – wenn das Bestimmungsland nicht die Anmeldung über einen Fiskalvertreter ermöglicht – eine Registrierung im Bestimmungsmitgliedstaat voraus.
Ursprünglich war unklar, ob der Lieferer für das innergemeinschaftliche Verbringen die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen kann. Denn grundsätzlich setzt die Steuerfreiheit eine USt-IdNr. des Unternehmers aus dem Bestimmungsmitgliedstaat voraus. Der Unternehmer, der vom Vorliegen der Vereinfachungsregelung ausgegangen war, wird in der Regel jedoch nicht über eine USt-IdNr. in dem Bestimmungsmitgliedstaat verfügen. Hier hat die Finanzverwaltung (Abschn. 6b.1 Abs. 17 Beispiel Satz 5 UStAE) dazu (im Beispiel) geregelt, dass bei einer unverzüglichen Registrierung und Beantragung einer USt-IdNr. im Bestimmungsmitgliedstaat auch dieses innergemeinschaftliche Verbringen – unter den weiteren Voraussetzungen – steuerfrei ist.
3. Fazit
Die Finanzverwaltung nimmt nach fast zwei Jahren umfassend zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Konsignationslagerregelung des § 6b UStG Stellung. Darüber hinaus werden noch territoriale Feststellungen aufgrund des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union („Brexit“) mit aufgenommen.
Inhaltlich geht das BMF nur in wenigen Punkten über die gesetzlich allgemein gehaltenen Vorgaben hinaus. Hier ist etwa die Bagatellgrenze zu „kleinen Verlusten“ in Höhe von 5 % zu beachten, die – bei Schwund, Verderb o. ä. Verlusten – nicht zu einem Verstoß gegen die „Vereinfachungsregelung“ führen sollen.
So streitbar die (Vereinfachungs-)Regelung auch sein mag, so ist aus unternehmerischer Sicht immerhin zu begrüßen, dass es ein faktisches Wahlrecht für oder gegen die Anwendung der Konsignationslagerreglung gibt.
Für Fragen zum Thema stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Sprechen Sie uns an.