Fachnews
Umsatzsteuerliche Organschaft: Erneute EuGH-Vorlage zur Steuerbarkeit von Innenumsätzen – kommt es doch noch zum Paukenschlag?

Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft ist und bleibt ein Dauerbrenner. Gerade noch hat der EuGH das deutsche Rechtsverständnis, wonach der Organträger der einzige Steuerpflichtige des Organkreises ist, für unionsrechtskonform erklärt. Da legt ihm der BFH die Frage vor, ob entgeltliche Leistungen zwischen den Organkreismitgliedern (Innenumsätze) jedenfalls dann steuerbar sind, wenn der Leistungsempfänger nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Dies steht im Widerspruch zur bisherigen ständigen Rechtsprechung des BFH und Auffassung der Finanzverwaltung, wonach Innenumsätze nicht steuerbar sind.

29.03.2023
Hintergrund

Im Verfahren des V. Senats (V R 20/22) ist Klägerin und Organträgerin eine Stiftung des öffentlichen Rechts. Sie ist Trägerin einer Universität. Eine Organgesellschaft erbringt entgeltliche Reinigungsleistungen sowohl an den unternehmerischen Bereich (Krankenhaus) als auch an den hoheitlichen Bereich (Hörsaal) der Organträgerin.

Nach Auffassung des BFH ergebe sich aus der Rechtsprechung des EuGH keine eindeutige Antwort zur Steuerbarkeit von Innenumsätzen, sodass es der erneuten EuGH-Vorlage bedürfe. Entgegen seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung hegt der BFH nunmehr Zweifel an der Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen, jedenfalls dann, wenn der Leistungsempfänger nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Zur Begründung stellt der BFH maßgeblich auf die Gefahr von Steuerverlusten ab. Solche Steuerverluste würden drohen, weil bei der Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen von vornherein kein Steueranspruch entstehe, während bei der Steuerbarkeit von Innenleistungen ein Steueranspruch entstehe, der zu keinem Vorsteuerabzug führe.

Praxishinweise

Sollte der EuGH entscheiden, dass Innenumsätze entgegen der ständigen BFH-Rechtsprechung steuerbar sind, käme dies einem Paukenschlag gleich: Umsatzsteuerrechtlich dient die Organschaft als Gestaltungsinstrument für Unternehmer, die nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind (z.B. Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Banken, Versicherungen sowie Vermieter von Wohnungen). Nichtabziehbare Vorsteuerbeträge, insbesondere für personal- und kostenintensive Dienstleistungen, wie z.B. Reinigungs-, Sicherheits-, Hausmeister-, Wartungsdienste, lassen sich bislang dadurch vermeiden, dass diese Unternehmer mit Dienstleistern Organschaften begründen, so dass die bezogenen Leistungen nicht steuerbar sind. Dadurch ist der betragsmäßig hohe „Lohnkostenanteil“ der Eingangsleistungen nicht mit Umsatzsteuer belastet. Dies wäre aber auch bei eigenem Personal der Fall. Bezieht eine Organgesellschaft dagegen vorsteuerbelastete Wirtschaftsgüter, die sie entgeltlich an den hoheitlichen Bereich des Organträgers bzw. einen Organträger weiterbelastet, der wegen steuerfreier Ausgangsumsätze nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, so ist bereits bei Bezug der Leistung ein Vorsteuerabzug nicht möglich.

Bei der Entscheidung darüber, ob Leistungen auf Dienstleister ausgelagert oder durch eigenes Personal erbracht werden sollen, spielen neben der Kostenoptimierung häufig auch andere Gründe eine bedeutende Rolle (z.B. größere Flexibilität, andere arbeits-/dienstrechtliche Rahmenbedingungen etc.). Die bloße Möglichkeit, in den genannten Fällen eine Definitivbelastung mit Umsatzsteuer zum Teil zu vermeiden, rechtfertigt es nicht, das gesetzliche Konzept der Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen auszuhebeln.

Im Ergebnis führt die erneute EuGH-Vorlage wieder zu Rechtsunsicherheit. Eine solche Rechtsunsicherheit gäbe es nicht mehr, wenn sich der seit langem diskutierte Vorschlag der Kommissionon über die Option zur Mehrwertsteuergruppe durchsetzen würde.

Bis dahin sollten betroffene Unternehmer die Entwicklungen beobachten. Im worst case – Steuerbarkeit von Innenumsätzen – dürfte zumindest für die Vergangenheit Vertrauensschutz und für den Übergang zu den neuen Auslegungsgrundsätzen eine ausreichend lange Übergangsfrist zu gewähren sein.

Für Fragen zum Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Sprechen Sie uns an.

Wir beraten persönlich

Ihre Ansprechpartner
Doreen Adam
Doreen Adam

Partnerin, Steuerberaterin, Fachberaterin für das Gesundheitswesen (DStV e. V.)

Dr. Kerstin Desens
Dr. Kerstin Desens

Senior Associate, Rechtsanwältin

eureos Infoservice

Wir behalten den Überblick für Sie: Mit unserem multidisziplinären Newsletter informieren wir Sie einmal monatlich über aktuelle Fachthemen und senden Ihnen Einladungen zu unseren Fach- und Netzwerkveranstaltungen.

Jetzt anmelden