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Tod des Alleingesellschafters – Folgen für die Erben und die GmbH bei ungeregelter Nachfolge

Das Berliner Kammergericht hat die Bedeutung der Gesellschafterliste als Legitimationsgrundlage betont – und zwar auch für die Erben eines GmbH-Gesellschafters. Eine ungeregelte Nachfolge erzeugt Unsicherheiten und Konflikte. Unbekannte Erben, die von einem Nachlasspfleger vertreten werden, können durch die Bestellung eines Notgeschäftsführers nicht unmittelbar in eigenen Rechten beschwert sein.

17.08.2023
Gesellschaftsrecht

KG Berlin, Beschluss vom 23.11.2022 (Az. 22 W 50/22)

Hintergrund und Sachverhalt

Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt nur derjenige als Inhaber eines Geschäftsanteils, der in der Gesellschafterliste als solcher ausgewiesen ist (§ 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Veränderungen der Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung müssen jeweils zur Gesellschafterliste beim Handelsregister eingetragen werden. Nach einem Erbfall ist also eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Im Fall eines Alleingesellschafter-Geschäfts­führers stellt sich die Frage, wer diese Anmeldung einreicht. Dies kann durch einen Notgeschäftsführer erfolgen, nach anderer Ansicht sind auch legitimierte Erben dazu berechtigt.

Die Entscheidung des Kammergerichts zeigt beispielhaft das Konfliktpotenzial zwischen einem Notgeschäftsführer – als Vertreter der Gesellschaft – und einem Nachlasspfleger – als Vertreter des/der Gesellschafter, wenn ein Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer einer GmbH bei ungeregelter Nachfolge stirbt. Für die führungslose (handlungsunfähige) Gesellschaft hat das Registergericht einen Notgeschäftsführer zu bestellen (§ 29 BGB analog). Ist der konkrete Erbe unbekannt, z.B. wegen Streitigkeiten unter potenziellen Erben, ist für die Geschäftsanteile – also für den/die Gesellschafter – durch das Nachlassgericht ein Nachlasspfleger zu bestellen (§ 1960 BGB). Dieser ist dann auch für die Einreichung einer neuen Gesellschafterliste zuständig.

Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der alleinige Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH war verstorben, Erben waren nicht ermittelbar. Vom Nachlassgericht wurde daher ein Nachlasspfleger bestellt; gleichzeitig hat das Amtsgericht die Lebensgefährtin des Verstorbenen, die auch Mitarbeiterin in der GmbH war, zur Notgeschäftsführerin analog § 29 BGB bestellt. Der Nachlasspfleger legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein, da er zum einen zu der Bestellung nicht angehört worden war und die Notgeschäftsführerin zum anderen ungeeignet sei. Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen, sondern die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Rechtliche Würdigung

Das Berliner Kammergericht verwarf die Beschwerde, da die unbekannten Erben durch die Bestellung der Notgeschäftsführerin nicht unmittelbar in eigenen Rechten beschwert seien.

Dies folgt nach Auffassung des Gerichts schon daraus, dass es an einer Gesellschafterliste fehlt, in der die unbekannten Erben aufgeführt sind. Aus diesem Grund kann weder eine Beeinträchtigung der Vertretungsbefugnis gegeben sein, da die Erben durch den Tod des Erblassers gar nicht in dessen Stellung als Vertretungsorgan eingetreten sind, noch können die Erben in ihrem Recht auf Bestellung der Vertretungsorgane als Gesellschafter (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG) beeinträchtigt sein.

Ob eine Ausnahme in Betracht kommt, wenn die Erben durch einen Erbschein ausgewiesen sind und ob diesem der Beschluss über eine Nachlasspflegerbestellung gleichsteht, ließ das Gericht offen.  In Betracht käme lediglich ein Angriff auf die als Notgeschäftsführer ausgewählte Person, nicht aber eine Beschwerde gegen die Anordnung der Notgeschäftsführung an sich.

Problematik

Dieser Beschluss lässt Fragen darüber aufkommen, ob es wirklich der Bestellung eines Notgeschäftsführers neben einem Nachlasspfleger bedarf. Denn auch dieser könnte als Vertreter der Erben (Gesellschafter) einen Geschäftsführer bestellen. Unabhängig von dieser Rechtsfrage macht die Entscheidung aber vor allem eines deutlich: Verstirbt ein Gesellschafter bzw. Geschäftsführer einer GmbH, ohne dass hierfür umfassende Regelungen im Gesellschaftsvertrag getroffen wurden, kann dies eine Vielzahl von Problemen hervorrufen.

So ist bereits unklar, wer zur Gesellschafterversammlung zu laden ist, wer die Einladung zur Gesellschafterversammlung zu bewirken hat und schließlich, wer zur Einreichung der Gesellschafterliste mit den Erben als neuen Gesellschaftern befugt ist.

Ähnliche Probleme ergeben sich übrigens genauso für den Fall, dass ein Gesellschafter oder Geschäftsführer aufgrund eines Unfalls oder schwerer Krankheit für unabsehbare Zeit ausfällt.

Praxishinweise

Wichtig ist, bereits bei Gründung einer Gesellschaft darauf zu achten, dass im Gesellschaftsvertrag gerichtsfeste Regelungen zu Tod, Krankheit und Berufsunfähigkeit der Gesellschafter/Geschäftsführer getroffen werden. Testament und Gesellschaftsvertrag sind hinsichtlich der Nachfolgeregelungen aufeinander abzustimmen. Hierzu muss man wissen, dass im Zweifel das Gesellschaftsrecht dem Erbrecht vorgeht! Möchte man also für einen geordneten Ablauf der eigenen Nachfolge vorsorgen, empfiehlt sich eine anwaltliche Beratung.

Vor allem aber helfen sogenannte Generalhandlungs- oder Vorsorgevollmachten. Hierbei erteilt ein Gesellschafter bereits zu Lebzeiten eine über seinen Tod hinaus wirkende Vollmacht (trans- oder postmortale Vollmacht), um auf diese Weise die jederzeitige Handlungsfähigkeit des Nachlasses sicherzustellen, gerade in der Zeit zwischen Tod und Erteilung eines Erbscheins. Der so Bevollmächtigte kann den verstorbenen Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung vertreten, auch wenn die Erben unbekannt sind. Während die postmortale Vollmacht erst mit dem Tod des Vollmachtgebers in Kraft tritt, ist die die sog. transmortale Vollmacht bereits ab Erteilung wirksam. Mit dieser kann auch der Fall längerer Krankheit und Berufsunfähigkeit abgesichert werden.

Gern beraten wir Sie zu Ihren Fragen rund um die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen und weiterer Vorsorgeregelungen.

Wir beraten persönlich.

Ihre Ansprechpartnerinnen
Dr. Almuth Werner
Dr. Almuth Werner

Partnerin, Rechtsanwältin

Andrea Kleinschnitz
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Associate, Rechtsanwältin

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