Ein Vorsteuerabzug bei Kurgemeinden ist wieder möglich. Hierzu hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) in zwei Entscheidungen geäußert.
Zur Entscheidung des EuGH vom 13. Juli 2023, C-344/22, Gemeinde A, erging am 18. Oktober 2023 die Nachfolgeentscheidung des BFH (XI R 21/23, nachfolgend kurz „Urteil I“ oder „Fall I“). Der BFH nutzte die Gelegenheit und äußerte sich in einer weiteren Entscheidung vom 6. Dezember 2023 (XI R 33/21, nachfolgend kurz „Urteil II“ oder „Fall II“), um seine Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug bei Kurgemeinden neu auszurichten. Beide BFH-Entscheidungen wurden am 28. März 2024 veröffentlicht. Nachfolgend fassen wir Ihnen die beiden Entscheidungen kurz zusammen:
Wesentliche Aussagen
Im Fall I war die Kurtaxe unabhängig von der konkreten Nutzung der Kureinrichtungen zu zahlen. Für jeden kurtaxpflichtigen Besucher bestand freier Zugang zu den Kureinrichtungen. Allerdings bestand auch für alle nicht kurtaxpflichtigen Besucher ein solcher freier Zugang.
Der Fall II lag hingegen anders: Die Kurgäste im Fall II erhielten bei Zahlung der Kurtaxe eine Gästekarte, die auf Verlangen des Aufsichtspersonals vorzuzeigen war. Tagesgäste mussten hingegen keine Kurtaxe zahlen. Für sie war nach der örtlichen Satzung aber eine erhöhte Tageskurabgabe fällig, die im Falle einer Überprüfung direkt an die Kontrolleure der Kurverwaltung zu entrichten war. Die Kureinrichtungen waren im Fall II nicht frei zugänglich. Vielmehr bedurfte es hierfür der Gästekarte.
Den Einwand des Finanzamts, dass die Kurtaxe satzungsgemäß pro Aufenthaltstag erhoben werde und nicht an die tatsächliche Nutzung der Kureinrichtung geknüpft sei, ließ der BFH in diesem Zusammenhang nicht gelten. Ausschlaggebend sei vielmehr die Tatsache, dass dem Kurgast mit der Bereitstellung der Kureinrichtungen ein konkreter Vorteil vermittelt wird.
Daraus ergab sich:
- Fall I: keine entgeltliche Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und kein Vorsteuerabzug
- Fall II: steuerbarer Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG mit der Folge des Vorsteuerabzuges
Konsequenzen für die Praxis
Für Gemeinden ist dies eine gute Nachricht, da für sie bei richtiger Ausgestaltung der Kurbeitragssatzung auch weiterhin der Vorsteuerabzug möglich bleibt. Die Urteile führen zu einer neuen Ausrichtung der Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug und ändern die bisherigen Grundsätze der Finanzverwaltung, welche im Abschnitt 15.19 Absatz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) zusammengefasst sind. Bisher bedeutete dies, dass die Gemeinde keine Vorsteuern aus Kureinrichtungen geltend machen konnte, welche nach Landesrecht durch öffentlich-rechtliche Widmung oder ausdrücklich (z. B. durch Gemeindeordnung) bzw. konkludent (z. B. durch Gewohnheitsrecht) der öffentlichen Nutzung bereitstanden. Diese galten als hoheitliche und damit nichtunternehmerische Einrichtungen.
Nunmehr ist für die Unternehmereigenschaft und damit für den Vorsteuerabzug vielmehr entscheidend, dass die Kureinrichtungen nicht für jedermann frei und unentgeltlich verfügbar sind. Es reicht aus, dass die Gemeinde bei Entrichtung der Kurtaxe Gästekarten ausgibt, die dann auch kontrolliert werden. Es ist sogar unproblematisch, dass bei Tagesgästen erst bei Kontrolle die Tageskurabgabe zur Zahlung fällig wird. Dieser pragmatische Ansatz des BFH ist für die Praxis zu begrüßen.
Es bleibt daher festzuhalten, dass bei richtiger Ausgestaltung der Kurbeitragssatzung ein Vorsteuerabzug möglich ist.