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Insolvenzanfechtung – keine Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz

Seit dem 5. April 2017 sind die Regelungen zum Bargeschäft bei der Insolvenzanfechtung neu gefasst. Nach § 103 j EGInsO gilt jedoch für alle Verfahren, die vor dem 5. April 2017 eröffnet wurden, noch die alte Rechtslage. Demnach kommt es wesentlich darauf an, dass der Gläubiger die Benachteiligungsabsicht des Schuldners kannte.

12.07.2017

Gemäß § 133 Abs. 1 InsO lässt die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners in der Regel darauf schließen, dass auch die Benachteiligungsabsicht des Schuldners bekannt ist. Im Fall von bargeschäftsähnlichen Leistungen – also Leistungserbringung gegen unmittelbare Zahlung – ist diese Vermutung aber nicht gerechtfertigt, wie der Bundesgerichtshof in dem nachfolgend geschilderten Fall jetzt entschieden hat (Urteil vom 5. April 2017, Az.: IX ZR 285/16).

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Kläger war Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Schuldners, der einen Getränkehandel betrieb. Der Anfechtungsgegner belieferte den Schuldner mit Getränken, verlangte jedoch Vorkasse, nachdem zuvor mehrere Lastschriften zurückgegeben worden waren. Der Insolvenzverwalter verlangte die vom Schuldner gezahlten Beträge zurück, da dem Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit bekannt gewesen sei und daher Kenntnis von der Benachteiligungsabsicht vermutet werde.

Der Bundesgerichtshof hat hierzu folgende Auffassung:

In der Regel handelt ein Schuldner, der zahlungsunfähig sei und seine Zahlungsunfähigkeit kenne, mit Benachteiligungsvorsatz. Denn in diesem Fall wisse er, dass sein Vermögen nicht ausreiche, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen.

Dieser Benachteiligungsvorsatz sei aber ausnahmsweise dann nicht gegeben, wenn der Schuldner seine Zahlung für eine Leistung erbracht habe, die für die Fortführung des Unternehmens unentbehrlich war und die Zahlung der Leistung gleichwertig war, so dass es sich um ein so genanntes kongruentes Rechtsgeschäft gehandelt hat. Denn dann fließe dem Unternehmen eine Leistung zu, die den Gläubigern im Allgemeinen nutze. In diesem Fall sei deshalb eine Benachteiligungsabsicht erst dann gegeben, wenn der Schuldner wisse, dass er dauerhaft unrentabel arbeite und deshalb trotz des Erwerbs gleichwertiger Leistungen auch zukünftig Verluste anhäufen werde. Denn dann würden sich trotz angemessener Gegenleistung die Befriedigungsaussichten der Gläubiger weiter mindern.

Diese Überlegungen gelten nach Auffassung des Bundesgerichtshofs sodann spiegelbildlich auch für den Gläubiger, der seine Leistungen ähnlich einem Bargeschäft zu einem angemessenen Preis erbringt. Dieser wisse zwar von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, denn sonst bräuchte er keine Vorkasse zu verlangen, er könne aber in diesem Fall nicht ohne weiteres auf eine Gläubigerbenachteiligung schließen. Die gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO greife deshalb nicht ein. Anders sei es nur, wenn der Anfechtungsgegner wisse, dass der Schuldner unrentabel arbeite und bei der Fortführung seines Geschäfts weitere Verluste erwirtschafte.

Die dargestellte Rechtsprechung gilt für praktisch alle bislang erfolgten und auch für viele zukünftige Anfechtungen. Denn maßgeblich für die Anwendbarkeit der genannten Rechtsprechung ist nicht das Datum der Anfechtung, sondern das Datum der Verfahrenseröffnung. Erst in Verfahren, die ab dem 5. April 2017 eröffnet wurden, gilt eine neue Fassung der Insolvenzordnung, die den Gläubiger schon nach dem Gesetzeswortlaut begünstigt, so dass die o. g. Rechtsprechung dann geringere Bedeutung hat.

Fazit

Bei bargeschäftsähnlichen Vorgängen, bei denen der Schuldner sofort zahlt und dafür eine gleichwertige Gegenleistung erhält, muss der Insolvenzverwalter darlegen und beweisen, dass der Gläubiger eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners kannte. Die gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO a. F. gilt dann nicht. Dies ist relevant für alle Insolvenzverfahren, die bis zum 04.05.2017 eröffnet wurden.

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