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Gestaltungsmissbrauch bei Verschmelzung einer „Gewinngesellschaft“ auf eine „Verlustgesellschaft“

Die Anwendung des § 42 AO wird nicht durch einzelsteuerliche Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehungen ausgeschlossen, selbst wenn diese tatbestandlich nicht einschlägig sind. Zu diesem Ergebnis kam der Bundesfinanzhof in seinem, am 4. Juni 2021 veröffentlichten (Az. I R 2/18), Urteil.

09.06.2021
Sachverhalt

Im vorliegenden Fall stritten die Beteiligten darüber, ob die Verschmelzung einer „Gewinngesellschaft“ auf eine „Verlustgesellschaft“ einen Gestaltungsmissbrauch i. S. des § 42 AO darstellt. Es wird dabei auf die im Streitjahr (2008) geltende Fassung der AO verwiesen.

Das Finanzamt kam im Rahmen einer Außenprüfung bei der Klägerin zur Auffassung, dass die „Gewinngesellschaft“ ihr erzieltes Einkommen aus dem Rückwirkungszeitraum selbst als Steuersubjekt zu versteuern habe, weil der Anteilsübertragung und der sich anschließenden Verschmelzung nach § 42 AO die steuerliche Anerkennung zu versagen sei.

Die dagegen eingereichte Klage hatte vor dem Hessischen Finanzgericht (Urteil vom 27. November 2017, Az. 4 K 127/15) Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts angeschlossen und wies die Revision gegen das Urteil als unbegründet zurück.

Der BHF begründet seine Entscheidung damit, dass das Finanzgericht zwar die Regelungen in § 12 Abs. 3 Halbsatz 2 i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UmwStG 2006) und in § 8c Satz 2 KStG zu Unrecht als einzelsteuergesetzliche Umgehungsverhinderungsvorschriften i. S. des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO qualifiziert und diesen eine „Abschirmwirkung“ gegenüber der Anwendung des § 42 AO zuerkannt hat. Allerdings führt das nicht zum Erfolg der Revision, weil der Erwerb von Anteilen und deren anschließende rückwirkende Verschmelzung auf die Klägerin keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i. S. des § 42 Abs. 2 AO darstellt.

Zudem führt der BFH aus, dass im Unterschied zu früheren Fassungen § 42 AO in Abs. 1 Satz 2 und 3 nunmehr eine ausdrückliche Regelung zum Verhältnis einzelsteuergesetzlicher Umgehungs-verhinderungsregelungen gegenüber der Missbrauchsklausel der AO enthält. Der Wortlaut lässt keinen Zweifel daran, dass solche einzelsteuergesetzlichen Vorschriften die Anwendung des § 42 AO nur dann verdrängen, wenn sie tatbestandlich einschlägig sind. Sind sie tatbestandlich nicht einschlägig („anderenfalls“), wird § 42 AO nicht verdrängt. Es sei zudem kein Raum für eine gesetzestechnisch begründete „automatische“ Abschirmwirkung der einzelsteuergesetzlichen Umgehungsverhinderungs-vorschrift.

Laut dem BFH ist die Gestaltungsmöglichkeit im zugrundeliegenden Fall gemäß § 42 Abs. 2 AO nicht als unangemessen einzustufen gewesen. Zu berücksichtigen sind bei der Prüfung des Vorliegens eines Missbrauchs i. S. d. § 42 Abs. 2 AO diejenigen Wertungen des Gesetzgebers, welche den von ihm geschaffenen einzelsteuerlichen Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehungen zugrunde liegen.

Laut der Rechtsgrundlage des Jahres 2008 stellt die Verschmelzung einer „Gewinngesellschaft“ auf eine „Verlustgesellschaft“ sowie die damit verbundene Verrechnung der positiven Einkünfte der „Gewinngesellschaft“ mit den Verlusten der „Verlustgesellschaft“ keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO dar. Ferner gilt dies auch, wenn die „Gewinngesellschaft“ die Gewinne des Rückwirkungszeitraums bereits an ihre frühere Muttergesellschaft ausgeschüttet hatte.

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