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Gesellschafter, Aufsichtsrat, Vorstand – die Organe des Unternehmens und ihr Beitrag zur guten Unternehmensführung

Am 9. Mai 2019 wurde die Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) beschlossen. Dies ist Anlass, die Grundsätze guter Unternehmensführung in Erinnerung zu rufen.

08.10.2019

Der Deutsche Corporate Governance Kodex ist kein Gesetz, sondern lediglich die Empfehlung einer von der Bundesregierung eingesetzten Kommission. Dennoch prägt er in Praxis und Rechtsprechung die Vorstellungen von guter Unternehmensführung. Für den Bereich der Bundesbeteiligungen wird er ergänzt durch den Deutschen Public Corporate Governance Kodex (DPCGK), der unter Federführung des Bundesministeriums der Finanzen entstanden ist. Er enthält Grundsätze für die Beteiligung des Bundes an privatrechtlich organisierten Unternehmen und hat insoweit auch Vorbildcharakter für andere öffentliche Beteiligungen, beispielsweise durch Kommunen.

Wie lassen sich die Grundsätze guter Unternehmensführung zusammenfassen?

Unter guter Unternehmensführung ist weder allein die wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmensführung zu verstehen noch die Verfolgung der richtigen Unternehmenszwecke, sondern es geht um das Zusammenwirken der Unternehmensbeteiligten, die Balance ihrer Rechte und Pflichten und darum, wie sie gemeinsam am besten dem Unternehmensinteresse dienen. Dabei gilt:

  • Jedes Organ hat seinen eigenen Aufgabenbereich. Der Vorstand führt, der Aufsichtsrat berät und kontrolliert. Schiebt ein Organ seine Aufgaben an ein anderes ab oder greift es in den Arbeitsbereich eines anderen Organs ein, verletzt es seine Pflichten und riskiert, in die Haftung genommen zu werden.
  • Das Zusammenwirken der Organe setzt Offenheit und Vertrauen voraus. Offenheit ist aber nur dort möglich, wo die Verschwiegenheit gesichert ist. Dies ist für manches Aufsichtsratsmitglied, insbesondere wenn es von Organisationen oder Gremien entsandt wurde, schwer zu verstehen; die Verschwiegenheit ist aber ein unumstößlicher Grundsatz. Wer meint, die Verschwiegenheit nicht gewährleisten zu können, darf das Amt eines Aufsichtsratsmitglieds nicht übernehmen.
  • Der Aufsichtsrat ist ausschließlich dem Unternehmensinteresse verpflichtet, das der Gesellschafter bestimmt. Persönliche Interessen des Aufsichtsratsmitglieds, egal ob wirtschaftlicher oder anderer Natur, dürfen die Arbeit im Aufsichtsrat nicht beeinflussen, ebenso wenig die Interessen der Organisation, die das Aufsichtsratsmitglied entsandt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie im Gegensatz zum Unternehmensinteresse stehen. Interessenkonflikte sind oftmals unvermeidbar. Sie sind dann offenzulegen, so dass sie bewertet und bei der Arbeit des Organs berücksichtigt werden können.
  • Jedes Aufsichtsratsmitglied muss in der Lage sein, die Geschäfte des Unternehmens zu verstehen und grundsätzlich ohne fremde Hilfe beurteilen zu können. Dies schließt die Heranziehung externen Sachverstands nicht aus, Beratung darf aber nicht an die Stelle der eigenen Beurteilung treten. Offene Punkte und Probleme sind grundsätzlich innerhalb des Gremiums zu thematisieren. Es obliegt dann dem Aufsichtsrat als Gesamtorgan, zu konkreten Fragen Sachverständige hinzuziehen.

Die Beachtung dieser Grundsätze in der Praxis bereitet zahlreiche Probleme. Dabei geht es nicht nur darum, dass eigene wirtschaftliche Interessen mit den Interessen des Unternehmens kollidieren, für das man im Aufsichtsrat sitzt. Insbesondere für Vertreterinnen und Vertreter kommunaler Gebietskörperschaften im Aufsichtsrat kommunaler Beteiligungsunternehmen ergeben sich Konflikte zwischen ihren Pflichten als Aufsichtsrat und ihren Pflichten als Vertreter kommunaler Gremien oder der Partei, der sie angehören.

Da die Arbeit der Aufsichtsgremien zunehmend nicht nur juristische, sondern auch öffentliche Aufmerksamkeit findet, sind deren Mitglieder gut beraten, sich sorgfältig über ihre Rechte und Pflichten zu informieren und diese in ihrer Tätigkeit zu beachten.

Die Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex 2019 finden Sie hier:

https://www.dcgk.de/de/kodex/dcgk-2019.html

(Der neue Kodex wird erst nach Inkrafttreten des ARUG II beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zur Veröffentlichung eingereicht. Die Regierungskommission stellt den neuen Kodex vor Inkrafttreten vor, um den Unternehmen und den Kapitalmarktteilnehmern die Möglichkeit zu geben, sich auf die neuen Empfehlungen und Anregungen einzustellen.)

 

Der Aufsichtsrat als Gesamtgremium und das einzelne Aufsichtsratsmitglied – Verantwortlichkeiten kennen und Möglichkeiten nutzen

Die Hauptaufgabe des Aufsichtsrates besteht in der Überwachung der Geschäftsführung. Dies hat rückblickend, zukunftsorientiert und gegenwärtig, auch beratend, zu geschehen. Hierzu gibt es verschiedene Instrumentarien. Sie stehen teilweise dem Aufsichtsrat als Gesamtorgan, teilweise dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied zur Verfügung. Die Kenntnis hierüber ist für jedes Aufsichtsratsmitglied grundlegend und verpflichtend. Andernfalls ist eine anforderungsgerechte und verantwortungsvolle Mandatstätigkeit nicht möglich. Diese ist ernst zu nehmen, da andernfalls empfindliche (Haftungs-)Folgen drohen, die nicht nur das einzelne Mitglied treffen, sondern auch das Gesamtgremium infizieren können. Deswegen beginnt jede Aufsichtsratstätigkeit mit der Vergegenwärtigung der eigenen Rechte und Pflichte.

Das einzelne Aufsichtsratsmitglied

Als Teil des Gesamtorgans trägt jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied zur Erfüllung der Überwachungsaufgabe des Gesamtorgans Aufsichtsrat bei.

Deshalb müssen Aufsichtsratsmitglieder zunächst besondere persönliche Anforderungen erfüllen. Sie müssen über die für die Mandatsausübung erforderlichen Mindestkenntnisse verfügen, neben der Berufsausübung ausreichend Zeit für die Tätigkeit haben und unabhängig sowie eigenverantwortlich entscheiden können und wollen. Notwendig ist die Kenntnis über alle für die Tätigkeit relevanten Vorschriften. Diese ergeben sich in erster Linie aus dem individuell gestalteten Gesellschaftsvertrag des Unternehmens und ggf. den Geschäftsordnungen für den Aufsichtsrat und für die Geschäftsführung sowie aus den jeweils relevanten Gesetzen. Empfehlungen, Konkretisierungen und Hilfestellungen können dem bereits erwähnten Deutschen Corporate Governance Kodex und ggf. dem Deutschen Public Corporate Governance Kodex entnommen werden sowie – vor allem im Falle kommunaler Unternehmen relevant – den von Seiten der zuständigen Ministerien veröffentlichten Leitfäden und Handlungsanweisungen. Diese sollten studiert und in einem eigenen Ordner stets griffbereit hinterlegt werden. Hinzu kommen Unterlagen zu fachlichen Beiträgen (z. B. Urteile, Aufsätze) und zu Schulungen, die der Festigung und Steigerung von Kenntnissen über die Aufsichtsratstätigkeit dienen.

Die Rechte und Pflichten von Aufsichtsratsmitgliedern lassen sich grob unterteilen in die Bereiche Mitwirkung und Loyalität. Zur Mitwirkung zählen insbesondere das Teilnahme-, Rede- und Stimmrecht in Sitzungen des Aufsichtsrates sowie die Möglichkeit, Anträge innerhalb des Aufsichtsratsgremiums stellen zu dürfen. Außerdem hat jedes Aufsichtsratsmitglied ein Informationsrecht hinsichtlich der an den Aufsichtsrat als Gesamtorgan zu leistenden Berichte. Allen diesen Rechten ist gemeinsam, dass sie gleichzeitig auch eine verpflichtende Komponente beinhalten, da andernfalls eine am Unternehmenswohl ausgerichtete verantwortungsbewusste Mandatstätigkeit nicht gesichert wäre. Der Loyalität zuzuordnen ist allen voran und als oberstes Gebot die Beachtung des Unternehmensinteresses. Hinzu kommen die bereits erwähnte Pflicht zur höchstpersönlichen und eigenverantwortlichen Mandatsausübung sowie die Verschwiegenheitsverpflichtung. Insbesondere diese Pflichten können mit kommunalrechtlichen Anforderungen kollidieren. Aufsichtsratsvertreter kommunaler Gesellschafter müssen sich deshalb zwingend mit den hierzu bestehenden Sonderregularien vertraut machen. Dies betrifft insbesondere Fragen der Weisungsgebundenheit und der Berichterstattung gegenüber bestimmten Personen oder Gremien (z. B. Gemeinde-/Stadtrat, Fraktionen, Beteiligungsverwaltung/-controlling).

Aufsichtsratsmitglieder mit besonderer Funktion, z. B. der Aufsichtsratsvorsitzende oder sein Stellvertreter, aber auch Mitglieder besonderer Ausschüsse, haben zudem die für die Wahrnehmung dieser Aufgaben notwendigen spezifischen Anforderungen, Rechte und Pflichten zu kennen.

Der Aufsichtsrat als Gesamtorgan

Von den individuellen Anforderungen zu trennen sind die Rechte und Pflichten des Gesamtorgans Aufsichtsrat. Diese sind häufig vor allem „neuen“ Aufsichtsratsmitgliedern nicht klar. Sie verstehen bestimmte Rechte und Pflichten irrtümlich als eigene, obwohl sie dem Gesamtorgan zugewiesen sind. Deshalb ist auch hier eine strukturelle und inhaltliche Auseinandersetzung der Aufsichtsratsmitglieder angezeigt.

Instrumentarien zur Durchführung einer ordnungsgemäßen Überwachung sind vor allem bestimmte Informations- und Prüfrechte. Diese können sich – je nach Verdachtslage – zu entsprechenden Pflichten verdichten. So hat die Geschäftsführung bzw. der Vorstand dem Aufsichtsrat über bestimmte Angelegenheiten der Gesellschaft regelmäßig und auch auf Verlangen des Aufsichtsrates zu berichten. Dieser kann jederzeit Einsicht u. A. in die Bücher und Schriften der Gesellschaft nehmen. Es können hierzu einzelne Mitglieder oder aber auch Sachverständige beauftragt werden. Schließlich besteht die Möglichkeit, bestimmte Arten von Geschäften einem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrates zu unterwerfen. Dies geschieht entweder vorab per Satzungsregelung oder im Einzelfall auch durch Beschluss des Aufsichtsrates. Sofern es das Wohl der Gesellschaft erfordert, hat der Aufsichtsrat die Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung einzuberufen. Schließlich unterliegt der Aufsichtsrat seinerseits bestimmten Berichtspflichten gegenüber der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung und – relevant bei kommunalen Unternehmen – bestimmten Prüfbehörden und -einrichtungen. Diese Pflichten dienen dem Nachweis über die sorgfältige Aufgabenwahrnehmung des Aufsichtsrates selbst.

Praktische Fragen

Im Zusammenhang mit den aufgezeigten Rechten und Pflichten gibt es Fragestellungen, die in der Beratungspraxis häufig nachgefragt werden. Beispielhaft seien die Möglichkeiten bei Verhinderung eines Aufsichtsratsmitglieds und die Frage der Befangenheit von Aufsichtsratsmitgliedern genannt. In beiden Fällen ist eine Einzelfallprüfung anhand der für die jeweilige Gesellschaft bestehenden Regularien angezeigt:

  • Verhinderung eines Aufsichtsratsmitglieds:

Ist ein Aufsichtsrat an der Sitzungsteilnahme verhindert, ist häufig der erste Gedanke der einer Verschiebung der Sitzung. Doch ist dies insoweit problematisch – und deshalb in der Regel nicht der eingeschlagene Weg –, weil kein Alternativtermin in zeitlicher Nähe gefunden werden kann. Vorrangig sind Möglichkeiten alternativer Stimmabgaben zu prüfen. Insbesondere in Eilfällen ist der Gesellschaftsvertrag daraufhin zu untersuchen, ob alternative Abstimmungsverfahren, auch Mischverfahren (Präsenzveranstaltung und zusätzliche schriftliche Stimmabgabe), zugelassen sind. Selbst wenn dies der Fall ist kommt hinzu, dass diesem Verfahren – vorbehaltlich einer liberaleren Regelung im Gesellschaftsvertrag – kein Aufsichtsratsmitglied widersprechen darf.

Schließlich stellt sich die Frage nach einer Stellvertretung (sog. Stimmrechtsvertretung). Dies wird generell als kritisch angesehen, denn dies erscheint widersprüchlich zum Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Aufgabenwahrnehmung. Gleichwohl halten gewichtige Stimmen in der Fachliteratur diesen Weg für eine Gesellschaft mit fakultativem Aufsichtsrat und mit einer entsprechenden Satzungsregelung für zulässig. In der Praxis sind solche Regelungen auch anzutreffen. Ausschlaggebend ist demnach der Gesellschaftsvertrag. Unproblematisch hingegen ist stets die sog. Stimmbotschaft, bei der der Bote lediglich die Stimme des Aufsichtsratsmitglieds im Beschlussverfahren „überbringt“. Dies setzt jedoch voraus, dass der Bote selbst zur Teilnahme an der Sitzung berechtigt ist. Ohne Weiteres sind daher Aufsichtsratskollegen geeignete Boten. Für andere Personen wäre eine Satzungsregelung erforderlich.

  • Befangenheit eines Aufsichtsratsmitglieds:

Auch die Frage der Befangenheit lässt sich nur durch eine Prüfung der gesellschaftsvertraglichen Regelungen genau beantworten. Für Aufsichtsratsmitglieder gibt es keine gesetzliche Sonderreglung zu möglichen Befangenheitstatbeständen. Analog angewendet wird lediglich § 34 BGB, wonach bestimmte Fälle unmittelbarer und persönlicher Betroffenheit zu einem Stimmverbot führen. Der Gesellschaftsvertrag ist auf eine abweichende strengere Regelung hin zu überprüfen. Im Übrigen geht die Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex (Fassung 2019, Punkt E.1) dahin, Interessenkonflikte im Einzelfall offenzulegen. Ggf. kann eine Stimmenthaltung in Betracht gezogen werden. Auch hinsichtlich der Befangenheit müssen kommunale Aufsichtsratsvertreter besonders aufmerksam sein. Vor allem ist für sie zu beachten, dass für die Aufsichtsratstätigkeit im Regelfall nicht dieselben (sehr strengen) Restriktionen bestehen, wie bei Ausübung eines Gemeinderats- bzw. Stadtratsmandats.

 

Beratung und Kontrolle des Vorstandes – der Aufsichtsrat und seine Aufgaben im Bereich der Rechnungslegung und der Digital Corporate Governance

Der Vorstand führt, der Aufsichtsrat berät und kontrolliert – lautet die generelle Aufgabenverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Die daraus erwachsenden Kompetenzen beider Organe sind jedoch regelmäßig gesetzlich nur teilweise und zudem wenig konkret vorgegeben. Art und Umfang der Überwachung und Beratung bedürfen vielmehr der Analyse im Einzelfall und damit des Zuschnitts auf das eigene Unternehmen. Zwei weitere relevante Praxisbeispiele mögen dies verdeutlichen:

Pflichten des Aufsichtsrates bei der Überwachung der Rechnungslegung

Neue Aufsichtsratsmitglieder stehen erstmals vor der Aufgabe, die Rechnungslegung – Prozess und Ergebnis – kontrollieren zu müssen. In den vergangenen zehn Jahren gab es auf diesem Gebiet einige Entwicklung, dies teils durch konkretisierende Gesetzesänderungen und zuletzt auch mit der Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex.

Zur Rechnungslegung verpflichtet ist der Vorstand (§§ 242 ff., 264 ff. HGB), der damit auch die Verantwortung für die Auswahl und das Funktionieren eines geeigneten Rechnungslegungsprozesses trägt. Als Teil der Geschäftsführung ist die Rechnungslegung damit automatisch Gegenstand der Überwachungspflicht des Aufsichtsrates. Das Ergebnis des Rechnungslegungsprozesses ist der Jahresabschluss nebst Lagebericht. Die Abschlüsse sind vom Aufsichtsrat zu prüfen (siehe § 171 Abs.1 S.1 AktG) auf:

  • Rechtmäßigkeit (Übereinstimmung mit den gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften), hierzu gehört auch, die Unabhängigkeit des bestellten Abschlussprüfers festzustellen
  • Zweckmäßigkeit der Bilanzpolitik gemessen an den Zielen des Unternehmens
    (z. B. Überprüfung der Wahlrechte des Vorstandes bzgl. Gliederung, Ausweis und Erläuterung, Ansatz, Bewertung und Methode, der Ermessensspielräume und Sachverhaltsgestaltungen)
  • Zweckmäßigkeit der Rücklagendotierung

Das einzelne Aufsichtsratsmitglied hat sich vermittels der Abschlüsse und Prüfungsberichte ein Urteil über die innere Plausibilität zu bilden. Unverständlichkeiten sind über das Gesamtgremium mit dem Vorstand zu klären; vor allem die Zweckmäßigkeitsüberwachung erfordert zumeist einen unmittelbaren Austausch des Aufsichtsrates mit dem Vorstand. Ein weiterer Dialog findet mit dem Abschlussprüfer anlässlich dessen mündlichen Berichts statt; der Prüfer hat dem Aufsichtsrat Rede und Antwort zu stehen. Erforderlich ist damit eine Vorbereitung auf die Diskussion, dazu gehören Fragen z. B. nach der Zugänglichkeit von Informationen, Anzahl und Offenheit von Auskunftspersonen, erkannte Risiken, Prüfungsüberraschungen, Meinungsverschiedenheiten mit dem Vorstand oder die Einschätzung der Rechnungslegungspolitik.

Auf eine positive Bestätigung des Abschussprüfers darf der Aufsichtsrat vertrauen, es sei denn, die Diskussionen legen eine offensichtliche Unrichtigkeit der Beurteilung nahe.

Aus dem Gesetzeswortlaut (§ 107 Abs. 3 S. 2 AktG) lässt sich entnehmen, dass dem Aufsichtsrat auch die Aufgabe zukommt, den gesamten Prozess der Ableitung der Zahlen und Angaben im Jahresabschluss aus der Rechnungslegung zu überwachen. Der Aufsichtsrat hat dabei auch das Risiko einzuschätzen, ob der Vorstand den Rechnungslegungsprozess in unangemessener Weise beeinflusst hat. Eigene Untersuchungen von Einzelfunktionen und Abläufen des Rechnungslegungsprozesses und der Erstellung des Jahresabschlusses muss der Aufsichtsrat allerdings nicht anstellen. Es handelt sich grundsätzlich um eine Plausibilitätsprüfung. Die Prüfungsdichte intensiviert sich allerdings bei Unstimmigkeiten oder ernsthaften Zweifeln. Dann ist der Aufsichtsrat auch zur Einleitung konkreter Maßnahmen verpflichtet (wie z. B. Veranlassung einer internen Revision, Heranziehung des Abschlussprüfers, Einsichtnahme und Prüfung der Bücher der Gesellschaft, § 111 Abs. 2 S. 1 AktG).

§ 107 Abs. 3 S. 2 AktG ermöglicht die (fakultative) Einrichtung eines Prüfungsausschusses des Aufsichtsrates, dem spezielle Aufgaben im Zusammenhang mit der Überwachung der Rechnungslegung delegiert werden können (empfohlen gemäß Ziff. 5.3.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex 2017). Dies setzt eine erhöhte Sachkompetenz der Mitglieder dieses Ausschusses voraus. Ist oder wird kein Prüfungsausschuss gebildet oder sind diesem nur einzelne Aufgaben übertragen, so sind die verbleibenden Aufgabengebiete (weiterhin) vom Plenum des Aufsichtsrates selbst wahrzunehmen (so nun explizit die Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex vom 9. Mai 2019 unter G 14 D.3, S.10).

Das Aktiengesetz etabliert lediglich allgemeine Basisvorgaben in Bezug auf das Anforderungsprofil der Aufsichtsratsmitglieder (§ 100 Abs.1 und 2 AktG). Am Beispiel des Prüfungsausschusses wird allerdings deutlich, dass Expertise in Sonderbereichen, jedenfalls von Einzelpersonen, durchaus vorausgesetzt und also erforderlich ist.

Somit lässt sich festhalten, dass für die Überwachung der Rechnungslegung zwar allgemeine Grundsätze zu beachten und Prozedere einzuhalten sind. Diese spezifizieren sich jedoch im Einzelfall sowohl organisatorisch als auch inhaltlich auf das jeweilige Unternehmen.

Digitalisierung – Aufgaben und Anforderungen an den Aufsichtsrat

Gleichermaßen gilt dies für das weitere Beispiel der Überwachungstätigkeit zu Maßnahmen und Prozessen der Digitalisierung.

Die „digitale Transformation” eines Unternehmens ist Teil der strategischen Unternehmensplanung und für Unternehmen heute erfolgsrelevant. Der Vorstand muss sich also zwangsläufig mit dieser Thematik auseinandersetzen, unabhängig davon, ob es um neue Angebote produzierender Anbieter, verbesserte Services von Dienstleistern oder den eigenen Workflow geht. Damit wird die Digitalisierung zugleich ein wichtiges Thema für die Kontroll- und Beratungstätigkeit des Aufsichtsrates.

Die Kontrollaufgaben des Aufsichtsrates lassen sich recht gut beschreiben. Sie beginnen – soweit noch nicht vorhanden – mit der Einforderung einer grundlegenden Digitalisierungsstrategie und nachfolgend u. A. mit der Überprüfung derselben und zwar im Hinblick auf das Gesamtunternehmen sowie einzelner Geschäftsfelder, weiterhin des Ressourcenbedarfs, der Identifizierung von Risiken des Transformationsprozesses, neuen Incentive-Strukturen bezogen auf die Förderung der Transformation und/oder dem Digitalisierungs-Controlling (Meilensteine, Zielerreichung).

Im Bereich der Digitalisierung schwieriger vom operativen Geschäft des Vorstandes abzugrenzen ist die Beratungsfunktion des Aufsichtsrates. Hier „droht“ eine Nähe zu und damit ein „Eingriff“ in Leitungsaufgaben. Unzweifelhaft steht dem Vorstand die Regelung von Details bereits bestehender digitaler Prozesse im Unternehmen zu, sowie die Initiativ- und Letztentscheidungsrechte bzgl. der digitalen Unternehmensstrategie. Und dem Aufsichtsrat?

Stuft man die Digitalisierung als wichtige, zukunftsweisende Aufgabe für das einzelne Unternehmen ein, so darf der Aufsichtsrat durchaus mit der Zielstellung beraten, einen Beitrag zur Optimierung existierender Digitalisierungsprozesse zu leisten. Der Aufsichtsrat darf teildigitalisierte oder komplett digitale, neue Geschäftsmodelle initiieren, auf neue Technologien und auch auf digitale Entwicklungen in anderen Branchen/ bei Wettbewerbern hinweisen. Dies schließt die Anbahnung entsprechender Kontakte ein.

Die Folge eines solchen Beratungsverständnisses ebenso wie der Kontrollaufgaben ist eine entsprechende Sachkunde des Aufsichtsrates. Anders als der sog. Prüfungsausschuss (s. vorstehend I.) wird ein sog. Digitalausschuss weder im Gesetz noch im Deutschen Corporate Governance Kodex 2017 bzw. dessen Neufassung 2019 erwähnt. Ein solcher kann aber, auf der Grundlage allgemeiner Regelungen im AktG, auf Initiative des Aufsichtsrates, damit aus seiner Mitte, bestellt und auch mit Beschlusskompetenz versehen werden (§ 107 Abs. 3 S. 1 AktG, die Delegationsverbote des Abs.3 S.4 sind nicht einschlägig). Ob ein Ausschuss erforderlich ist oder eine Einzelperson mit entsprechenden Kenntnissen genügt (sog. digital expert), um den Aufgaben des Aufsichtsrates angemessen nachzukommen, steht in Abhängigkeit von der Größe des Unternehmens und der Bedeutung dessen digitaler Agenda. Im Einzelfall kann das Thema Digitalisierung auch anderen, bestehenden Ausschüssen angegliedert werden: so dem Risikoausschuss, dem Prüfungsausschuss, dem Investitionsausschuss oder dem für Personalgewinnung zuständigen Ausschuss, wenn es gilt, Personen mit “digital competence” zu finden.

 

Fazit

Für die verantwortungsbewusste Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats lässt sich zusammenfassend festhalten, dass stets die Kenntnis der für die jeweilige Gesellschaft relevanten Vorschriften vorausgesetzt wird. Konkretisierende Regelungen sind im Zweifel im Gesellschaftsvertrag verankert. Zur Ergänzung und Orientierung dienen die empfehlenden Regelungen der einschlägigen Kodizes und Leitfäden, allen voran des Deutschen Corporate Governance Kodex. Bei zu treffenden Entscheidungen genießt das Unternehmensinteresse oberste Priorität. Diesem Anliegen gerecht zu werden, verlangt die Verfestigung und Vertiefung bestehender Sach- und Fachkenntnisse durch regelmäßige Fortbildung. Dadurch kann nicht nur die Qualität der Aufsichtsratstätigkeit gesteigert werden, sondern die Unternehmensentwicklung insgesamt.

Gern unterstützen wir Sie bei diesem Prozess. Dies kann durch Inhouse-Schulungen zu individuell relevanten Themen, aber auch durch Beratung zu Einzelfragen erfolgen. Bitte zögern Sie nicht, auf uns zuzukommen. Wir freuen uns auf Sie.

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Dr. Almuth Werner
Dr. Almuth Werner

Partnerin, Rechtsanwältin

Claus Ludwig Meyer-Wyk
Claus Ludwig Meyer-Wyk

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

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