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Geschäftsführerhaftung für Zahlungen nach Insolvenzreife: Strenge Organisationspflichten der Geschäftsführer in der Einarbeitungszeit

Die Geschäftsführerhaftung bleibt ein wichtiges Thema vor den Gerichten. Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 09. Dezember 2021 AZ 12 U 23/21) hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein gerade neu bestellter Geschäftsführer für Gehaltszahlungen in der Krise persönlich in Haftung genommen werden sollte. Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass an den Geschäftsführer hohe Anforderungen gestellt werden.

23.06.2022
1. Sachverhalt

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Über das Vermögen einer GmbH wurde aufgrund des Eigenantrags vom 26.01.2016 ein Insolvenzverfahren eröffnet. In dem Zeitraum 05.08.2015 bis 06.10.2015 war der Beklagte alleiniger Geschäftsführer der GmbH. Der eingesetzte Insolvenzverwalter machte nun geltend, dass die GmbH schon am 01.09.2009 überschuldet war und seit dem Januar 2010 auch eine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen habe. Der Geschäftsführer hatte im Zeitraum vom 28.08.2015 bis 02.10.2015 Barabhebungen in Höhe von EUR 78.150 vorgenommen. Der Insolvenzverwalter forderte nunmehr den Ersatz dieser Gelder vom Geschäftsführer.

Der Geschäftsführer wies dies zurück und machte geltend, dass er die Abhebungen auf Weisung des Gesellschafters vorgenommen hatte und die Gelder danach für Zwecke der GmbH verwendet wurden – nämlich insbesondere für die Bezahlung der Mitarbeiter. Zudem habe er die alleinige Kontovollmacht erst ab dem 18.09.2015 gehabt. Ihm sei zu dem Zeitpunkt der Abhebungen die finanzielle Situation der GmbH noch nicht bekannt gewesen, da der vorherige Geschäftsführer die entsprechenden Unterlagen trotz mehrfacher Aufforderung nicht vorgelegt hätte. Aus diesem Grund habe er auch sein Amt am 06.10.2015 niedergelegt. Zudem seien in diesem Zeitraum Einzahlungen zu verzeichnen gewesen, die diese Abhebungen finanziert hätten.

2. Die Auffassung des Gerichts: Strenge Informationsbeschaffungspflichten, wenige privilegierte Handlungen und strenge prozessuale Darlegungspflichten

Nachdem das angerufene Landgericht dem Insolvenzverwalter den eingeforderten Betrag zugesprochen hatte, bestätigte auch das OLG die Entscheidung für den Verwalter. Der Geschäftsführer habe gegen das Zahlungsverbot (damals § 64 GmbHG, nunmehr § 15 b InsO) verstoßen. Danach sind die Geschäftsführer der Gesellschaft grundsätzlich zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung vorgenommen wurden.

a. Das Gericht verwies zunächst darauf, dass auch Bargeldabhebungen als „Zahlungen“ im Sinne der Zahlungsverbote anzusehen sind. Als Zahlung sei jede masseschmälernde Leistung anzusehen. Zwar sei die Abhebung zunächst nur ein Transfer von Geldern von der Bank in die eigene Kasse, da die Gelder danach aber aus der Kasse ausgezahlt wurden, sei der Gesamtvorgang als „Zahlung“ anzuerkennen.

b. Dem Geschäftsführer komme auch nicht zugute, dass er bis zum 18.09.2015 noch keine alleinige Verfügungsberechtigung über das Geschäftskonto hatte. Denn Zahlungen, die nicht vom Geschäftsführer, sondern von Mitarbeitern der Unternehmung veranlasst wurden, sind auch dem Geschäftsführer zuzurechnen – selbst, wenn er von den Kontoverfügungen nichts wusste. Der Geschäftsführer habe ab Eintritt der Krise dafür zu sorgen, dass solche Zahlungen unterbleiben. Habe der Geschäftsführer die Verfügung verhindern können, so sei diese ihm auch zuzurechnen.

c. Ausnahmsweise sei eine Zahlung aber nicht verboten. Dazu habe der Geschäftsführer aber darlegen (und ggf. beweisen) müssen, warum die Zahlung zu keiner Masseschmälerung geführt habe. Wenn mit der Zahlung im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang ein entsprechender Gegenwert in das Vermögen der Gesellschaft geflossen und dort verblieben ist, so greife das Zahlungsverbot nicht. Um einen solchen Zufluss zu argumentieren sei es aber notwendig, dass die in die Masse gelangte Gegenleistung für die Verwertung durch die Gläubiger geeignet gewesen wäre, wenn das Insolvenzverfahren zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits eröffnet gewesen wäre. Dies sei bei Arbeits- oder Dienstleistungen regelmäßig nicht der Fall.

d. Zudem sei die Zahlung nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar. Der Geschäftsführer sei gehalten, diese gegen ihn bestehende Vermutung zu widerlegen. Dies sei dem Geschäftsführer vorliegend nicht gelungen. Ein Geschäftsführer sei grundsätzlich gehalten, mit Eintritt der Krise die verteilungsfähige Masse der Gesellschaft im Interesse der Gläubigergesamtheit zu erhalten und die entgegenstehende bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern. Ausnahmsweise sei dies hinzunehmen, wenn der Geschäftsführer sich anderenfalls strafbar machen würde oder wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt werden könnte. Diese Sondersituation sei vorliegend nicht gegeben.

Die Zahlungen seien auch nicht mit der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar, weil die Zahlungen notwendig gewesen wären, um den Geschäftsbetrieb fortzuführen. Denn eine solche Betriebsfortführung sei nur schützenswert, wenn eine ernsthafte Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren bestand. Vorliegend sei aber noch nicht einmal im Ansatz dargelegt worden, dass für die GmbH eine Sanierungschance bestand.

e. Weiterhin wies das Gericht darauf hin, dass der Geschäftsführer nicht geltend machen könne, von der Krise keine Kenntnis gehabt zu haben. Denn ein Geschäftsführer der GmbH sei verpflichtet, die Organisation der GmbH so auszugestalten, dass er die zur Wahrnehmung seiner Aufgaben notwendigen betriebswirtschaftlichen und finanziellen Informationen über die Gesellschaft auch erlangt. Der Geschäftsführer handelt pflichtwidrig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und Kenntnisse verschafft, die er zur Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Im vorliegenden Fall sei zwar zu beachten, dass ein neu bestellter Geschäftsführer sich erst in sein Amt einarbeiten muss. Jedoch sei vorliegend die Einarbeitungszeit nicht genutzt worden, die nötigen Informationen einzuholen und die ordnungsgemäße Buchführung sicherzustellen. Würden diese Informationen dem Geschäftsführer (systematisch) vorenthalten, so sei ein gesetzestreues Arbeiten unmöglich – der Geschäftsführer müsse sein Amt mit sofortiger Wirkung niederlegen.

Die Tatsache, dass in dem Zeitraum auch Einzahlungen eingegangen sind, ändere daran nichts. Insbesondere könne kein Geschäftsführer allein aus Zahlungseingängen den sicheren Rückschluss vornehmen, dass eine Zahlungsunfähigkeit nicht vorliege.

Unerheblich sei der Einwand des Geschäftsführers, dass er die Abhebungen auf Weisung des Gesellschafters vorgenommen habe. Eine solche Weisung sei in diesem Zusammenhang irrelevant, da sie den geschützten Interessen der Gläubigergemeinschaft entgegenstehe.

3. Unser Fazit

Diese Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass die Geschäftsführerhaftung für Verstöße gegen das Zahlungsverbot streng ausgerichtet ist. Auch Geschäftsführern, die neu zum Geschäftsführer bestellt wurden, wird nur eine eng begrenzte Einarbeitungszeit zugestanden. Tatsächliche Schwierigkeiten bei der Einarbeitung werden dabei allenfalls begrenzt berücksichtigt. Stellt sich der frühere Geschäftsführer/Gesellschafter der Informationsgewinnung entgegen, so hat der neu bestellte Geschäftsführer notfalls sein Amt zur Verfügung zu stellen.

Die neuere Rechtsprechung hat zwar auch deutlich gemacht, dass im Fall von sanierungsfähigen Gesellschaften Zahlungen, die die Betriebsfortführung ermöglichen, privilegiert sein können. Dazu reicht es aber jedenfalls nicht aus, einfach darauf zu verweisen, dass durch die Zahlung der Betrieb fortgeführt wurde. Privilegiert werden nur Zahlungen, die im Fall von sanierungsfähigen Gesellschaften mit dem Ziel der Sanierung geleistet wurden.

Den Volltext des Urteils können Sie hier abrufen.

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